Früher war sie Juristin, Rechtsanwältin für Unternehmensgründungen und Start-Ups, um genau zu sein – und musste regelmäßig Menschen mit neuartigen und aufregenden Geschäftsideen mit der Warnung vor Risiken, Gefahren und legalen Stolperfallen die Hoffnung mindern. Jetzt macht sie eigentlich genau das Gegenteil: Kommunikationsexpertin und Kuratorin der internationalen Ideenkonferenz TEDxLinz Claudia Novak möchte mit ihrer Arbeit Menschen ermutigen, offener mit Fehlern umzugehen und dadurch Potenziale und Chancen freizulegen. Die Spezialistin auf dem Gebiet der Fehlerkommunikation spricht am Ars Electronica Festival beim Innovationsforum Get Inspired am 6. September 2018 über das Potenzial positiver Fehlerkultur und, wie wir diese bestmöglich mit ersten Schritten etablieren. Außerdem referiert sie über ihre Arbeit und das Thema Fehlerkultur im Rahmen der Vortragsreihe „Future in a Nutshell“ beim Kunststoffkonzern Greiner in Kremsmünster.
Wir haben vorab mit Claudia Novak gesprochen und erfahren, wie ein sachlicher und offener Umgang mit Fehlern zum Erfolg führen kann.
Credit: Anne Kaiser
Sie sind Expertin für Fehlerkommunikation, waren vorher aber Rechtsanwältin, insbesondere für Start-Ups und Unternehmensgründungen. Wie kam es zu diesem beruflichen Wechsel?
Claudia Novak: Eigentlich durch einen sehr hohen Frustrationsgrad mit meiner Rolle als Spielverderberin. Es ist toll und beeindruckend, wenn Menschen freudestrahlend und mit voller Begeisterung, Euphorie und Tatendrang auf einen zugehen. Wenn man etwas Neues schafft, gibt man etwas von sich selbst preis. Das schafft einen hohen Grad an Verletzlichkeit, ob in der Kunst oder bei Unternehmensgründungen. Als Rechtsanwältin war ich dann immer diejenige, die sagen musste: Das funktioniert nicht, haftungstechnische Überlegungen, da könnte jemand klagen, man muss diese und jene Genehmigungen einholen…Ich sah die freudestrahlenden Gesichter vor mir eingehen, ich zerstörte ihre Euphorie und nahm ihnen damit oft auch den Mut, groß zu denken. Ich habe also eigentlich fast Seite gewechselt – ich möchte Menschen ermutigen, Neues zu wagen, auch wenn es keine Garantie für Erfolg gibt. Neben meiner Tätigkeit als Juristin spezialisierte ich mich schon viele Jahre im Bereich der Kommunikation, es war schon immer mein zweites Steckenpferd. Der Sprung war also nicht mehr weit!
Wie kann man durch Fehlerkommunikation genau das machen, was Sie gerade beschrieben haben – Menschen helfen, ihre Träume zu verwirklichen?
Claudia Novak: Auf jeden Fall muss man sie bestärken. Es geht darum, einen guten Mittelweg zu finden. Gewisse Risiken kann man antizipieren und minimieren, aber bis zu einem bestimmten Grad muss man Risikos auch eingehen und Menschen darin bestärken, das auch wirklich zu tun. Es ist in Ordnung, mit einem Projekt zu scheitern. Bei mir war es auch so, als ich meinen sicheren Pfad als Rechtsanwältin verlassen habe, für den ich eine sehr lange und teilweise auch sehr anstrengende Ausbildung hinter mir hatte. Mir haben meine Beschäftigung mit dem Thema des Umgangs mit Fehlern und auch die Forschungsergebnisse der Sozialforscherin Brené Brown, die zu Verletzlichkeit und Courage forscht, sehr geholfen. Ich wusste daher, nur dann, wenn etwas schief gehen kann, kann auch etwas Neues entstehen. Wenn ich in Kauf nehme, dass etwas schief gehen kann, und wenn ich darauf vertrauen kann, dass ein Scheitern keine Blamage ist, kann das der Nährboden für etwas Großartiges sein. Das gibt einem den Mut, zu sagen: Ich kann scheitern und muss es nicht vertuschen. Wenn man transparent ist, hat man sogar noch den Vorteil, dass einem Menschen helfen oder dass Kooperationen entstehen, an die man vorher gar nicht gedacht hätte.
Ist das auch das, was Sie als konstruktive Fehlerkultur verstehen?
Claudia Novak: Konstruktive Fehlerkultur ist ein sehr großes Wort. Es wird eigentlich im Bereich interner Unternehmenskultur verwendet. Das, was ich jetzt angesprochen habe, war wirklich mehr im Hinblick auf die Frage, wie man Menschen dabei unterstützt, dass sie etwas verwirklichen. Es geht mehr um diesen inneren Prozess. Um diesen Ansatz auch in Organisationen oder Unternehmen anzuregen, braucht es eine dementsprechende Unternehmenskultur. Es gilt, jede Form von Blame Culture zu vermeiden und stattdessen eine Kultur des Vertrauens zu schaffen. Ich vergleiche das auch gerne mit einer Familienkultur: Es herrschen unausgesprochene und ungeschriebene Gesetze beziehungsweise Vorgaben, Codes und Muster, die oft unausgesprochen, unterbewusst oder Tabuthemen sind. Es kann aber genau der Teil einer Unternehmenskultur sein, der subtil dazu führt, dass man das Gefühl hat, dass alles perfekt sein muss. Dabei ist der Anspruch an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, alles perfekt machen zu müssen und keine Fehler machen zu dürfen, das Destruktivste, das es geben kann! Aus der Angst vor Fehlern entstehen die größten Fehler. Wenn man stattdessen das Vertrauen hat, Fehler offen thematisieren zu dürfen, entsteht eine ganz andere Kultur, in der man offen und sachlich Fehler aufarbeiten kann und auf diese Art als Kollektiv von den Individual-Fehlern und vice versa lernen kann.
In einer klassischen negativen Fehlerkultur wird oft hinter dem Rücken über Fehlerverursacher oder –Verursacherinnen geredet, es ist ein Übereinander-Reden statt Miteinander-Reden. Das schafft eine Atmosphäre, in der man nicht offen und somit auch nicht konstruktiv sein kann. Es geht dabei aber nicht um Fehlerkultivierung, sondern um Fehlerkultur. Das Endziel ist, dass Fehler für die Zukunft minimiert werden und Optimierungen ermöglicht werden beziehungsweise, dass nach dem Motto „Irrwege erhöhen die Ortskenntnis“ auch ganz neue Möglichkeiten dadurch entdeckt werden können.
Wie kann man so etwas erreichen?
Claudia Novak: Die Art, wie ein Kollektiv, sei es eine Familie oder ein Unternehmen, mit Fehlern umgeht, ist geprägt von den involvierten Menschen. Der Schlüssel liegt daher im Zusammenspiel dieser Menschen. Da gibt es die klassischen To-Dos, welche von Unternehmensberatern und –Beraterinnen, empfohlen werden, wie Sachlichkeit statt Emotionalität, Ursachensuche statt Schuldigensuche, Fehlermeldesysteme inklusive Anreize für Fehlermeldungen, wertschätzende Unternehmenskultur und Debriefing- bzw. Team-Feedbackgespräche. Was mir persönlich wichtig erscheint ist, dass jeder und jede zu allererst mit den eigenen Fehlern den Fehlerumgang „üben“ kann und im Selbstgespräch erforschen kann, wo der Selbstbetrug aufhört und die Selbstreflexion beginnt. Wenn auch nur eine Person im Team beginnt, offen über eigene Fehler zu sprechen, dabei aber nicht in die Opferrolle verfällt, sondern sachlich, verantwortungsbewusst und zielorientiert ist, kann das richtig ansteckend wirken und langfristig für mehr Offenheit sorgen. Also nur mutig sein! Einer oder eine muss immer anfangen. Wenn es die Führungskraft ist, ist die Wirkung natürlich umso größer. Vorausgesetzt, es ist wirklich echt und ernst gemeint.
Mein Schwerpunkt liegt allerdings nicht in der Organisationsentwicklung, sondern im Bereich der Kommunikation, intern und extern. Wichtige Komponenten in Bezug auf Fehlerkommunikation, die oft unterschätzt werden, sind Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen aufgehört haben, zu vertrauen. Die Menschen wollen wieder vertrauen können. Darauf vertrauen, dass einem keine perfekten Inszenierungen geboten werden, sondern dass transparent und ehrlich mit einem gesprochen wird. Dass sie darauf vertrauen können, dass das stimmt, was gesagt wird. Ein ehrlicher Umgang mit Fehlern kann meines Erachtens sowohl extern in der Unternehmenskommunikation als auch intern zu mehr Vertrauen führen. Was für mich der Knackpunkt des Themas ist, ist das Paradoxon, dass immer die Idee vorherrscht, nach außen perfekt sein zu müssen, um ein gutes Image zu haben. Jemand, der keine Fehler zugibt, verliert aber irgendwann die Glaubwürdigkeit. Was hindert uns Menschen oder Unternehmen daran, Verletzlichkeit zu zeigen? Und zu unseren Fehlern zu stehen? Paradox ist, dass die Basis für Vertrauen oder Authentizität genau in dieser Offenheit liegt. Für mich heißt diese Erkenntnis, dass man Menschen bestärken und ihnen die Angst nehmen muss. Das perfekte Bild ist einfach auch nicht mehr glaubwürdig. Wir leben in einem digitalen Zeitalter, in der jede Organisation einem Glashaus gleicht. Somit finde ich es viel schlauer, Fehler einzugestehen, daraus Konsequenzen zu ziehen und eine Strategie zur Fehlervermeidung in der Zukunft zu entwickeln und zu kommunizieren.
Worum wird es also in Ihren Vorträgen am Ars Electronica Festival 2018 gehen?
Claudia Novak: Ich möchte Impulse geben, wie wir als Individuen und als Gesellschaft, als Organisationen und Unternehmen mit Fehlern und Fehlerverursachern bestmöglich umgehen können. Kurz gesagt, wie wir bestmöglich das Beste draus machen. Ich denke, es ist viel leichter als wir denken. Fehlerkultur ist keine Raketenwissenschaft. Wir brauchen einfach Menschen, die mutig sind und daher auch ein ermutigendes Umfeld. Eigentlich will ich die Angst nehmen, die in uns allen steckt.
Claudia Novak ist Kommunikationsexpertin und im Europarecht promovierte Juristin (Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Wien, Paris, Innsbruck). Neben ihren internationalen Legal Jobs (Europäische Kommission, Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus im Österreichischen Parlament, Rechtsanwaltskanzleien Brüssel und Wien, Rechtsanwaltsprüfung und Zulassung als Rechtsanwältin bei Rechtsanwaltskammer Wien), spezialisierte sie sich auf Kommunikation im Rahmen einer Coach-Ausbildung am Institut Kutschera – Kommunikation in Resonanz und eines Masterstudiums PR & Strategische Kommunikation an der Donau Universität Krems. Ihre Master Thesis über das Potential von Fehlerkultur für die Stärkung der Reputation wurde von Michael Bauer, Experte für Krisenkommunikation und Pressesprecher des österreichischen Verteidigungsministeriums betreut; Claudia Novak ist weiters Kuratorin der internationalen Ideenkonferenz TEDxLinz und selbstständig als Kommunikationsberaterin und Rednerin tätig.
Claudia Novak wird am Ars Electronica Festival am Donnerstag, den 6. September 2018, beim Innovationsforum Get Inspired Symposium von 11:00 – 12:30 in der Conference Hall der POSTCITY Linz sprechen. Mehr zum Innovationsforum Get Inspired erfahren Sie hier. Außerdem referiert sie über ihre Arbeit und das Thema Fehlerkultur im Rahmen der Vortragsreihe „Future in a Nutshell“ beim Kunststoffkonzern Greiner in Kremsmünster.
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