Hier wird die Nacht zum Tag: Bei der Ars Electronica Nightline am Festivalfreitag, 7. September 2018, kommen Musikfans ganz auf ihre Kosten. Zu schnellen Beats, elektronischen Experimenten und audiovisuellen Performances wird in der alten Gleishalle der POSTCITY Linz eine Nacht lang getanzt und gefeiert, bis die Sonne wieder aufgeht.
Das Kuratorenteam Salon 2000, bestehend aus Jakob Barth und Bartholomäus Traubeck, ist auch dieses Jahr wieder für das Line-Up von herausragenden Acts verantwortlich. Gemeinsam mit Projektleiter Hannes Franks haben sie schon vorab im Interview verraten, welche Highlights uns dieses Jahr erwarten und was die Ars Electronica Nightline zu einem ganz besonderen Erlebnis macht.
Credit: Florian Voggeneder
Die Ars Electronica Nightline wird auch dieses Jahr wieder von euch, Salon 2000, speziell für Musikfans und NachtschwärmerInnen kuratiert. In welche Richtung soll es dieses Mal gehen?
Salon 2000: Ganz getreu dem diesjährigem Festivalthema „Error – The Art of Imperfection“ haben wir dieses Jahr besonders Wert auf Performances gelegt, die mit unfertiger Rohheit, vermeintlichen und echten Fehlern, Improvisation oder aber auch einem gewissen Dilettantismus spielen. DJ Detweiler zum Beispiel spielt bewusst den Gegenentwurf zu dem, was heute als perfektes DJ-Set wahrgenommen wird. Da werden Genres scheinbar beliebig gemischt, obskure, teilweise alles andere als geschmackssichere Nummern gespielt und harte Brüche erzeugt. Wenn man sich darauf einlässt, merkt man, wie viel Energie und Potential für Neues in diesem Zusammenspiel stecken kann. Ein weiteres Beispiel ist Group A, mit ihren lauten, chaotischen Performances. Hier wird aus Noisewänden vermeintlich zufällig ein rhythmischer Technotrack herausgearbeitet, über den die Performerinnen dann mit analogen Geräten wie etwa einer verzerrten Geige improvisieren. So mischen sich Sounds, die man aus Industrial, Noise, Techno aber auch experimenteller Musik oder sogar Postpunk kennt, zu einem neuen Ganzen.
Und wer Iglooghosts Videos gesehen und gehört hat, weiß, dass „Error“ nicht nur eine einzige Art von Stilistik impliziert. Der junge Londoner Producer mischt verschiedenste Fragmente und Artefakte zu einer stirngenten, schwer zu kategorisierenden „Hyper“-Ästhetik.
Das Ars Electronica Festival ist kein reines Musikfestival, Musik spielt aber trotzdem eine sehr große Rolle…
Hannes Franks: Eigentlich ist es so, dass Ars Electronica schon immer ganz tief mit Musik verbunden war. Daher wollen wir den Besuchern und Besucherinnen so etwas wie die Nightline bieten – eine Möglichkeit, neben den vielen Installationen und Performances und Workshops auch ein tolles Programm auf einer Bühne zu erleben.
Worauf wird in der Auswahl der Acts Wert gelegt?
Salon 2000: Zum einen gibt es natürlich das jährliche Festivalthema, welches für uns meistens als initiale Inspiration dient und das Ganze am Schluss auch wieder thematisch zusammenfügt. Stilistisch oder genretechnisch bewegt sich das meiste natürlich schon im Bereich der elektronischen Musik sowie audiovisueller Performance, aber auch nicht ausschließlich. Einerseits ist es wichtig, einen gewissen Bogen über den Abend zu spannen, andererseits ist für uns der performative Aspekt auch ein wesentlicher. Wir bespielen mit der Gleishalle eine riesige Bühne, auf der die Künstler und Künstlerinnen schon eine gewisse Präsenz zeigen müssen, um wirken zu können. Es gibt einige Acts, die wir in den letzten Jahren gerne gebucht hätten, für deren Shows das Setting aber auch eben nicht passend war. Dementsprechend besteht das Programm normalerweise auch relativ viel aus AV-Performances, da die Gleishalle eine perfekte Kulisse für großformatige Projektionen, Laser und Lichtinstallationen bietet.
Hannes Franks: Wir achten immer darauf, dass wir mit den Acts auf jeden Fall die Gleishalle in dem Umfang nützen, wie wir es können. Wir haben ein massives Gebäude, das wir bespielen können, und auch eine 14 Meter Projektionswand im Rücken, das wollen wir ordentlich benützen. Genauso schauen wir auch immer, dass wir Acts finden, die gerade am Puls der Zeit sind und vor allem mit elektronischer Musik genau das machen, was das Jetzt und Hier wiederspiegelt.
Was ist das Jetzt und Hier der elektronischen Musik 2018?
Hannes Franks: Es ist eine große Affinität zu allem da, was aus verschiedenen, früheren Elementen eklektisch zusammengelegt werden kann. Nach 50 oder 60 Jahren Popmusik, die durch alle möglichen Stile gewandert ist, ist jetzt ein Punkt gekommen, an dem auf einmal alles wieder in einen Topf geworfen und neu zusammengesetzt wird. Auf der Salon Stage haben wir einen Act, Mermaid & Seafruit, die sich heftig an Hardstyle-Stilmitteln bedienen, aber gleichzeitig genauso auch eine sehr milde Pop-Nummer packen. Oder Golin, die sich aus allen möglichen Stilrichtungen ihr Set zusammenbaut.
Du hast es gerade erwähnt, es gibt auch dieses Jahr eine Main Stage und eine Salon Stage. Was ist der Unterschied zwischen den beiden?
Hannes Franks: Die Main Stage ist die Bühne, die wir an allen Tagen bespielen, beim Opening, der Großen Konzertnacht, beim Konzert am Montag und bei der Nightline. Es ist die Hauptbühne am Festival. Hier machen auch tagsüber kleine Delegationen immer wieder mal etwas. Mit ein bisschen Umbau wird die Bühne also für alle möglichen Events genützt, am Sonntag bauen wir zum Beispiel Laufstege für die Tänzerin Silke Grabinger ein. Im Hintergrund ist diese massive Leinwand, also Gebäudewand eigentlich, die wir immer nutzen, um das Programm audiovisuell zu ergänzen.
Die Salon Stage ist ein Zusatz zu dem Programm auf der Hauptbühne, so können wir den Besuchern und Besucherinnen etwas Flexibilität bieten. Wenn ein Act auf einer Stage vielleicht nicht so gefällt, gibt es immer eine Alternative. Außerdem ist es super, weil man im Kreis gehen kann: Von der Mainstage geht es zur Salon Stage, dann an der Bar vorbei und wieder zur Main Stage. Es ist eine abgeschlossene Runde, bei der man immer etwas findet.
Salon 2000: Die Salon Stage dient als Bühne für experimentellere, eigenwilligere Acts. Hier passieren einzigartige Performances, oft von lokalen Künstlern und Künstlerinnen, welche in dem etwas intimeren Setting viel direkter wirken können, weil man viel näher an den Personen dran ist als Publikum. Heuer werden DVRST dort eine düster-dronige Show spielen und Mermaid & Seafruit werden ihre verzerrte, mal drückend langsame, mal halsbrecherisch schnelle Interpretation von raviger Clubmusik präsentieren. DJ Detweiler sorgt dann dafür, dass man die letzten paar Stunden noch ordentlich in die Nacht hinein feiern kann. Letztes Jahr hat sich mit DJ Marcelle gezeigt, dass diese etwas kleinere, clubartige Bühne dafür super geeignet ist.
Und welche Highlights erwarten uns auf der Main Stage?
Salon 2000: B. Visible wird mit Liveband auftreten und den Abend einleiten. Die Rapperin und Sängerin Catnapp aus Berlin wird sich an verschiedensten Genres elektronischer Musik bedienen. Clemens Haas wird eine Lichtinstallation für die Bühne konzipieren und diese über den Abend bespielen. Golin aus Belgien performt zu ihrem futuristischen Sound mit viel Improvisation. Einzelne Highlights gibt es in diesem Sinn aber nicht. Das Programm ist so gedacht, dass jeder Act einen gewissen Platz in einem Gesamtablauf einnimmt, bei dem jeder Teil wichtig ist.
Salon 2000, ihr habt in eurer Arbeit ein sehr breites Verständnis von elektronischer Musik, letztes Jahr habt ihr euren Zugang im Interview so beschrieben: „Wir versuchen generell immer den Übergang von Performance zu Show zu Musik so flüssig wie möglich zu halten.“ Gibt es auch dieses Jahr Acts, die durch besonders spektakuläre künstlerische Ausdrucksformen auffallen?
Salon 2000: Group A sind da sicherlich sehr interessant. Aber insgesamt bewegen sich alle Acts am Freitag zwischen Show, Kunst, Musik und Performance, jeder und jede natürlich mit eigenem Fokuspunkt. Was sicher auch spannend wird ist die Zusammenarbeit von Visionist mit Filmmacher Pedro Maia, den wir vor zwei Jahren schon einmal gemeinsam mit Vessel eingeladen hatten. Seine analogen Bildwelten, oft extrem aufwändig erst auf 16mm gefilmt und gescannt um es dann flexibel projizieren zu können, sind sehr immersiv und teilweise richtig brachial.
Eine große Besonderheit ist, dass die Locations für die Bühnen früher industriell genutzt wurden…
Hannes Franks: Organisatorisch ist das natürlich nicht ohne! (lacht) Es gibt zum Beispiel einen Unterschied zwischen industriellen Fluchtwegen und Veranstaltungsfluchtwegen. Da die Halle früher für Züge benutzt wurde, musste gar nicht an große Menschenmassen gedacht werden, was jetzt aber ein großer Faktor ist. Wir müssen also eine super Infrastruktur dafür schaffen, dass wir diese Masse an Besuchern und Besucherinnen gut leiten können. Interessant ist auch, dass die Gleise eigentlich nur am Anfang des Postverteilzentrums genutzt wurden. Der Grund für das Gebäude ist eigentlich diese Gleisanbindung, als Züge aber in den 90er-Jahren immer weniger relevant wurden, hat man diese Gleishalle ein bisschen vernachlässigt. Die Gleishalle war nur mehr ein leerer Raum, das merkt man auch beim Aufbau.
Die Location alleine ist also schon klasse. Alle diese Möglichkeiten, was wir in der Halle machen können, sind spitze, dass wir diese Bühne und diese Freiheit überhaupt haben, auch. Dass wir auch ein sehr internationales Publikum haben, das hier zusammentrifft, ist auch super. Wir können hier ein Programm bringen, das woanders vielleicht nicht spielen würde. Wir müssen nicht unbedingt diesem Druck standhalten, Popmusik spielen zu müssen, um die Leute zu ziehen, weil wir ein Publikum haben, das sehr interessiert ist. So geben wir den Acts eine Bühne mit einem Publikum, das sie sonst nicht haben. Manche Acts spielen sonst in kleinen Clubs und haben hier auf einmal eine große Bühne, eine geniale Projektionsfläche, in einer supertollen Location mit einem klasse Festivalpublikum.
Jakob Barth ist Filmemacher und Medienkünstler, Bartholomäus Traubeck ist Sound- und Medienkünstler. Gemeinsam betreiben sie die Veranstaltungsreihe Salon 2000, welche hauptsächlich im Celeste in Wien stattfindet und Abende mit zeitgenössischer elektronischer Musik, Kunst und Clubkultur ohne definierte Genregrenzen zum Ziel hat. Beide buchen und organisieren seit fast 10 Jahren Veranstaltungen in Österreich und manchmal auch woanders.
Hannes Franks, geboren 1986, lebt und arbeitet auf einer einsamen Ölbohrinsel. Nach dem Bachelorstudium Multi Media Art in Salzburg und einem Master in Medienkultur- und Kunsttheorien in Linz Arbeite er an diversen Kulturproduktionen in Österreich und über dessen Grenzen hinaus. Seit 2011 arbeitet er für das Ars Electronica Festival Team und hat unlängst die Produktion der performativen Formate übernommen. Abwechselnd dazu ist er auch in der Produktion der Performances am Donaufestival in Krems beteiligt.
Die Ars Electronica Nightline findet am Freitag, 7. September 2018, ab 19:30 Uhr in der POSTCITY Linz statt. Das Line-Up finden Sie hier. Tickets können Sie hier beziehen.
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