Deep Space LIVE: Das letzte Abendmahl

DSC_3153,

Kaum ein Kunstwerk ist so bekannt wie das letzte Abendmahl von Leonardo da Vinci – spätestens mit dem „Da Vinci Code“ sind das Fresko und seine Geheimnisse in aller Munde. Kunsthistoriker Dr. Lothar Schultes und Theologe Dr. Michael Zugmann zeigen beim Deep Space LIVE am 29. März 2018, was alles hinter dem Werk steckt.

Warum das letzte Abendmahl nur mehr in blassen Farben erhalten ist, welche Schwierigkeiten die Restauration des Kunstwerks mit sich brachte und warum es sich lohnt, den Klassiker der Kunstgeschichte im Deep Space auf 6×9 Metern Projektionsfläche zu betrachten, erzählt uns Kunsthistoriker Dr. Lothar Schultes im Interview.

4472104181_2e64a44bd9_b

Credit: rubra

Was ist die kunsthistorische Bedeutung der Abendmahldarstellung von Leonardo da Vinci?

Lothar Schultes: Grundsätzlich ist das letzte Abendmahl wahrscheinlich eines der bekanntesten und vermutlich auch meist abgebildeten Werke der Kunst. Es ist vor allem jetzt, auch durch den Film „The Da Vinci Code – Sakrileg“, so berühmt, dass man sich in Mailand, wo das Gemälde zu sehen ist, eigentlich nicht des Ansturms erwehren kann. Man kann nicht viel mehr als 1000 Leute pro Tag hineinlassen, man muss sich wochenlang vorher anmelden und dann darf man nur 15 Minuten bleiben. Alleine das spricht dafür, dass wir hier im Deep Space eine Vorstellung machen, weil hier können wir uns so lange wir wollen dem Gemälde widmen. Wir sehen es hier eigentlich fast besser als am Original, weil wir reinzoomen können. Dadurch sehen wir das Wandgemälde so, als würden wir direkt davor am Gerüst stehen. Beim Original hat ja nur der Restaurator oder die Restauratorin die Möglichkeit!

Beim Abendmahl kommt außerdem noch dazu, dass das Gemälde eigentlich eine Ruine ist. Schon zu Lebzeiten von Leonardo da Vinci hat man gesehen, dass er einen technischen Fehler gemacht hat. Er verwendete Gipsgrund, was man für die Wandmalerei nicht nehmen sollte. Es begann schon zu Leonardos Lebzeiten, sich vom Putz zu lösen. Es gibt schon ganz frühe Reproduktionen, die früheste ist glaube ich von 1520, von einem seiner Schüler. Sie steht jetzt in London, dort sieht man genau, wie grellfarbig das einmal war. Man muss sich sicher auch die Gemälde wie die Mona Lisa viel farbiger vorstellen, als sie jetzt sind. Dadurch, dass wir im Deep Space so nah zoomen können, haben wir zumindest ein bisschen von diesem Hauch des Originals.

DSC_3161

Credit: Robert Bauernhansl

Das Kunstwerk ist auch wegen seiner Komposition und der Maltechnik so berühmt – was finden Sie persönlich am spannendsten?

Lothar Schultes: Es ist eigentlich jedes Werk von Leonardo eigentlich kunstgeschichtlich etwas Neues. Er hat nie gemacht, was der Tradition entsprach. Natürlich gab es schon vorher Abendmahldarstellungen wie etwa jene von Ghirlandaio, die Leonardo sicher kannte und die auch sehr ähnlich ist. Was aber neu ist, ist diese ganz exakt durchkonstruierte Zentralperspektive und dass er Christus ganz genau in die Mitte setzt. Der Fluchtpunkt ist irgendwo bei der Schläfe, dadurch bekommt das Werk eine fast klassische Dimension. Je rechts und links sind Dreiergruppen mit den Aposteln. Auch diese Gruppierung ist ganz neu, früher waren sie eher aufgereiht. In der Gotik ist es überhaupt so, dass einer neben dem andren sitzt. Bei Leonardo ist es einfach so dramatisch! Trotzdem ist es komponiert, in einem Dreieck, die göttliche Form in der Renaissance. Innerhalb der Gruppen ist jeder Apostel anders, das ist eben auch das Tolle daran: Dass er so verschiedene Menschentypen zeigt. Beim Apostel Johannes zum Beispiel meinen gewisse Leute, dass die Figur in Wirklichkeit Maria Magdalena ist, weil sie weiblich ausschaut. Johannes verkörpert die Sanftheit. Es gibt unter den Aposteln aber auch die heftigsten Erregungszustände. Manche sehen so aus, als wären sie sogar bereit, zu kämpfen und ihren Herren zu verteidigen. Diese Bandbreite der Gefühle ist wirklich etwas ziemlich Neues. Ohne, dass es theatralisch ist!

Können Sie uns ein bisschen über die Restaurierung des Werks erzählen?

Lothar Schultes: Im 18. Jahrhundert war es so, dass die Alarmglocken geschrillt haben. Man dachte, man würde das Abendmahl verlieren, weil sich gezeigt hatte, dass sich die Malfläche in ganz kleinen Schuppen löste. Es gab schon im 18. Jahrhundert mehrere Versuche, das Bild zu retten, die eigentlich alle auf dem Irrtum beruhten, dass es in Öl gemalt ist. Es war aber Tempora! Dadurch hat man eigentlich alles noch verschlimmert. Im 19. Jahrhundert gab es den schlimmsten Versuch, ein Restaurator versuchte, das Gemälde zu lösen. Es gelang ihm aber nicht. Technisch wäre das schon möglich, man müsste das Werk mit einer sehr breiten Säge oder einem Sägedraht von der Wand trennen. Allerdings sind hier rechts und links Mauern, man müsste das Abendmahl also ganz zersägen und jeden Teil einzeln lösen.

Im frühen 20. Jahrhundert fand eine erfolgreiche Festigung statt, somit war zumindest der Bestand gesichert. Die letzte große Restaurierung wurde 1999 beendet, alle späteren „Zutaten“ wurden entfernt. Trotzdem ist das letzte Abendmahl nur mehr ein Schatten des ursprünglichen Zustands. Wenn man es mit den vielen Kopien vergleicht, bei denen noch die ganze Farbe da ist…Die Wiener Kopie in der Minoritenkirche, ein Mosaik, gibt einen sehr guten Eindruck, aber den besten gibt wirklich die Kopie von 1520 in London.

DSC_3161f

Credit: Robert Bauernhansl

Welche Details kann man im Deep Space erkennen, die mit  bloßem Auge unsichtbar wären?

Lothar Schultes: Zum Beispiel sieht man den Einstich von der Nadel, mit der Leonarde die Perspektive konstruiert hat. Er wird dazu Schnüre verwendet haben, das kann man erkennen. In den letzten Jahren gab es auch eine ganz lustige Diskussion darüber, was die Apostel essen. Im Deep Space kann man nachschauen, was da wirklich auf den Tellern ist. Zu meiner Enttäuschung muss ich sagen, das Werk ist so schlecht erhalten, gerade in diesen Partien, dass man es nicht erraten kann.

Das letzte Abendmahl ist in einem fragmentierten Zustand. Es sind manche Stellen durch Zufall relativ schön in der Farbigkeit, andererseits gibt es Stellen, wo man sieht, dass da einerseits die Restauratoren versagt haben, es andererseits aber auch Vandalismus gab. Als Mailand von Napoleon besetzt wurde, waren die Pferde unter dem letzten Abendmahl untergebracht. Soldaten schossen mit Steinen auf das Fresko, kratzten den Aposteln die Augen, es gab arge mechanische Beschädigungen.

Worin liegt der Reiz für Sie als Kunsthistoriker, im Deep Space einen Vortrag zu halten?

Lothar Schultes: Ich finde das toll! Auch im herkömmlichen Museum ist es so, dass die Werke nicht mehr im originalen Kontext sind, besonders, nachdem viele Museumsbauten moderne Bauten sind. Wir präsentieren gotische Bilder vor einer weißen Wand, wo sie nie gehängt sind, und sie entfalten dadurch ganze neue Facetten. Auch das Licht ist anders. Beim letzten Abendmahl kam das Licht vom linken Fenster der Kirche, das wurde von Leonardo sogar berücksichtigt. Wenn man so wie hier im Deep Space präsentiert, geht manches natürlich verloren, dafür gewinnt man anderes.

Man erreicht hier, und deswegen mag ich es auch so gerne, ein Publikum, das im Museum vielleicht Schwellenangst hat und das gerade bei so berühmten Werken wie diesem, die nicht so einfach zugänglich sind, vielleicht auch Hemmungen verspüren. Im Original ist das letzte Abendmahl eher etwas Exquisites, die Besichtigung ist teuer, hier kann ich sozusagen von der Straße rein. Der Eintritt ist auch sehr billig, das ist eine weitere Schwelle, die wegfällt.

Der Deep Space LIVE „Das letzte Abendmahl“ findet am 29. März 2018 um 18:00 Uhr im Ars Electronica Center statt. Alle Details erfahren Sie auf unserer Webseite.

Um mehr über Ars Electronica zu erfahren, folgen Sie uns auf FacebookTwitterInstagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/.

, , , ,