Das Ziel: Energie- und ressourceneffiziente Stadtentwicklung. Die Strategie: Grundlagen und Instrumente für eine energie- und ressourceneffiziente Planungspraxis in Stadtquartieren erarbeiten. Der Name: E_PROFIL.
Dahinter steckt ein Netzwerk aus unterschiedlichen Projekt- und Kooperationspartnern, darunter auch das Ars Electronica Futurelab. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt gestalteten sie unter anderem den Werkzeugkasten E_PROFIL, der die energetische Quartierssanierung unterstützt. Für das Projekt wurden zwei Linzer Stadtviertel ausgewählt, das Franckviertel und Kleinmünchen, die als erste Quartiere von E_PROFIL untersucht wurden. Die gewonnenen Daten bildeten die Basis für eine Handlungsanleitung und ein Methodenset für die weitere Forschung und Planung in Stadtquartieren.
Wir haben mit VertreterInnen der teilnehmenden Firmen und Institutionen gesprochen und mehr erfahren.
Credit: Ars Electronica Futurelab
Rudolf Giffinger, Sie sind Professor an der TU Wien im Fachbereich Stadt- und Regionalforschung am Department für Raumplanung. Können Sie uns erzählen, wie es überhaupt zu diesem Projekt kam?
Rudolf Giffinger: Es gibt zwar viele Klima- und Energieziele, von der UN, EU, auf Bundes- und auch Länderebene, diese müssen aber lokal umgesetzt werden. Der städtische Bereich ist hierbei in Österreich besonders wichtig, da große Potentiale vorhanden sind. Wie man Gebäude energie- und ressourceneffizienter gestalten kann, wird dabei schon lange erforscht. Ausgangspunkt für unser Projekt war die Überlegung, dass städtische Haushalte bereits über vielseitige Erfahrungen bezüglich Energieeffizienz, thermischer Sanierung und Erneuerbaren Energien verfügen, und auch Interesse an weiteren Projekten vorhanden ist. In Folge haben wir uns damit beschäftigt, ob das Stadtquartier eine geeignete Ebene ist, um die Umsetzung von Energieprojekten zu organisieren – und unsere Antwort ist ein klares JA! Die im Projekt erarbeiteten Grundlagen und Tools leisten hierzu einen wichtigen Beitrag.
Auch Di Daniel Latzer, ebenfalls an der TU Wien im Fachbereich Stadt- und Regionalforschung, hält Quartiere für eine geeignete Grundlage für dieses Projekt. Warum? Und weshalb genau die beiden Gebiete in Linz?
Daniel Latzer: Die Vorteile einer Quartiersbetrachtung sind unter anderem, dass ein Quartier „überschaubar“ ist und somit eine geeignete Größe besitzt, um die gegenseitige Bekanntheit und das Vertrauen zu nutzen, das Personen oder Organisationen im Quartier entgegengebracht wird. Ortskundige wissen über bereits etablierte Kommunikationskanäle und umgesetzte Projekte Bescheid. Durch den lokalen Bezug ist es einfacher, konkrete Energieprojekte ins Leben zu rufen. Somit können Projekte und Initiativen leichter und effektiv umgesetzt werden.
Die Gebiete „Franckviertel“ und „Kleinmünchen“ haben wir als Konsortium auf Basis der Kenntnisse der Linzer Stadtverwaltung ausgewählt. Aufgrund der städtebaulichen Eigenschaften bieten sich in den Gebieten vielfältige Einsparungspotentiale, gleichzeitig zeichnen sie sich durch unterschiedliche sozial bedingte Interessen aus.
Dass zwei Viertel der Stadt Linz ausgewählt wurden, ist auch für das Magistrat Linz spannend. Dr. Gerhard Utri, Sie sind in der Abteilung PTU, also Planung, Technik und Umwelt, des Magistrats tätig. Was erwartet sich die Stadt Linz von solch einem Projekt?
Gerhard Utri: Der Fokus des Projektes E_PROFIL liegt auf der Bereitstellung eines Tools zur energietechnischen Erneuerung von ganzen Stadtteilen unter Einbeziehung der handelnden Akteure. Dieses Tool oder dieser Werkzeugkasten soll als Instrument zur manchmal auch heiklen politischen Entscheidungsfindung etwa im Hinblick auf Gebäudesanierungen oder den Einsatz spezifischer Energieversorgungssysteme, vorzugsweise auf Basis erneuerbarer Energieträger, dienen. Auch zielt das Projekt nicht auf bestimmte Städte ab (wie beispielsweise das Modell der Stadtlabore), sondern soll auf verschiedene urbane Räume anwendbar sein. Zu erreichen ist dies wesentlich dadurch, dass nicht lediglich einzelne Quartiers-Merkmale beschrieben, sondern die einzelnen Schritte von der Planung über die Konzepterstellung bis zur Umsetzung und zum Monitoring dargestellt und standardisiert werden. Das Projekt entstand auf Basis der Betrachtung zweier Linzer Pilotquartiere, nämlich des Franckviertels sowie eines Teiles von Kleinmünchen, und birgt zweifelsohne auch einige Herausforderungen: Vor allem muss neben der Datenverfügbarkeit natürlich auch der politische Wille zur Umsetzung bzw. zur Finanzierung der Umsetzung gegeben sein.
Credit: Ars Electronica Futurelab
Das bedeutet also Beteiligung von verschiedensten Stellen. Hannes Schaffer, Sie sind Geschäftsführer des Ingenieurbüros für Raum- und Landschaftsplanung mecca consulting. Was sind Ihrer Meinung nach die Herausforderungen bei einer Partizipation zu diesem Thema und in dieser Größenordnung?
Hannes Schaffer: Die energetische Quartierssanierung ist ein komplexer Prozess, der übergeordnete Ziele verfolgt und dabei viele unterschiedliche Interessen und AkteurInnen mit unterschiedlichen Ansprüchen an das Quartier vereinen soll: InvestorInnen, UmsetzerInnen, EigentümerInnen, NutzerInnen, BetreiberInnen und ideell Beteiligte. Eine erfolgreiche Umsetzung setzt einen intensiven Lern- und Verhandlungsprozess aller Beteiligten voraus, wobei die Entscheidungsfindung mit partizipativer Festlegung der Maßnahmen stufenweise erarbeitet werden soll. AkteurInnen sind möglichst frühzeitig zu identifizieren und anzusprechen. Bestehende Netzwerke auf kommunaler und auf Quartiersebene sollen dabei unbedingt genutzt werden.
Auch rechtlich muss bei einem Projekt dieser Größe alles stimmen. Prof. Verena Madner, Sie leiten das Forschungsinstitut für Urban Management and Governance an der Wirtschaftsuniversität Wien. Wie ist Ihre Einschätzung des Projekts bzw. was sind die Herausforderungen aus rechtlicher Sicht?
Verena Madner: Das Projekt E_PROFIL untersuchte ein praktisch besonders bedeutsames Themenfeld. In der Diskussion um die Energieeffizienz in der Stadt gilt die Aufmerksamkeit oft nur den Neubaugebieten. Das Projekt E_PROFIL hat den Fokus hingegen auf die bereits gebaute Stadt gelegt und beleuchtet, wie der Prozess der energetischen Sanierung hier vorangetrieben werden kann. Das Projekt hat durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit viele neue Einsichten gebracht. Aus rechtlicher Perspektive hat sich gezeigt, dass vor allem das Wohnrecht oft nicht die richtigen Anreize für die Sanierung im Bestand setzt. Es wurde auch deutlich, dass der raumordnungsrechtliche und förderrechtliche Rahmen in Österreich derzeit noch kaum einen Bezug zum Stadtquartier aufweist. Das Projekt hat hier insbesondere aufgezeigt, dass ein „Kümmerer“ in Form eines Quartiersmanagements viel für die konsensuale Umsetzung und zum Erfolg von Sanierungen beitragen kann.
Um noch mehr darüber herauszufinden, welche Anreize gesetzt werden könnten und wie man Energieeffizienz fördern kann, benötigt es weiterführender Forschung. Rudolf Giffinger (TU Wien), sind die Projektziele erreicht worden? Wie geht es jetzt weiter?
Rudolf Giffinger: Ziel des Projektes war es unter anderem, die lokalen Bedingungen für Quartierssanierungen zu untersuchen und einen vielseitigen „Werkzeugkasten“ für Sanierungen auf der Quartiersebene zu entwickeln. Neben den wissenschaftlichen Berichten wurden die Ergebnisse und „Werkzeuge“ auch für AnwenderInnen in einem „Leitfaden zur energetischen Quartierssanierung“ zusammengefasst und auf http://www.eprofil.at/ bereitgestellt. Nun möchten wir diesen Werkzeugkasten in einem nächsten Schritt auch in österreichischen Stadtquartieren ausprobieren.
Es ist also mit der bisherigen Arbeit an E_PROFIL ein Methodenset entstanden. Die Gestaltung der Ergebnisse übernahm das Ars Electronica Futurelab Team rund um Nicolas Naveau. Nicolas, welche Anforderungen waren im Visualisierungsprozess zu meistern?
Nicolas Naveau: Im Projekt ist es darum gegangen, ein Online-Tool zu entwickeln, das die Anforderungen einer einfachen Überführung von Datenbanken in bekannte Schaubilder-Typen meistert – wie zum Beispiel von Zahlen zu Torten- oder Säulendiagrammen. Das Tool sollte sowohl von Experten als auch von Laien genutzt werden können.
Uns war es wichtig, sämtliche Inhalte durch Grafiken schnell erfassbar zu machen, deren Ikonografie allgemein bekannt sein sollte. Deshalb war ein Zurückgreifen auf allgemeines Gebrauchswissen ein logischer Bestandteil der Darstellung. Die Icons wie Häuser, Menschen, etc. sind alle eigens designte Einheiten, greifen aber auf eine bekannte und allgemein akzeptierte Zeichensprache zurück.
Durch die Kombination von Backend-Algorithmen (aus den Datenbeständen der Test-Quartiere) und dem Live-Erzeugen von Benchmark-Ergebnissen nach den Eingaben der UserInnen wird die Komplexität der Funktionen stark reduziert, ohne jedoch an Genauigkeit einzubüßen.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts E_PROFIL und die Daten vom Frackviertel und Kleinmünchen können Sie auf der E_PROFIL Webseite einsehen. Den Endbericht finden Sie hier zum Download.
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