Featured Artist: Elisabeth Schimana

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Am Anfang war bei Elisabeth Schimana die Stimme. Das war in den 80ern, „immerhin vor über 30 Jahren“, wie sie sagt. „Da kommt schon Einiges zusammen.“ In diesem Fall: Dreißig Jahre Pionierarbeit an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Feminismus. Als Featured Artist gibt Schimana dieses Jahr am Ars Electronica Festival, von 6. bis 10. September 2018, einen Einblick in genau diese wegweisende Arbeit – sowie in jene von neun weiteren Medienkünstlerinnen.

 „Sing du nur, wir machen das schon“

Das ist außergewöhnlich, vor allem, weil Schimana selbst lange das Gefühl hatte, dass Frauen in der elektronischen Musik die Ausnahme wären. Von den ersten Live-Performances mit Computern und digitaler Elektronik in den 80ern begeistert, wandte sie sich bald von der Arbeit mit der Stimme ab und experimentierte stattdessen mit Elektroakustik. Ihre männlichen Kollegen reagierten oft gleich: „Die Typen meinten immer: Sing du nur, wir machen das schon“, erzählt Schimana. „Ich habe mir gedacht, so kann das nicht gehen. Ich muss das selber machen.“

Gesagt, getan. Schimana begann also, den Lehrgang für elektroakustische und experimentelle Musik, kurz Elak, an der Universität für Musik und darstellende Kunst zu besuchen. „So beginnen bei mir viele Dinge aus einer Notwendigkeit“, meint Schimana heute sachlich.

Von Tonbändern und Ataris

Was mittlerweile so gut wie nur am Computer passiert, war damals noch langwierige Arbeit mit Tonbändern und Analogtechnik. „Diese Zeit war genau der Übergang zum Digitalen“, erinnert sich die Künstlerin. Zu Beginn musste oft tage- und nächtelang gewartet werden, bis die Maschinen fertig gerechnet hatten und ein paar Sekunden Sound entstanden. „Dann kamen die 90er“, erzählt die Musikerin. „Da hat sich sehr rasant unglaublich viel geändert.“

Auch für Schimana brachte die neue Dekade viel Neues: So begann sie nach ihrer Zeit am Elak beim Kunstradio zu arbeiten. „Da waren über viele Jahre hinweg meine Schwerpunkte die Stimme und Elektronik“, so Schimana. Digitale Live-Elektronik lag im Trend, Performances mit Licht- und Videoprojektionen waren die Regel. „Es war eine unsägliche, für mich unsinnige Bebilderung der Musik“, erinnert sich die Musikerin. „Ab den 2000ern gab es bei mir also eine totale Verweigerung von Bild und Video. Eigentlich bis jetzt.“

Frauen? Totgeschwiegen.

So sehr sich Schimanas Stil im Laufe der Jahre veränderte, blieb sie aber ihrem inhaltlichen Schwerpunkt treu: Frauen in der elektronischen Musik. „Ich habe mir gedacht, es kann doch nicht sein, dass es keine einzige Künstlerin gegeben hat!“, ärgert sich Schimana über die fehlenden Frauen in den Unterrichtsmaterialen während ihrer Studienjahre. In eigenen Nachforschungen fand sie heraus: „Natürlich waren sie da. Sie wurden uns einfach verschwiegen“.

Schimana begann, mehr über die Frauen der elektroakustischen Geschichte und Gegenwart zu lernen: Von Eliane Radigue, die sich seit den 50er-Jahren intensiv mit dem ARP Synthesizer auseinandersetzt, über die Argentinierin Beatriz Ferreyra , die mittlerweile seit fast 50 Jahren mit elektronischer Musik arbeitet, bis hin zu Künstlerinnen wie Electric Indigo, der österreichischen Techno-DJ, Feministin und Gründerin der Plattform female:pressure.

Von Porträts zum Institut

Bald fing Elisabeth Schimana damit an, die Ergebnisse ihrer Suche nach Frauen in der elektronischen Musik auch in ihre Arbeit miteinzubeziehen. So entstand etwa 2003 die Komposition „Portrait 01 Die Futuristin“, in der Stimmen und Geschichten weiblicher Künstlerinnen vermischt und verwebt wurden. „Da kam also schon dieser Portrait-Gedanke“, sagt Schimana und nimmt damit Bezug auf die Arbeiten, die als Ausgangspunkt für ihre Ausstellung und Performances am Ars Electronica Festival dienen: IMA fiction.

Die Porträtserie von Künstlerinnen der elektronischen Musik entstand über das IMA, das Institut für Medienarchäologie, das Elisabeth Schimana 2005 gründete. „Mir war klar, dass es um Medienarchäologie mit Schwerpunkt Akustik gehen würde“, spricht Schimana von den Anfängen des IMA. „Aber andererseits auch um Frauen, Kunst und Technologie“.

Digging: Ausgrabungen von Produktionen von Frauen

Das Institut betreibt Digging, also medienarchäologische Ausgrabungen, die konkret nach Produktionen von Frauen in der Elektroakustik suchen. Auch in den Veranstaltungen und Ausstellungen, die vom IMA kuratiert werden, sind Frauen im Fokus, „weil ich in meinem Kopf einen Schlüssel habe, mindestens fünfzig-fünfzig“, wie Schimana erklärt. Es müssen mindestens so viele Frauen wie Männer präsentiert werden, „da gibt’s überhaupt keine Frage“. Und sie merkt an: „Wenn mehr Leute beim Kuratieren so einen Schlüssel im Kopf hätten, dann würden Festivalprogramme ganz anders aussehen.“

https://vimeo.com/87398243

Denn es gibt sie, die Frauen in der digitalen Kunst, in der Elektroakustik. Zeit also, sie in den Vordergrund zu rücken. So wie Featured Artist Elisabeth Schimana von 6. bis 10. September 2018 am Ars Electronica Festival: „Wir versuchen mit der IMA fiction Serie, andere Geschichten zu erzählen“. Geschichten nämlich, in denen zur Abwechslung auch Frauen die Hauptrolle zukommt – gut so.

Elisabeth Schimana untersucht in ihrer künstlerischen Arbeit Fragen des Raums, der Kommunikation oder des Körpers in seiner An- bzw. Abwesenheit, insbesondere die Vermittlung kompositorischer Konzepte (Partituren), was zu völlig neuen Ansätzen führt, die das Hören experimentell ausloten und eine erhöhte musizierende Präsenz erfordern. Ihr forschender Zugang hat auch die Gründung des „IMA Institut für Medienarchäologie“ zur Folge, das sich seit 2005 den akustischen Medien an der Schnittstelle analog/digital, sowie dem Thema Frauen, Kunst und Technologie widmet.

Die Featured Artist Elisabeth Schimana zeigt beim Ars Electronica Festival von 6. bis 10. September 2018 im LENTOS Kunstmuseum die Ausstellung „Hidden Alliances“. Neben der Porträtserie von Frauen in der elektronischen Musik, „IMA fiction“, gibt es zu ausgewählten Zeiten auch Live Performances. Mehr Informationen erfahren Sie in Kürze auf unserer Webseite.

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