Der Kindergarten der Zukunft ist ein Lernwerkstättenkindergarten. Dieser ist nach dem Prinzip der Ko-Konstruktion konzipiert. In ko-konstruktiven Prozessen lernen Kinder, wie man alleine, miteinander und gemeinsam mit Erwachsenen in einer Lerngemeinschaft Wissen erwerben kann. Dies geschieht in Form von Lernwerkstätten, welche nach Themen gegliedert sind. Die Kinder können selbständig wählen, in welchem der Zimmer sie sich gerade aufhalten wollen und mit welchem Projekt sie sich beschäftigen wollen. Sie können das ganz nach ihren eigenen aktuellen Bedürfnissen auswählen und sind nicht an einen Ort gebunden.
In dieser Form ist auch das Projekt wolken.raum entstanden. Es basiert auf dem Buch „Als die Wolke bei uns wohnte“. In dem Buch geht es darum, dass eine Wolke Freund bzw. Haustier eines Kindes wird und am Ende vergeht. Nachdem den Kindern das Buch vorgestellt wurde, entstand der Wunsch Wolken am Himmel zu beobachten, sie bildlich festzuhalten und danach kreativ auszugestalten.
Mit dem wolken.raum hat der Kindergarten der Zukunft nun bereits zum dritten Mal ein Kinderbuch künstlerisch im Ars Electronica Center umgesetzt. Der wolken.raum besteht aus einem kleinen weißen Raum, in den man durch den unteren Schlitz hineinkriechen kann, um dann – am Boden liegend – in einen digitalen „Himmel“ zu blicken. Dieser Himmel zeigt gefilmte Wolken in unterschiedlichen Stimmungen, die die Kinder des Kindergartens der Zukunft aufgenommen haben.
Nun ist die Fantasie unserer jungen Besucherinnen und Besucher gefragt! Welche Tiere, Formen, Gesichter oder Fantasiewesen sie wohl in den Wolken erkennen?
Wir haben mit Elisabeth Pils, Leiterin des „Kindergarten der Zukunft“, und ihrer Tochter Johanna Pils, die die architektonische Leitung des Projekts übernommen hat, gesprochen.
Elisabeth Pils mit Kindern aus dem Kindergarten der Zukunft bei einem Besuch des wolken.raums (Credit: Magdalena Sick-Leitner)
Das ist nun bereits das 3. Kinderbuch zu dem der Kindergarten der Zukunft ein kĂĽnstlerisches Projekt im Ars Electronica Center macht. Warum habt ihr euch fĂĽr dieses Buch entschieden?
Elisabeth Pils: Wie auch bei den beiden früheren Projekten, durften die Kinder in Form einer demokratischen Abstimmung ein Buch aus insgesamt zwölf Büchern, welche im Laufe des Kindergartenjahres bearbeitet wurden, auswählen. Die Mehrheit entschied sich für das Buch „Als die Wolke bei uns wohnte“.
Welche pädagogische Intention steckt hinter diesem Projekt?
Elisabeth Pils: Aus der Pädagogik ist bekannt, dass sich Wissen besser ins Gedächtnis einprägt, wenn stärkere Emotionen beim Lernen vorliegen. Bei diesem Vorgang entfalten sich in der Regel Emotionen. In ihrer Fantasien sehen die Kinder in den Wolkenfiguren meistens Tiere, wodurch die Tierliebe der Kinder angesprochen wird. Es zeigte sich, dass durch das Projekt wolken.raum die selektive Wahrnehmung in Richtung naturwissenschaftliche Phänomene gelenkt werden kann. Der Lernprozess kann zudem wetterunabhängig ablaufen. Er ist auch durch die Unterstützung von low-cost Medien für Kindergärten leistbar. Zudem ermöglicht die nachträgliche Bearbeitung der digitalen Fotografien mit Farbstiften, die individuellen Fantasien der Kinder sichtbar zu machen.
Wolken beobachten und der Fantasie freien Lauf lassen – so etwas findet in unserem hektischen Alltag oft keinen Platz. Kann bereits der Kindergarten dem entgegenwirken?
Elisabeth Pils: Ja! Die Kinder werden von der Hektik des Alltags leider nicht verschont. Wir haben bei diesem Projekt erfahren, wie viel Spaß es den Kindern gemacht hat, einfach nebeneinander in der Wiese zu liegen und Wolkenbilder zu definieren. Durch die entspannte Atmosphäre ist die Fantasie zunehmend erweitert worden und kreative Fantasiewesen, wie zum Beispiel der Schnabelsaurier sind entstanden.
In dem Buch geht es auch darum, dass die Wolke – die im Laufe der Zeit Freund bzw. Haustier des Kindes wurde – am Ende vergeht. Ist auch das Thema „Vergänglichkeit“ ein Thema gewesen?
Elisabeth Pils: Vergänglichkeit ist implizit ein Thema. Im wolken.raum ziehen Wolken und somit auch die Phantasiebilder vorbei, verblassen und verschwinden schließlich. Neue Wolkenbilder erscheinen. Die Kinder haben einen offenen Zugang zur Vergänglichkeit. Sie leben im Jetzt. Den Kindern ist das Entstehen und der Prozess wichtig und weniger das Produkt.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, den Wolkenraum, genauso wie er jetzt ist, zu gestalten?
Johanna Pils: Ideenbringer, einen Ort der Ruhe und des Bewusstseins zu schaffen, waren die Kinder selbst. Ihre Anregungen und Wünsche haben als Basis für die Umsetzung gedient. Im ersten von den Kindern gebauten wolken.raum aus Karton haben sich die wesentlichen Erfordernisse für den Entwurf relativ rasch definiert. Das Erzeugen einer geschützten Atmosphäre um die ganze Aufmerksamkeit bewusst nur auf den Ausblick zu lenken und damit das Beobachten der Wolken zu ermöglichen. Die Architektur bietet den Kindern einen Raum, der sie zum Träumen einlädt. Besonders wichtig war uns, dass die Kinder mit dem Raum in Dialog treten und ihr individuelles Raumgefühl erleben. Dies wird durch die Proportionen des Raumes unterstützt, weil sie auf die Körpergröße der Kinder abgestimmt sind. Insbesondere beim Eingang des wolken.raum ist dies ersichtlich, weil er die Kinder einlädt diesen spielerisch zu betreten.
Der Wolkenraum war sozusagen ein Familienprojekt. Ist es das erste Projekt, das ihr gemeinsam gemacht habt?
Johanna Pils: Nein, wir haben auch schon an zwei vorangehenden Projekten gemeinsam an Konzeption und Ausführung gearbeitet, nämlich „Das verrückte Huhn“ und „Wann kommen die wieder?“. Diese waren beide ebenfalls im Ars Electronica Center ausgestellt. Auch in diversen anderen Projekten haben wir unsere Kräfte vereint, diese waren aber eher theoretischer Natur.
Gibt es schon Ideen fĂĽr weitere Projekte?
Johanna Pils: Der wolken.raum ist nun einige Monate im Kindergarten der Zukunft gestanden, wodurch sich die Möglichkeit ergeben hat, die Kinder zu beobachten. Die Notwendigkeit, eines Ortes der Ruhe und des Bewusstseins im regen Treiben des Kindergartenalltags, hat sich bestätigt. Es freut uns sehr, dass der wolken.raum von den Kindern voller Begeisterung benutzt wird. Diese Erfahrung bestärkt uns weiter an dem spannendenden Thema, der Architektur für Kinder, zu forschen.
Der wolken.raum ist noch bis Anfang Jänner im Foyer des Ars Electronica Center!
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