Seit Mai 2019 ist im Ars Electronica Center alles neu! Das Museum ist nun nicht mehr nur Fernrohr, das den Blick in die Zukunft öffnet, sondern auch Kompass und Begleiter durch die vom Menschen geschaffenen Systeme des 21. Jahrhunderts.
Die neuen Themen erstrecken sich von Künstlicher Intelligenz und Neuro-Bionik, autonomen Systemen und Robotik, über Gen- und Biotechnologie hin zu den weitreichenden globalen Veränderungen unserer Zeit. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Frage nach der Bedeutung dieser spannenden und herausfordernden, oft auch beunruhigenden Entwicklungen für uns alle.
SEER: Simulative Emotional Expression Robot / Takayuki Todo (JP), Credit: vog.photo
Doch nicht nur die neuen Ausstellungen erwarten euch im Ars Electronica Center, auch das Deep-Space-Programm zum Festival wartet heuer mit vielfältigen Projekten, die die technischen Möglichkeiten des Deep Space 8K voll ausschöpfen, auf.
Von begehbaren dreidimensionalen Pyramiden, Gigapixelbildern von Aufzeichnungen Leonardo da Vincis, einem Livestream nach Japan in 8K-Auflösug bis hin zu faszinierenden Livekonzerten mit den dazu passenden Visualisierungen – das diesjährige Deep-Space-Programm ist so vielseitig wie noch nie!
Wir haben mit Michaela Obermayer und Melinda File, unseren beiden Projektleiterinnen für das Deep-Space-Programm gesprochen, warum man auf keinen Fall den Deep Space während des Festivals verpassen sollte.
LSF-500-Project /Franz Fischnaller (IT), Credit: MiBAC – Musei Reali – Biblioteca Reale
Was sind die Highlights im diesjährigen Deep-Space-Festival-Programm?
Michaela Obermayer: Bemerkenswert sind heuer vor allem die Weltpremieren die wir feiern. Also Werke und Projekte, die in dieser Form noch nie irgendwo gezeigt wurden. So haben wir zum Beispiel einen besonderen Schwerpunkt auf dem Bereich Kulturschätze gelegt, wo uns Franz Fischnaller hochauflösende Fotos von den wunderbaren Zeichnungen von Leonardo da Vinci, unter anderem das berühmte Selbstbildnis, präsentieren wird. Diese Zeichnungen werden in der Biblioteca Reale in Turin aufbewahrt und werden nun erstmals überlebensgroß und zoombar auf unserer 16 mal 9 Meter Projektionsfläche im Deep Space gezeigt. Auch einen virtuellen, interaktiven 3D Rundgang durch Santa Maria delle Grazie in Mailand, wo man Leonardos berühmtes „Letztes Abendmahl“ bewundern kann, hat Franz Fischnaller im Gepäck.
Aus der beliebten BBC Dokumentationsreihe „Invisible Cities“ werden wir einen 3D Laserscan der Cheops Pyramide in Gizeh präsentieren. Das einzige noch erhaltene Weltwunder der Antike wird somit virtuell begehbar und unsere Gäste der BBC führen uns mit fachkundigen Kommentaren durch die steilen und engen Gänge in die verschiedenen Grabkammern. Sicherlich ein Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte!
NOLANDX/Ulf Langheinrich (DE), Credit: Ulf Langheinrich
Melinda File: Genau, dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit unserem Ars Electronica Futurelab entwickelt, das auch mit dem EU Forschungsprojekt „Immersify“ wieder ganz starke Kooperationspartner an Land ziehen konnte. Neben der BBC wird auch der japanische öffentlich rechtliche Fernsehsender NHK mit einer absoluten Weltpremiere dabei sein, nämlich einem Live Stream von Japan nach Linz in sagenhafter 8K Auflösung!
Ein weiteres Highlight wird „NOLANDX“. Ein aufwendig produziertes audiovisuelles Kunstwerk. Der Künstler, Ulf Langheinrich, ist ein Pionier der Medienkunst und war bereits 2005 schon als „Featured Artist“ beim damaligen Ars Electronica Festival. Dieses Jahr präsentiert er für das Festival ein etwa 20 Minuten langes 3D-Video, für das er Meereswellen aufgenommen und mit verschiedenen Effekten entfremdet hat. Eine wunderbare künstlerische Arbeit.
„SAY_SUPERSTRINGS“ / dastrio (KR/DE), OUCHHH (TR) (Ars Electronica Festival 2018), Credit: vog.photo
Heuer stehen einige fulminante Live-Performances auf dem Deep Space-Programm…
Michaela Obermayer: Genau! Bei uns stehen am Festival-Freitag und -Sonntag Livekonzerte gepaart mit Großprojektionen im Mittelpunkt. Wir haben zwei ganz besondere Pianistinnen im Programm, die auf einem Konzertflügel im Deep Space spielen. Zum einen ist das Suyang Kim, die wir schon vom letzten Jahr kennen. Heuer arbeitet sie mit jungen Studierenden der Kunstuniversität Linz zusammen, die für den Deep Space eigene Visuals entwickelt haben, die audioreaktiv sind. Suyang wird unter anderem Werke von Aram Chatschaturjan spielen, wie den berühmte Säbeltanz. Sie spielt aber auch gemeinsam Stücke mit Dieter Stemmer.
Die zweite Pianistin ist Kaoru Tashiro, eine Japanerin die momentan in Belgien lebt. Sie spielt zeitgenössische Werke. Die Visuals dazu wird OUCHHH, eine Künstlergruppe aus der Türkei, beisteuern, die auch letztes Jahr schon Teil des Dee-Space-Festival-Programms waren.
Ein weiterer toller Musik-Programmpunkt ist „Che Si Puo Fare“. Eine Performance von Monika Vlad und Johanna Falkinger, wobei Monica Vlad die audiovisuelle Gestaltung zuständig ist. Sie generiert live auf der Bühne Sounds und Visuals. Als großer Kontrast dazu wird Johanna Falkinger Arien interpretieren. Klassische Arien aus der Barockzeit. Das ist eine tolle Mischung, wenn diese moderne audio-visuelle Kunst auf die Barock-Arien trifft.
384/Valentina Cinquini (IT), Andrea Ummarino (IT), Federico Perinelli (IT), Raphael Schuster (AT), derkleinstePrinz (ES), Credit: Magdalena Sick-Leitner
Melinda File: Das passt besser zusammen, als man glaubt! Das ist eine ganz spannende Kombination.
Am Sonntagabend gibt es noch eine ganz besondere Performance von der Künstlergruppe „384“: ein Livekonzert mit einer Harfe. „384“ sind vier Musiker, die in Linz auf der Bruckneruni studieren. Die Visuals dazu kommen von einem spanischen Künstler, namens „Der kleinste Prinz“. „384“ haben auch schon bei Sofar Sounds im Deep Space live performt.
Deep Quiz/Andrea Aschauer (AT), Jeremiah Diephuis (US), Jürgen Hagler (AT), Wolfgang Hochleitner (AT), Georgi Kostov (BG), Gabriel Mittermair (AT), Credit: Andrea Aschauer, Jeremiah Diephuis, Jürgen Hagler, Wolfgang Hochleitner, Georgi Kostov, Gabriel Mittermair
Scheint, als wären auch heuer wieder ein paar alte Bekannte dabei…
Michaela Obermayer: Stimmt! Gute alte Bekannte sind natürlich unsere Partner von der FH Hagenberg mit Jeremiah Diephuis. Heuer zeigen sie zwei verschiedene Projekte: „Liquidus“ – ein Lasertracking Projekt, wo die physikalischen Eigenschaften von verschiedenen Flüssigkeiten simuliert werden. Man spaziert über die Projektionsfläche des Deep Space durch verschiedenen Flüssigkeiten und diese reagieren dann auf die Besucherinnen und Besucher. Das zweite Projekt ist „Deep Quiz“. Man bekommt eine Quizfrage und die Antwortmöglichkeiten werden im Raum projiziert. Man entscheidet sich für eine Antwort, indem man sich auf die entsprechende Projektion stellt, wie man es von „1, 2 oder 3“ kennt. Die Fragen werden sich auf 40 Jahre Ars Electronica beziehen. Hier kann man also sein Wissen über die Ars Electronica beweisen.
Singing Sand 2.0 / Tadej Droljc (SI), Credit: Robert Bauernhansl
Ein anderer alter Bekannter ist Tadej Droljc. Ein Künstler der ins Immersify-Programm des Futurelab aufgenommen wurde. Er präsentiert die Arbeit „Singing Sand 2.0“ und damit die Weiterentwicklung seiner Arbeit, die er im Vorjahr im Deep-Space-Festival-Programm gezeigt hat. Ein künstlerisches Video, bei dem es scheint, als würden die einzelnen Sandkörner alle ihren eigenen Sound erzeugen. Eine tolle Arbeit, bei der man vollends in den Klangraum hineingezogen wird.
Melinda File: Weitere Bekannte, die heuer dabei sind, sind Mark Chavez, Ina Conradi und Bianka Hofmann, die sich im ArtSci collective Quantum Travelers mit Robert Kastner zusammen getan haben und „Quantum Logos“ zeigen. Dabei geht es um eine Visualisierung quantenphysikalischer Phänomene. Es sieht aus, wie ein riesengroßes Mandala, das in Echtzeit transformiert wird. Es funktioniert auch mit Lasertracking und reagiert auf das Publikum.
Quantum Logos/Mark Chavez (US), Ina Conradi (SG), Tate Chavez (US), Bianka Hofmann (DE), Bob Kastner (AU), Credit: Mark Chavez
Heuer sind auch Virgil Widrich und Martin Reinhart mit dabei, die schon 1998 beim Ars Electronica Festival dabei waren. Damals präsentierten sie den Film „tx-transform“. 2019 zeigen sie nun das Projekt „tx-reverse 360°“ – ein 360° Video, bei dem mit der Slitscan-Aufnahmetechnik gearbeitet wird. Man kennt das von Startrek, wenn die Enterprise in Warpgeschwindigkeit davonfliegt und das Raumschiff sich in die Länge zieht. Das wurde früher analog gemacht. Martin Reinhart hat einen Algorithmus entwickelt, bei dem dieser Effekt digital angewandt werden kann und das wird in diesem Video gezeigt. Für den Deep Space wurde sogar ein eigener Modus geschaffen, damit man das 360° Video live steuern kann.
The Tower of Babel / Pieter Bruegel, Credit: Magdalena Sick-Leitner
Michaela Obermayer: Wir zeigen auch ein kulturelles Gustostückchen, das wir wegen des großen Erfolges im Oktober letzten Jahres, nun zum diesjährigen Festival wieder aufnehmen. Nämlich die Präsentation von Frederik Temmermans aus Flandern über Pieter Bruegel d.Ä. Er wird uns völlig neue Einblicke in die Werke des berühmten Malers eröffnen, zu dessen 450. Todestag im Kunsthistorischen Museum in Wien letzten Winter ja bereits eine beeindruckende, extrem umfassende Werkschau stattfand.
Und natürlich wird auch heuer wieder ein Teil des Animation Festival im Deep Space stattfinden, wo wieder sehr viele künstlerische Arbeiten auf unsere Besucherinnen und Besucher warten. Und auch der VH Award wird im Deep Space wieder eine Rolle spielen. Hier werden drei sehr schöne Arbeiten von koreanischen KünstlerInnen gezeigt.
Illustration: Noh Sanbaso painting from National Diet Library Credit: Robert Bauernhansl
Was ist das aufwändigste Projekt heuer im Deep Space?
Michaela Obermayer: Aufwändig insofern, weil es hard- und softwaretechnisch einiges an Entwicklung erfordert hat, ist der vorhin bereits genannte Immersify 8K Livestream. Streaming ist etwas, das die meisten Menschen tun, aber in der Qualität von 8K ist es eine absolute Besonderheit.
Melinda File: Von der Produktion her am Aufwändigsten waren sicher die Projekte von Franz Fischnaller und „NOLANDX“ von Ulf Langheinrich. Daran arbeiten die Künstler schon seit vielen Monaten. Bei ersterem vor allem dadurch, dass man erstmal die Rechte bekommen musste, dass man die Leonardo da Vinci Zeichnungen abfotografieren durfte und dann vor allem zeigen darf. Das ist auch ganz exklusiv im Deep Space. Es dürfen keine Fotos gemacht werden und man muss sich auch für diese Präsentation anmelden. Das wird ein absolutes Highlight!
Was sind eure persönlichen Highlights?
Michaela Obermayer: Ein Projekt, auf das ich mich jetzt schon lange freue, ist die Kooperation von unserem Futurelab mit der BBC. Die Möglichkeit in die große Pyramide von Gizeh virtuell hineinzugehen. Das ist ein Kindheitstraum. Ich war noch nie in Gizeh und so bekomme ich die Möglichkeit das hautnah zu erleben.
Melinda File: Wo ich mich persönlich darauf freue ist „Che Si Puo Fare“. Da hatten wir letzte Woche einen Test und es hat mich wahnsinnig fasziniert. Ich bin ein großer Opern-Fan. Aber ich möchte mich gar nicht auf ein spezielles Projekt festlegen. Ich freue mich auf alle Projekte. Dieses Jahr ist das Deep-Space-Festival-Programm wahnsinnig vielseitig!
Der Deep Space 8K im im Ars Electronica Center hat während des Ars Electronica Festival von 5. bis 9. September 2019 von Donnerstag bis Samstag von 10:00 bis 20:00, am Sonntag von 10:00 bis 24:00 und am Montag von 10:00 bis 18:00 geöffnet. Das gesamte Deep Space Programm zum Festival finden Sie auf unserer Webseite.
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