Raum zum Denken: Ars Electronica Art Thinking School

21135603255_dedd47a4b1_k, Future Innovators Summit, Credit: Tom Mesic

Einen eigenen Kompass schaffen, sich die Zukunft vorstellen: Das will die neue Art Thinking School, die zum ersten Mal am Ars Electronica Festival 2019 (5. – 9. September) stattfinden wird. Aufbauend auf Ars Electronicas 40-jähriger Expertise mit Art Thinking führt die neue Initiative BesucherInnen durch das weitläufige Festival – und zwar mit einer Art-Thinking-Einstellung. Das neue Programm soll Raum zum Nachdenken geben, über die Inputs, Fragen und Inspirationen, denen man am Weg durch das Festivalprogramm begegnet.

Wir haben uns mit Hideaki Ogawa, Initiator der Art Thinking School und Key Researcher am Ars Electronica Futurelab, und Carla Zamora, Projektmanagerin beim Ars Electronica Festival, getroffen, um mehr über die neue Initiative und darüber, wie man daran teilnehmen kann, erfahren.

Credit: Ars Electronica Futurelab

Die Art Thinking School ist dieses Jahr neu am Ars Electronica Festival – warum wurde sie geschaffen?

Hideaki Ogawa: Die Art Thinking School ist eine neue Initiative von Ars Electronica, um die Diskussion über die Rolle von Kunst zu öffnen und Kunst auf verschiedene Domänen wie Wissenschaft, Gesellschaft oder Bildung anzuwenden. Wir zeigen viele Projekte am Festival, die neue Überschneidungen von Kunst mit anderen Bereichen schaffen; die Art Thinking School hebt genau diese Projekte besonders hervor. Warum wir dieses Programm genau jetzt anbieten, hängt natürlich mit unserem Festivalthema zusammen, „Out of the Box“ – wir reden nicht über Kunst im herkömmlichen Rahmen. Wir wollen Kunst dazu verwenden, Dialog und Emotionen zu nähren. Kunst kann sehr effektiv darin sein, einen eigenen Kompass zu schaffen und sich die Zukunft vorzustellen. Als Ars Electronica machen wir das jetzt schon seit 40 Jahren: Art Thinking ist unser Grundbaustein.

40 Jahre sind eine lange Zeit – wie hat sich das über die Jahre verändert?

Hideaki Ogawa: Kunst, Technologie und Gesellschaft waren schon immer unser Hauptfokus. Wir haben uns angesehen, wie die Digitale Revolution unsere Gesellschaft in den letzten vier Dekaden verändert hat und auch immer noch verändert. Die treibende Kraft hinter unserer Arbeit ist Kunst, als Katalysator für eine bessere Gesellschaft, aber das hat sich natürlich über die Jahre verändert. Was war die Rolle von Kunst vor 40 Jahren? Was war die Rolle von Kunst vor 20 Jahren? Und was ist die Rolle von Kunst heute, 2019? Wir arbeiten seit Beginn der Ars Electronica daran, eine Diskussionsumgebung für genau diese Frage zu schaffen, und die Antwort fällt immer anders aus, wegen technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen.

Credit: Ars Electronica Futurelab

Wie unterscheidet sich Art Thinking vom eher bekannteren Design Thinking?

Hideaki Ogawa: Design Thinking ist sehr wirksam, wenn es darum geht, kreative Lösungen für die Zukunft zu erstellen und zu formen. Auf der anderen Seite ist Kunst hingegen sehr wirksam, wenn es darum geht, sich Möglichkeiten und Probleme von einer 360-Grad-Perspektive anzusehen. Design ist eine Lösung, um ein Service oder ein Produkt zu formen, es ist wie eine Richtung. Kunst ist ein Kompass. Sehr oft vergessen wir diese fundamentale Frage: Wofür gibt es Design? Wofür ist diese Richtung? Und das ist der Punkt, an dem Art Thinking ansetzt. Wir diskutieren fundamentale, essentielle Fragen als Startpunkt für unsere Zukunft. Wir müssen einen Kompass dafür anfertigen, wo wir jetzt stehen, und dann müssen wir uns ansehen, welche Möglichkeiten wir haben, um vorwärts zu gehen. Art Thinking ist keine Methodologie, sondern eine Einstellung – es hilft uns, unsere Sinne wie Künstler oder Künstlerinnen zu öffnen. Wir wollen die Gesellschaft auf unterschiedliche Arten sehen und Art Thinking erlaubt es uns, unseren eigenen Kompass zu haben, die Gesellschaft aus einer kritischen Perspektive und auf andere Weisen zu sehen. Art Thinking und Design Thinking sind verschiedene Kräfte, aber die wichtigste Frage ist, wie man sie verbinden kann. Wir brauchen nicht nur eine Richtung und wir brauchen nicht nur einen Kompass – wir brauchen beides.

Credit: Tom Mesic

Wie werden BesucherInnen beim diesjährigen Festival also in der Lage dazu sein, ihren eigenen Kompass zu erstellen?

Carla Zamora: Beim Festival veranstalten wir zum ersten Mal die Art Thinking School als einen physischen Ort im Erdgeschoß der POSTCITY Linz. Wir begannen diese Arbeit mit dem Future Innovators Summit (FIS), einem Art Thinking Workshop, der schon 2014 ins Leben gerufen wurde und nun zum sechsten Mal stattfindet. Wir fanden, es braucht dafür einen Rahmen, einen physischen Ort, der die Wichtigkeit des FIS als einzigen Diskussionsworkshop im Ars Electronica Festival hervorhebt. Die Art Thinking School, die wir also jetzt einführen, wird einerseits der Rahmen für den FIS sein, aber auch mit weiteren Programmpunkten ausgestattet werden. Die Art Thinking School ist ein physischer Ort für Ideen, ein Labor des Fragens.

Der FIS wird dort präsent sein, aber es wird auch ein People’s Thinking Lab von unserem Partner Hakuhodo geben, in dem man an Arten arbeitet, wie sich kreative Fragen finden lassen können. Es ist wie ein Ideation Lab. Die Art Thinking School wird als Ganzes Raum zum Denken geben. Wir wollen unseren FIS Innovators und auch den Festivalbesuchern und –Besucherinnen die Zeit und den Ort geben, um wichtige Fragen zu diskutieren.

Future Innovators Summit Tokyo, 2018. Credit: Tsukuru Ozaki / Ars Electronica Tokyo Initiative

Der Future Innovators Summit ist ein Programm, für das man sich bewerben muss, während die Art Thinking School offen für alle FestivalbesucherInnen ist. Wie kann man also als BesucherIn daran teilnehmen?

Carla Zamora: Wir bereiten Art Thinking School Touren vor, die aus Vorschlägen bestehen, wie man das Festival erleben kann. Wir fokussieren uns auf fünf Themen, die, würde ich sagen, die Kernthematik der Ars Electronica widerspiegeln: Gesellschaft, Stadt, Bildung, Wissenschaft und Industrie. Für jedes der Themen finden wir künstlerische Projekte und erstellen eine Kompass-Tour, sozusagen. Besucher und BesucherInnen können dieser Tour folgen und ihre eigenen kreativen Fragen am Weg finden, sie können herausfinden, was Art Thinking für sie bedeutet und wie sie es im täglichen Leben anwenden könnten.

Zusätzlich, weil der der Future Innovators Summit ein offener Workshop ist, können die Besucher und Besucherinnen immer bei den Diskussionen des FIS am Freitag und Samstag vorbeischauen und zuhören. Es wird auch Workshops geben, in denen wir uns wirklich darauf konzentrieren, kreative Fragen zu finden, zu denen wir auch die Besucher und Besucherinnen einladen möchten. Am Samstag findet außerdem der Future Scenarios Workshop statt, wo wir nach spekulativen Antworten oder Szenarien für unsere kreativen Fragen der Future Innovators Ausschau halten.

Future Innovators Summit, Ars Electronica Festival 2019. Credit: vog.photo

Hideaki Ogawa: In diesen Szenarien wird man Hinweise auf die kreativen Fragen finden. Unsere drei FIS-Gruppen dieses Jahr, Future Trust, Future Body und Future Humanity, werden ihre Szenarien und ihre kreativen Fragen am Sonntag präsentieren. Dieses Jahr, im Rahmen der Art Thinking School, können Besucher und Besucherinnen diese Ergebnisse wirklich genau untersuchen. Es ist eine neue Art von Klassenzimmer, sozusagen.

Die Umgebung der Art Thinking School selbst wird voller Fragen sein. Besucher und Besucherinnen können ihre eigenen kreativen Fragen in einem Question Room verewigen, wo Kartonmodelle von Fragezeichen hängen. Gemeinsam mit dem People’s Thinking Lab und dem restlichen Programm wird die Art Thinking School eine einzigartige Position im Festival einnehmen – und wirklich Raum zum Denken geben.

Was ist eure persönliche kreative Frage, die euch momentan beschäftigt?

Hideaki Ogawa: Für mich ist es eine Frage aus einem der vergangenen Future Innovator Summits: Wie können wir menschlicher werden?

Carla Zamora: Für mich ist es auch eine vergangene Frage, die, denke ich, mein Leitfaden für alles, was ich mache, geworden ist: Wie können wir angeborene Neugierde anstoßen?

Hideaki Ogawa: Und ist es nicht interessant, wie wir diese Tatsache zu schätzen wissen? Wir wissen gute Fragen wirklich zu schätzen. Wir freuen uns sehr über das Feedback „gute Frage“! Das ist etwas, was im traditionellen Schulsystem immer noch nicht gelehrt wird. In all unseren Tests in der Schule – haben wir da jemals eigene Fragen gestellt? Uns wird nicht gelehrt, wie man fragt, wir lernen nur, wie man antwortet. Es ist eine fehlende Fähigkeit. Aber um überleben zu können, um widerstandsfähig zu sein, brauchen wir Neugierde, wir müssen wissen, wie man die richtigen Fragen stellt und wir brauchen einen Kompass, um den richtigen Weg zu finden. Wenn nicht glaube ich, dass es wirklich schwer ist, in dieser komplizierten Welt zu überleben.

Hideaki Ogawa, kreativer Katalysator, Künstler, Kurator und Wissenschaftler im Ars Electronica Futurelab. Er realisierte viele Projekte für Innovation mit Industriepartnern wie Honda R&D, Toshiba, Toyota, Hakuhodo und mehr. Sein Fokus liegt besonders auf dem Bereich Art Thinking, um Innovation zu katalysieren. Sein Hauptprojekt, Future Catalysts, ist eine kreative und innovative Plattform, die gemeinsam von Hakuhodo und Ars Electronica entwickelt wurde. Durch eine Synergie mit distinkten, weltweiten InnovatorInnen in den Bereichen der Kunst, Wissenschaft und Technologie produziert das Projekt neue Konzepte, Ideen und Strategie, die als Antworten zu verschiedenen „kreativen Fragen“ dienen. Zusätzlich zu seiner Forschung an künstlerischer Innovation setzte Hideaki Ogawa internationale Projekte für Festivals, Exportprogramme wie Ars Electronica im Knowledge Capital und das Ars Electronica Center um. Seine Spezialthemen sind „Creative Catalyst“ und „Robotinity – What Is The Nature of Being a Robot“. Hideaki Ogawa ist außerdem ein Repräsentant und Künstlerischer Leiter der Medienkunstgruppe “h.o.”. Er sucht nach witzigen neuen Ideen, abhängig von aktuellen sozialen Kontexten, und realisiert künstlerischen Ausdruck mit der Geschwindigkeit von technologischem Fortschritt.

Carla Zamora hat einen Hintergrund in Musik und Dokumentarfilm. Sie sieht sich als Kulturarbeiterin und ist schon seit vier Jahren als Projektmanagerin bei Ars Electronica tätig, vor allem im Bereich des Workshops Future Innovators Summit während des Festivals und internationaler Ausstellungen für Ars Electronica Export.

Die Art Thinking School wird am Ars Electronica Festival 2019 von 5. Bis 9. September in der POSTCITY Linz stattfinden. Hier erfährst Du mehr über den Future Innovators Summit, hier geht es zum Festivalprogramm für mehr Information und das genaue Programm der gesamten Art Thinking School Aktivitäten.  Um mehr über Ars Electronica zu erfahren, folge uns auf FacebookTwitterInstagram und Co., abonniere unseren Newsletter und informiere Dich auf https://ars.electronica.art/.

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