Deep Space LIVE: Der Stern von Bethlehem

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Die Geschichte ist bekannt: Vor langer Zeit, ein bisschen mehr als 2018 Jahre ist es her, ging ein heller Stern am Horizont auf. Weise aus dem Orient – Sterndeuter, Gelehrte – machten sich auf den Weg nach Bethlehem, immer dem Stern nach, denn dort, so deuteten sie, wurde ein König, ein Prophet geboren. Wir kennen die Gelehrten jetzt als die Heiligen Drei Könige, den Propheten als Jesus Christus. Doch was ist dran an der Geschichte vom Stern von Bethlehem? Welches Himmelsereignis konnte damals den Weisen als Orientierungspunkt gedient haben?

Der Astronom Peter Habison macht sich im Deep Space LIVE „Der Stern von Bethlehem – Die Geschichte einer himmlischen Begegnung“ am Donnerstag, 13. Dezember 2018, daran, die Geschichte genauer zu untersuchen. Wir haben mit ihm schon vorab über die historischen, theologischen und astronomischen Aspekte rund um den berühmten Stern gesprochen.

Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl

Welche Geschichten ranken sich um dieses Himmelsereignis, den Stern von Bethlehem?

Peter Habison: Der Ausgangspunkt ist natürlich der Bibelbericht vom Matthäusevangelium, wo die berühmten Worte vorkommen: „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem…“. Sie fragten, wo der neugeborene König wäre, und danach kommt der Satz: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ Es waren im Originaltext Magoi, aus dem Griechischen, also Magier aus dem Osten. Das Interessante ist, dass das Matthäusevangelium das einzige Evangelium ist, das diese Geschichte erzählt. Alle anderen Evangelien erzählen kein Wort darüber. Das Matthäusevangelium ist eines der, so würde ich sagen, mitteljungen, es wurde ungefähr 80 bis 90 nach Christus geschrieben. Wenn man sich diesen Magier-Bericht aus der Sicht der Bibelexegese, also der Interpretation der Bibel, ansieht, stellt man fest, dass der Bericht eine durchkomponierte Erzählung ist, es gibt mehrere Akte, es steigert sich, es gibt eine Einleitung und einen Schluss. Es ist also nichts, was einfach schnell hingeschrieben wurde.

Da stellt sich also die Frage: Was ist das für eine literarische Gattung? Ist es ein historischer Bericht? Ist es eine theologische Erzählung? Oder ist es etwas anders? Die meisten Interpretationen gehen dahin, dass dieser Teil des Matthäusevangeliums eine theologische Erzählung mit einem sogenannten historischen Substrat ist. Das heißt, dass der Schreiber sehr wohl einen theologischen Aspekt berücksichtigte, die Erzählung gleichzeitig aber in ein historisches Ereignis einbettet. Ein solches Beispiel das Leben von Herodes. König Herodes ist eine gut gesicherte historische Persönlichkeit, wir wissen, er lebte von 73 bis 4 vor Christus. Womit haben wir es hier also zu tun? Mit einer theologischen Erzählung, die aber eingebettet ist in historische Gegebenheiten. Warum ist das wichtig? Weil das ganze Thema, der Stern von Bethlehem, aus diesem Magier-Bericht herauskommt.

Damit ergeben sich mehrere Folgefragen: Die Frage des Zeitpunkts der Geburtsangaben von Christus in den Evangelien, die Frage über die Identität dieser Magier, die Frage ihrer Herkunft und ihrer Beweggründe. Man darf diese theologisch-historische Vorgeschichte nicht als naturwissenschaftliche, historische, wissenschaftliche Fakten begreifen. Vielmehr muss man das unter Berücksichtigung der Zeit betrachten – wie haben die Menschen damals gelebt, wie wurden Geschichten überliefert, was zumeist mündlich passierte, und wie hat das historisch damals de facto ausgesehen. Man kann das mit der heutigen Zeit einfach nicht vergleichen. Es waren sehr mythische Orte, mündlich überlieferte Geschichten, und Matthäus greift darauf zurück. Und auch auf apokryphe Schriften, also sozusagen außerkanonische Schriften, die im heutigen Bibeltext nicht als Teile anerkannt sind, aber sehr wohl über diese Zeit berichten.

Welche wissenschaftlichen Theorien gibt es also aus heutiger Sicht, sich die Ereignisse zu erklären?

Peter Habison: Es gibt eine Vielfalt an Überlegungen an Theorien und Versuchen. Wenn es um den Stern geht, wird es relativ kompliziert, weil verschiedene Aspekte hineinspielen. Es geht einerseits um das Thema dieser Magier – woher kamen sie? Das führt dann sofort zum Thema der Astronomie und der Astrologie im alten Babylon, denn wir wissen, dass sich von dort aus sehr viel astrologisch-astronomisches Wissen entwickelt hat. Diese Wissenschaft, Astronomie-Astrologie, war schon damals, zu Christi Geburt, an die 2000 Jahre alt. Die Menschen hatten damals schon Sternkarten, wussten über Sterne Bescheid, es gab eine ganze Kombination astronomischen Wissens in großen Sammelserien. Eine dieser Sammlungen heißt zum Beispiel MUL.APIN, wo astronomisches Wissen von der Vorausberechnung des Mondes über die Berechnungen von Finsternissen bis hin zu den zwölf Tierkreiszeichen, die wir auch heute kennen, gesammelt war. Das war der astronomisch-astrologische Ausgangspunkt – Astronomie und Astrologie waren in dieser Zeit verschmolzen. Der Teilbereich der Astrologie alleine war aber auch gar nicht mit der Astrologie unserer heutigen Zeit zu vergleichen, damals spricht man von der Omen-Astrologie, die heutige Astrologie ist komplett anders. Durch diesen astronomisch-historischen Einblick kann man spekulieren, wer also diese Magier waren. Man nimmt heute oft an, dass es Astronomen-Astrologen, möglicherweise aus dem babylonischen Raum waren, eventuell babylonische Hohepriester oder vielleicht sogar Schriftgelehrte.

Die Beschäftigung des Sterndeutens – ist das mit einem eigenständigen Beruf zu vergleichen oder würde man heute dazu eher Hobby sagen?

Peter Habison: Das ist schwierig. Berufe in der heutigen Form gab es ja damals gar nicht. Die Magier waren sicherlich Menschen aus einer sehr hohen sozialen Schicht. Sie waren sicherlich am Hof, sehr nahe dem König zugeordnet, denn sie mussten Vorhersagungen treffen. Es waren keine einfachen Leute, sondern welche, die intellektuell aber auch sozial sehr nahe an den Königshöfen oder der Herrscherstruktur anzuordnen sind. Das war sehr eng verbunden mit dem Priestertum oder dem Schriftgelehrtentum. Genau wissen wir es aber nicht! Genauso, wie nirgendwo geschrieben steht, dass es drei Magier waren, diese Zahl hat sich erst viel später entwickelt. In der Volkstradition wurden die Magier zu den Heiligen Drei Königen, obwohl auch in den Schriften niemand von Königen spricht, geschweige denn von dreien. Das ist eine spätere Interpretation, es waren also drei Menschen, die einerseits aus den drei damals bekannten Kontinenten Afrika, Asien und Europa kamen, und andererseits auch immer in drei unterschiedlichen Lebensabschnitten dargestellt werden. Ein Jüngling, ein Erwachsener und ein Greis, drei Männer also in jedem Lebensalter. Es steckt sehr viel Symbolik in diesen Erzählungen, so auch hier bei den Weisen. Diese drei Magier stehen für viele Dinge, Mut, Wagnis, Treue, Konsequenz, Kraft…

Mut ist ein gutes Stichwort  â€“ warum wären denn die drei Magier eigentlich überhaupt aufgebrochen, wenn doch Himmelsereignisse damals stark mit Unheil verbunden waren?

Peter Habison: Das ist eine sehr gute Frage. Da steckt etwas Grundsätzliches dahinter: Wie soll man diesen Magier-Bericht interpretieren? Wenn ich ihn dahingehend interpretiere, dass er eine historische Authentizität hat, kann ich untersuchen, wo die Weisen konkret herkamen, welcher Kaste oder welcher sozialen Schicht sie angehörten und von wo genau sie aufbrachen. Das ist aber eine Vorbedingung – zu sagen, es war wirklich ein historisches Ereignis und wirkliche historische Personen. Wir haben ja zum Beispiel auch keine Überlieferung dieser Namen, Caspar, Melchior und Balthasar, das entstand erst viel, viel, viel später. Dasselbe Muster wiederholt sich in der Interpretation des Sterns.

Wenn wir das aber so tun, also wenn wir sagen, dass sie wirklich aufgebrochen sind, müssen wir auch einen Grund nennen. Die Magier waren demnach nicht einfach so unterwegs, aus Lust und Laune, sondern auf der Suche nach dem neuen König oder dem neuen Propheten. Laut dem Bibelbericht soll also dieser Stern das wegweisende und erklärende Element sein. Wenn wir wiederum annehmen, dass dieser Stern tatsächlich eine damalige Himmelserscheinung war, dann können wir beginnen, zu überlegen, um was es sich genau handeln konnte.

Man beginnt also damit, das Ereignis historisch und kalendarisch einzugrenzen. In welcher Zeit also soll der Stern fallen? Wann ist Jesus geboren? Diese Frage ist nicht ganz so leicht zu beantworten, wie man annimmt – das Jahr Null ist nämlich nicht richtig, weil unser gregorianischer Kalender damals noch gar nicht existierte. Dieser Nullpunkt wurde, wie wir heute wissen, falsch gesetzt. Man wusste das damals nicht, aber es setzte sich durch. Wenn man sich alles durchrechnet, kommt man mit höchster Wahrscheinlichkeit auf vier bis sieben Jahr vor dem Nullpunkt. Wenn man das nicht berücksichtigt, kann man am Himmel nichts suchen. Einer der ersten, der sich damit ernsthaft beschäftigte, war der deutsche Astronom Johannes Kepler. Um 1604 herum entdeckte Kepler, dass Jesus aus astronomischen Gründen vermutlich früher geboren ist als angenommen.

Giotto di Bondone, The Adoration of the Magi. Via Wikimedia Commons

Was ich mit dem Vortrag im Deep Space versuche, zu machen, ist, diese verschiedenen Aspekte anzusprechen. Mehr noch als um die Theorien geht es mir um das Gesamte. Ein interessanter kulturhistorischer Aspekt ist zum Beispiel, warum der Stern heute in Krippendarstellungen als Komet erscheint.  Eigentlich wurde er ja nur als Stern beschrieben. Der Komet kommt von einer historischen Darstellung von Giotto di Bondone, einem großen italienischen Maler des Hoch- oder Spätmittelalters. Er malte damals in Padua eine Kapelle mit einem Freskenzyklus aus, der unter anderem auch eine Szene zur Anbetung der Könige hat. Er begann 1301 damit, stellte es 1306 fertig. 1301 war auf der Erde ein großer Komet zu sehen, heute wissen wir, es war der Halleysche Komet, der immer wieder sichtbar ist. Es war sehr hell zu sehen und beeindruckend, sodass Giotto ihn über die Krippe gesetzt hat. Das hat sich in der Kunst und der Volkskunde schließlich so durchgesetzt. Man kennt den Stern von Bethlehem also jetzt als Komet, als diesen Schweifstern, obwohl das überhaupt nichts mehr mit dem Stern aus der Geschichte zu tun hat. Das kommt aus der Kunstgeschichte und entstand 1300 Jahre später.

Ich beginne im Vortrag also bei dem theologischen Startpunkt, erzähle ein bisschen etwas über die Perspektive der Astronomie-Astrologie im alten Babylon, wie sich das einfügt und wo Probleme der Überlieferung existieren, gehe dann auf das Thema der Zeitrechnung an und komme schließlich zu den Theorien zum Stern von Bethlehem, die in das alles eingebettet sind. Wenn ich gleich von diesen Theorien sprechen würde, würde sich niemand auskennen, man braucht wirklich diesen Kontext. Erst so machen dann Theorien wie die Kometentheorie, die Konjunktionstheorien, die Supernovatheorie oder die Horoskoptheorie Sinn.

Außerhalb davon gibt es aber auch die Theorie, dass es den Stern von Bethlehem gar nicht als tatsächliche Himmelserscheinung gab?

Peter Habison: Das ist eine der übergeordneten Betrachtungsweisen. Natürlich besteht genauso die Möglichkeit, dass es tatsächlich gar kein Stern war, sondern sich alles auf einer theologisch-historischen Legende aufbaut. Unter diesem Gesichtspunkt war also kein Stern am Himmel, kein astronomisch-astrologischer Ausgangspunkt für diese Geschichte, sondern sie begründet sich in einer historisch-theologischen Erzählung, die sich aufgrund der alten Schriften, der alten Traditionen und Überlieferungen entwickelt hat. Der Stern wäre etwa ein Symbol für einen König, für die Kraft, für die Zukunft. Auch hierzu findet man in den Schriften und im Testament einiges, Zitate wie „Ich bin das Licht der Welt“, oder „Jesus, der strahlende Morgenstern“. Es gibt auch Münzen aus der damaligen Zeit, die eindeutig einen Stern symbolisieren oder zeigen. Der Stern ist ein Symbol und muss nicht zwingend ein astronomisches Ereignis gewesen sein. Wir wissen es einfach nicht. Das kann man drehen und wenden, wie man will, aber die Suche ist hier vielfältig.

Spielen nicht astronomische Ereignisse auch oftmals eine Rolle in der Geschichtswissenschaft?

Peter Habison: Das stimmt, in der Geschichtswissenschaft kommt das immer mal wieder vor, wobei ich muss sagen, es ist eine Randerscheinung. Was beim Stern von Bethlehem interessant ist, ist, dass es umgekehrt als normalerweise ist. Hier kann man nicht von einem wirklich vorhandenen Phänomen auf ein Ereignis schließen, sondern man versucht, von einer historischen oder theologisch-historischen Erzählung ein Ereignis am Himmel zu finden. Oft ist es umgekehrt, man weiß von einem historischen Ereignis, aber nicht genau, wann es war. Manches lässt sich aber sehr genau festlegen, wie zum Beispiel Sonnen- oder Mondfinsternisse. Wenn solche historisch beschrieben sind, kann man nachsehen, ob es zu dem Zeitpunkt wirklich eine Finsternis gab. Mit Astronomie und astronomischen Erscheinungen können also historische Ereignisse chronologisch eingeordnet werden. In dem Sinne kann die Astronomie durchaus als Hilfswissenschaft für die Geschichtswissenschaft dienen, um in der Chronologie eine Entscheidung zu treffen.

Beim Stern von Bethlehem wäre es schön, wenn man ihn klar einordnen könnte. Es geht aber nicht, die Interpretation lässt es nicht zu. Wir haben zu wenige Informationen, die Texte lassen zu viel Spielraum in der Interpretation offen.

Peter Habison studierte Technische Physik, Astronomie und Wissenschaftsgeschichte in Wien, Innsbruck, Brüssel und in Teneriffa. Seit 2009 leitet er das Science Outreach Netzwerk der Europäischen Südsternwarte in Österreich sowie zahlreiche nationale und internationale Projekte in Zusammenarbeit mit der österreichischen Agentur für Luft- und Raumfahrt, der ESA und NASA und der Research Executive Agency der EU. Zu seinen Spezialgebieten zählen die Geschichte der Astronomie und Raumfahrt in Österreich. 2006 gründete er mit Kollegen aus Klagenfurt und Schwaz die Gesellschaft Österreichischer Planetarien.

Im Deep Space LIVE „Der Stern von Bethlehem – Die Geschichte einer himmlischen Begegnung“ am Donnerstag, 13. Dezember 2018 spricht Astronom Peter Habison mehr über das berühmte Himmelsereignis. Mehr erfahren Sie hier.

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