Mit der Neugestaltung des Ars Electronica Center haben wir auch das BioLab, das Teil der neuen Ars Electronica Labs ist, dem aktuellen Stand der Forschung angepasst. Es hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert im Bereich der Molekularbiologie – nicht zuletzt mit der Gen-Schere CRISPR/Cas9, mit der Gene gezielt eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden können.
Dr. Manuel Selg, Molekularbiologe und Leiter des Fachbereichs Chemie und Biologie an der FH OÖ Campus Wels, hat schon bei der Konzeption 2009 des ersten BioLabs des Ars Electronica Center eine wesentliche Rolle gespielt. Jetzt ist er zehn Jahre später wieder intensiv bei der Gestaltung des BioLabs involviert, das als Labor mitten im Museum alle behördlichen Bestimmungen eines „echten“ Labors erfüllt und den BesucherInnen die neuen Themen näher bringt.
Beim „Themenwochenende: Die Optimierung unseres Körpers – sind Cyborgs die besseren Menschen?“ des neuen Ars Electronica Center führt Dr. Manuel Selg in zwei Vorträgen in die Welt der Molekularbiologie ein: „Deep Space LIVE: Die Optimierung unseres Körpers“ am DO 27.6.2019, 19:00, und „CRISPR – Die Erzeugung gentechnisch veränderter Organismen“ am SO SO 30.6.2019, 15:00.
2009 öffnete das erste BioLab im Ars Electronica Center, 2019 folgt jetzt die zweite Version. Was hat sich in den vergangenen zehn Jahren technologisch im Bereich der Molekularbiologie getan?
Manuel Selg: An meinem wissenschaftlichen Lebenslauf sieht man ganz gut, dass sich hier einiges getan hat. Ich bin einer der letzten Menschen auf dieser Erde, die ihren Doktortitel mit einem Projekt bekommen haben, wo ich noch ein Gen kloniert habe. Das macht heute ja keiner mehr. Die DNA-Sequenzen des Menschen sind bekannt. Ich habe das noch eigenständig sequenziert mit anfangs selbst gebauten Apparaten. Damals haben wir 200 Nukleotide ablesen können. Das ganze menschliche Genom hat 3,2 Milliarden – da bräuchte man Jahrzehnte, um so etwas zu machen.
Und dann hat die Technologie eingesetzt. Da ist mir schon relativ früh klar geworden, dass das nur mit Interdisziplinarität zu bewältigen ist. Ich habe mich nie darum gekümmert, was der Computer macht, damit ich eine Buchstabenfolge wie A-C-C-G-T-A-A herausbekomme. Ich habe mich immer um den naturwissenschaftlichen Part gekümmert – was muss ich machen, damit ich die DNA bekomme? Wie muss diese aufbereitet sein, damit man gute Sequenzen bekommt? Und was bedeuten diese Sequenzen dann? Das habe ich immer als meinen Teil betrachtet, InformatikerInnen lieferten den anderen – und da hat man zu Beginn schon darüber reden müssen, was wir von ihnen erwarten.
Heutzutage ist es so, dass die Biologin oder der Biologe fertige Anwendungen zum Sequenzieren einer DNA von Seiten der Informatik zur Verfügung hat. Mittlerweile machen das auch Firmen, weil dies billiger ist als es selbst zu tun. Das funktioniert dann eigentlich so, als ob ich zum Schreiben Microsoft Word benutze.
Die Anforderungen an MolekularbiologInnen haben sich also ebenso verändert…
Manuel Selg: Genau. Grundsätzlich ermöglicht der Computer es ja, mit einer unzähligen Zahl an Daten zu arbeiten. Das war am Anfang immer sehr schwierig – so haben wir anfangs die ersten DNA-Sequenzen immer mit einer Word-Processing-Software noch zusammensetzen müssen. Auch der Output ist dadurch viel mehr geworden.
Es ist natürlich schon eine Umstellung gewesen. Am Anfang waren die BiologInnen diejenigen, die mehr oder weniger alleine im Labor Projekte abwickeln konnten. Man hat mit Partnern gearbeitet, aber das waren BiologInnen. Das hat sich durch die Zusammenarbeit mit InformatikerInnen und PhysikerInnen, die sich um bestimmte Geräte wie Laser kümmern, schon sehr verändert. Die Interdisziplinarität hat stark zunehmen müssen. Für alle war das ein Umdenken, für die heutigen AbsolventInnenen ist Interdisziplinarität eine Selbstverständlichkeit.
Mit welchen neuen Themen setzt sich das BioLab im Ars Electronica Center auseinander?
Manuel Selg: Vor zehn Jahren war die Aufgabe von einem Labor innerhalb eines Museums eine ganz andere als heute: Hier ging es darum, zu zeigen, wie solche Sachen eigentlich gemacht werden. Man las, dass man ein Stück DNA innerhalb von einer halben Stunde milliardenfach vervielfältigen kann. Und da war es wirklich wichtig, zu zeigen, wie das funktioniert, weil viele Technologien noch relativ unbekannt waren oder schlecht kommuniziert wurden.
Das Wie ist mit der Entdeckung des CRISPR/Cas9-Werkzeug etwas weggefallen. Die große Frage ist jetzt ist: Wollen wir das? Mit diesem Werkzeug kann man natürlich jetzt sehr viel machen. Im Herbst 2018 gab es die Nachricht von den Zwillingsbabys aus China, die mit CRISPR/Cas9 genetisch so verändert wurden, sodass sie nicht mehr mit HIV infiziert werden können. Und das ist jetzt der Punkt, wo sich die Gesellschaft überlegen muss: Wir haben die Technologien, die extrem stark sind und die in Prozesse eingreifen können, wo wir nie daran gedacht haben, darin etwas verändern zu können.
„Auf diese Weise kann der Mensch seine eigene Evolution bestimmen! Kein anderes Lebewesen kann das. Aber das müssen wir uns als Gesellschaft überlegen, ob wir das tun wollen. Das sind jetzt auch die Themen, die im BioLab aufgegriffen werden.“
Ein weiteres Thema, um das es im BioLab geht, sind Organoide – künstlich gezüchteten Organstrukturen, wo man Vorgänge besser beobachten kann. Man braucht keine Versuchstiere mehr, auch die ethische Frage tritt in den Hintergrund, weil man es mit Zelllinien machen kann, und gerade für Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Epilepsien, kann man sich Dinge damit viel genauer und problemloser anschauen. Natürlich muss einem klar sein, dass das immer noch ein experimentelles System ist – das in die wirkliche biologische Situation zu übersetzen, ist eine andere Aufgabe. Die Organoiden werden ganz stark kommen!
Was ist das Besondere an CRISPR/Cas9?
Manuel Selg: CRISPR/Cas9 wurde im Endeffekt nicht vom Menschen erfunden. Diese Wundertechnologie üben Bakterien schon seit Jahrmillionen aus. Im Endeffekt kann man sagen, das ist ein System, das die Bakterien haben, um sich vor anderen biologischen Eindringlingen zu schützen.
So wie unsere menschlichen Zellen von Viren infiziert werden, werden Bakterien von Phagen infiziert. Die können den Bakterien auch schaden. Und dieses CRISPR/Cas9 ist ein System, mit dem sie sich, wenn sie einmal infiziert wurden, im weiteren Lebensverlauf vor dieser Infektion schützen können. Und das ist das, was im Endeffekt passiert: Dass Information vom Eindringling genommen und in einer Art DNA-Datenbank des Organismus eingelegt wird. Mit diesem Scherenmechanismus CRISPR/Cas9 wird, wenn eine fremde DNA ins Bakterium eintritt, in dieser Datenbank nachgeschaut, ob es schon einmal da war. Und wenn es schon einmal da war, dann kommt die „Schere“ und schnippelt es kaputt.
Offensichtlich kann dieser Mechanismus DNA ablesen und bestimmte Stellen finden und wenn diese da sind, kann dieser dort schneiden. Und das ist umgesetzt worden auch für Pflanzen- und Säugetierzellen, sodass man an gezielten Stellen schneiden kann, und auch kaputt machen kann. Somit ist es dann auch möglich, ein Genom zu verändern – wir schneiden und setzen etwas ganz gezielt dort hin. Natürlich gibt es noch Beschränkungen – z.B. in der Größe, die man hier einsetzt. Aber auch das wird sich über die Jahre ändern. Wir müssen uns Gedanken machen, ob wir das eigentlich wollen.
Dr. Manuel Selg ist Professor für Molekularbiologie und Leiter des Fachbereichs Chemie und Biologie an der FH OÖ Campus Wels. Er war maßgeblich am Aufbau des ersten BioLabs im Ars Electronica Center beteiligt, hat bei der Ausstellung „Projekt Genesis“ die wissenschaftliche Leitung übernommen und war intensiv bei der Entwicklung des neuen BioLabs der Ars Electronica Labs beteiligt.