Beim Abu Dhabi Festival am 24. März 2018 verbanden sich Klang und Visualisierung zu einem einzigartigen Ensemble: Die beiden PianistInnen Maki Namekawa und Dennis Russell Davies spielten gemeinsam drei sehr unterschiedliche Stücke für ein oder zwei Klaviere, während der Künstler Cori O’Lan Echtzeitvisualisierungen dazu erscheinen ließ. Der Auftritt „Pianographique“ war eine Koproduktion vom Abu Dhabi Festival und Ars Electronica und zeigte, wie faszinierend es sein kann, wenn Ton und Bild verschmelzen.
Wir haben uns vor dem Konzert mit den beiden PianistInnen Maki Namekawa und Dennis Russell Davies getroffen und mehr über die Stücke, ihre Arbeit und das Zusammenspiel der Musik mit den Visualisierungen erfahren.
Credit: Tom Mesic
Was bedeutet es für euch, dieses Jahr beim Abu Dhabi Festival gemeinsam aufzutreten?
Dennis Russell Davies: Es ist unser erster Auftritt überhaupt in einem arabischen Land, das interessiert uns sehr. Dass das durch Ars Electronica zustande gekommen ist, ist natürlich für uns auch sehr schön. Es ist einfach eine neue Lebenserfahrung, die wir in vielen Jahren internationaler Tourneen noch nicht hatten, deswegen ist es besonders interessant!
Maki Namekawa: Zum Glück durfte ich durch die Musik viele Länder besuchen und dadurch sehr viele verschiedene Kulturen erleben. Aber jetzt bin auch ich zum ersten Mal in einem arabischen Land, um dort zu spielen. Ich freue mich und ich bin so neugierig, wie die Leute auf die Live-Visualisierung und auf unsere Musik reagieren! Ich bin sicher, dass es gut ankommt – viele haben so etwas vielleicht noch nie gesehen! Wir sind stolz, das aus Oberösterreich mitzubringen. Ich spiele auch oft alleine, also ohne Visualisierungen, aber das ist eine völlig andere Atmosphäre. Wenn ich mit den Visualisierungen von Cori O’Lan zusammen spiele, habe ich immer das Gefühl, dass mich jemand unterstützt, die Kombination ist super! Ich freue mich jedes Mal, wenn ich mit Cori O’Lans Live-Visualisierungen auf die Bühne gehe.
Welche Werke werdet ihr hier spielen?
Dennis Russell Davies: Das Programm besteht aus drei Werken, die alle eine Verbindung mit Ars Electronica haben. Das erste Stück ist Steve Reichs „Piano Phase“, das Maki Namekawa und ich in einem früheren Ars Electronica Festival gespielt haben. Es wurde auch damals visualisiert, aber Cori O’Lan hat jetzt eine neue Fassung gemacht. Wir führen es jetzt also zum ersten Mal in dieser Fassung auf. Auch mit dem zweiten Werk, „Ma Mère L’Oye“ von Maurice Ravel, hat Ars Electronica schon Erfahrung – es wurden Visualisierungen für die Walt Disney Hall der LA Philharmonic produziert und vorgestellt. Cori O’Lan hat das jetzt auch für die vierhändige Klavierfassung umgesetzt, das zeigen wir in Abu Dhabi. Schließlich spielen wir „Four Movements for Two Pianos“ von Philip Glass, dass er für uns komponiert hat. Auch dieses Stück hat Cori O‘Lan visualisiert. in einer neuen Fassung. Das alles wird jetzt zum ersten Mal unter einem Hut an einem Ort aufgeführt, und zwar beim Abu Dhabi Festival.
Credit: Abu Dhabi Festival
Maki Namekawa: Alle drei Stücke haben völlig verschiedene Klangfarben. Ich spiele oft mit Cori O’Lan nur ein Stück von einem Komponisten, aber für das Abu Dhabi Festival haben wir drei verschiedene. Ravel zum Beispiel ist sehr bekannt für seine magische Farbenpalette, Magie nennt man das im Musikbereich, weil er so viele wunderschöne Farben mit der Orchestration bringt. Wenn ich die vierhändige Fassung des Stücks spiele, ist die Farbe natürlich anders als wenn es ein Orchester spielt, dafür kommt aber die Intensität der Musik eigentlich viel mehr raus.
Steve Reich ist völlig anders. Piano eins und Piano zwei fangen gemeinsam an, zu spielen. Langsam verschiebe ich die Töne, bei jeder Station den ersten Ton, völlig mathematisch. Diese Kunst, die Steve Reich geschaffen hat, ist eine geniale. Modern und im Minimalismus. Auch Philipp Glass ist ein Minimalist wie Steve Reich,aber die beiden sind völlig anders! Die vier Movements von Philip Glass sind wiederum ganz anders als Ravel.
Dennis Russell Davies: Zwei Werke sind für zwei Klaviere, das von Philip Glass und das von Steve Reich, und das Werk von Ravel ist in der Originalfassung für ein Klavier, vierhändig.
Was ist die Herausforderung für euch als Pianist und Pianistin, ein Stück mit zwei Klavieren zu spielen?
Dennis Russell Davies: Es sind zwei verschiedene Werke, also ist es unterschiedlich. Das Werk von Steve Reich hat mit rhythmischen Verzögerungen zu tun. Es ist ein Klassiker der Minimal Music geworden. Steve Reich hat auch eine Fassung für zwei Marimbas komponiert, grundsätzlich sollten es aber immer zwei gleiche Instrumente sein. Es entsteht eine melodisch-rhythmische Figur in schnellen Sechzehntel-Tönen, die durch eine leichte Verschiebung in etwa 32 verschiedene Einheiten in verschiedenen Formaten zur Geltung kommen. Die Herausforderung dabei ist zweifach. Maki hat die Aufgabe, diese leichte Beschleunigung, leicht schneller zu werden, zu spielen, und ich habe die Aufgabe, mich nicht irritieren zu lassen und Tempo zu halten. Beide sind schwer, aber ich glaube, Maki hat die schwerere Arbeit.
Das Werk von Philip Glass ist eher ein Zwei-Klavierstück im klassischen Sinn, in vier Sätzen. Es ist einfach pianistisch interessant, es ist anspruchsvoll von der technischen Seite, aber musikalisch ist es sehr nachvollziehbar und hat immer einen riesen Effekt beim Publikum.
Credit: Abu Dhabi Festival
Was muss man beachten, wenn man mit vier Händen auf nur einem Klavier spielt?
Maki Namekawa: Auf einem Klavier, auf einem Flügelinstrument nebeneinander mit vier Händen, zu zweit, zu spielen, ist viel intimer. Zwei Flügel einzeln zu spielen ist sehr harmonisch. Bei nur einem Klavier hat man engen Kontakt – wenn der Spieler nebenan einen kleinen Atemzug macht, dann hört man das schon. Ein anderer Unterschied ist die Klangfarbe – bei zwei Klavieren hört man den Klang stellenweise von rechts oder von links, vor allem aber gemischt in der Mitte.
Dennis Russell Davies: Die Herausforderung bei einem Klavier für zwei Leute ist, dass man einander mögen muss, sich verstehen muss. Ich glaube, aus dieser Arbeit sind viele Paare entstanden, und so ist es auch bei uns. Es ist eine sehr intime Art, Musik zu machen, die eine lange Tradition in der klassischen Musik hat. Im 20. Und im 19. Jahrhundert hatten viele Häuser, viel mehr als heute, ein Klavier zuhause. Klavier, vierhändig gespielt, war eine wunderbare Familienunterhaltungsmusik. Alle großen Komponisten haben ihre Symphonien für vier Hände gesetzt. Das war ein Weg, die Musik unter das Volk zu bringen. Es ist eine sehr schöne Art, Musik zu machen, wir genießen das sehr.
Zusätzlich begleiten Echtzeitvisualisierungen von Cori O’Lan die Vorstellung. Wie bereichern die Visualisierungen die Stücke?
Dennis Russell Davies: Das ist so eine zwiespältige Sache. Ich würde nicht sagen, dass die Stücke eine Bereicherung brauchen. Ich finde aber diese Art von Visualisierungen sehr befriedigend. Je öfter man das sieht oder hört, bekommt man die Fähigkeit, beides zu machen, gleichzeitig: intensiv zuzuhören und intensiv zu schauen. Das ist nicht leicht zu erreichen, es ist alleine schon das reine Zuhören für das Publikum eine große Herausforderung. Die Tatsache, dass die Geschwindigkeit oder die Intensität der Visualisierungen vom Klang initiiert werden, weil das so konzipiert ist, führt glaube ich dazu, dass man ein Gefühl für die Musik bekommt, wenn man den Auftritt im Publikum hört und sieht.
Maki Namekawa: Ich glaube, sehr viele Leute haben schon probiert, Musik und Visualisierungen zusammen auf die Bühne zu bringen. Aber es war meistens parallel, man hat von einer Aufnahme eine Programmierung gemacht, wusste die Dauer oder hat es sonst irgendwie einfach zusammen abspielen lassen. Die Echtzeitvisualisierung von Cori O’Lan reagiert genau in dem Moment, wo wir spielen. Das ist etwas Besonderes. Ich genieße jedes Mal, wenn ich mit Visualisierungen spiele. Wenn ich die Leinwand sehe, weiß ich, dass ich manchmal anders spiele. Ab und zu habe ich viel mehr Wellen, oder manchmal mehr Linien. Ich sehe meine Musik.
Maki Namekawa ist eine der bedeutendsten Künstlerinnen in ihrem Bereich und führt regelmäßig klassische als auch zeitgenössische Musik von internationalen KomponistInnen vor großem Publikum auf. Als Solistin und Kammermusikerin spielte sie unter anderem in der Suntory Hall in Tokio, Carnegie Hall in New York, Cité de la Musique in Paris, Barbican Center in London, Musikverein in Wien, PianoFestival Ruhr, Rheingau Festival und bei der Musik-Biennale Berlin. 2015 erschien eine CD mit den vollständigen Klavieretüden von Philip Glass, gespielt von Maki Namekawa, von OrangeMountainMusic. Die CD schaffte es auf Platz 1 der iTunes Classic Charts und erhielt großes Lob vom BBC Magazine.
Dennis Russell Davies wurde in Toledo (Ohio) geboren und studierte Klavier und Dirigieren an der New Yorker Juilliard School. Seine Tätigkeit als Dirigent in Oper und Konzert, als Pianist und Kammermusiker ist gekennzeichnet durch ein breit gefächertes Repertoire, das vom Barock bis zur jüngsten Moderne reicht, durch spannende und durchdachte Programmkonstellationen und durch eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Komponisten. In seinen Konzerten widmet er sich vor allem dem Schaffen Anton Bruckners und erweitert das stilistische Repertoire der Orchester, in denen er Chefdirigent war und ist, mit Werken von internationalen Komponisten mit Schwerpunkt auf Neuer Musik. Dennis Russell Davies dirigierte als Gast u. a. Cleveland und Philadelphia Orchestra, Chicago, San Francisco und Boston Symphony und das New York Philharmonic Orchestra, während er in Europa derzeit mit Orchestern wie der Dresdner Philharmonie, dem Gewandhausorchester, dem Orchestra Filarmonica della Scala Milano, den Münchner Philharmonikern und dem Concertgebouworkest Amsterdam arbeitet.
Maki Namekawa und Dennis Russell Davies führten „Pianographique“ gemeinsam mit Echtzeitvisualisierungen von Cori O’Lan am 24. März 2018 am Abu Dhabi Festival auf. Hier finden Sie mehr Informationen zum Festival.
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