Der STARTS Prize der Europäischen Kommission ist ein Format, das die Zukunft in sich trägt, versucht er doch das Beste aus den Welten von Kunst, Technologie und Wissenschaft zu vereinen. Zehn Werke werden live in Linz zu bestaunen sein und zwar in der Kepler Hall am Campus der JKU. Und auch davor und darunter und auf dem Weg dahin. In einem Gespräch mit Karla Spiluttini, Projektmanagerin von STARTS, haben wir für euch herausgefunden, was es zu sehen gibt.
Neben den Werken in der Ausstellung sind zwei Projekte im Rahmen der Gardens vertreten. Da ist einmal The Wrong, ein 2013 gegründetes Netzwerk zur Förderung digitaler Kunst und Kultur, an dem Jede und Jeder zur Partizipation geladen ist. The Wrong findet als Teil der dieses Jahr ausschließlich online stattfindenden Gallery Spaces statt. Das andere ist Contain, ein mobiles Covid-Labor im Schiffscontainer, das soeben eine Förderung durch die britische Regierung erhielt.
In und um die Kepler Hall suchen zehn Projekte ihre interessierten Besucher*innen.
EDEN: EDEN (oder im Ganzen Ethics – Durability – Ecology – Nature) ist das Gewinnerprojekt der Kategorie Innovative Collaboration. Seit 2012 forscht Olga Kisseleva in einer Reihe von Bio-Art-Kunstwerken zum Schutz gefährdeter Pflanzenarten und zur Kommunikation nicht menschlicher Lebewesen. Die Künstlerin bringt 22 verschiedene Pflanzen aus Brasilien sowie Fotografien von verschiedenen Sub-Werken von EDEN.
Design by Decay, Decay by Design: Andrea Ling konnte den Preis in der Kategorie Artistic Exploration für sich entscheiden. Sie bringt viele Bio-Samples nach Linz, die sie im Rahmen ihrer Residency bei Gingko Bioworks anlegte und mittels derer sie Abfall so designen möchte, dass es vom wertlosen Abfallprodukt zu einem Bestandteil neuen Lebens wird.
Topografie digitale: Das multidisziplinäre Kollektiv DataPaulette forscht im Bereich Textilien und digitale Technologien. In diesem Projekt werden Textilien zu sensiblen Oberflächen mit speziellen Faltungen und einer Projektion, die durch Berührung ausgelöst wird.
c o m p u t e r 1 . 0: Dieses Textil-Display huldigt den Vorgängern der Computergeschichte in einer einzigartigen Verbindung von handgewebtem Textil mit kinetischer Oberfläche.
Hybrid Living Materials: Hier werden lebende und nicht lebende Materialien kombiniert, um dem resultierenden Produkt biologische und reaktionsfähige Eigenschaften zu geben. Am Festival wird diese Arbeit mittels Video repräsentiert, da die reale Arbeit derzeit im MoMA ausgestellt wird.
aqua_forensic: Robertina Šebjanič und Gjino Šutić beleuchten in diesem Projekt die Rückstände menschlichen Konsums in Gewässern. Im Rahmen eines Workshops entsteht derzeit ein Lab-Book, das als Artefakt in Linz ausgestellt wird.
Plastic Preneur von Doing Circular kommt aus dem Dunstkreis von Precious Plastic Universe und hat sich auf Plastik-Recycling-Maschinen spezialisiert, mittels derer Plastikmüll im kleinen Maßstab zu neuen Produkten recycelt wird.
Re-Textile 3D: Ganit Goldstein plant Textilien so, dass bei ihrem Zuschnitt möglichst wenig Abfallmaterial entsteht – und zwar geschieht dies mittels Oculus Rift im 3D-Raum. Dieses Projekt wird im Rahmen von Re-Fream ausgestellt, einer kollaborativen Forschungsgruppe, die den Herstellungsprozess von Mode neu denkt. Aufgrund der Sicherheitsbestimmungen zu Covid-19 gibt es zu diesem Projekt eine Visualisierung zu sehen, das eigenständige Erkunden des 3D-Raumes ist leider nicht möglich.
Hier geht’s zu einem re-fream Blogbeitrag!
Perception iO: Eine Trainingssituation für die Strafverfolgung und die eigene Voreingenommenheit schuf Karen Palmer mit Perception iO. Es werden eskalierende Situationen zwischen Polizist*innen und – vermeintlich – Kriminellen nachgespielt, schwarze oder weiße Personen, Kriminelle oder Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Über eine KI werden die Emotionen der Teilnehmenden aufgezeichnet. Die immersive Erfahrung ist eine Konvergenz von Neurowissenschaft, Verhaltenspsychologie, Film, KI, Erkennung von Gesichtsemotionen, Eyetracking, Bias und sozialer Gerechtigkeit.
Sociality: Paolo Cirio widmet sich der Ethik und Ästhetik der Arbeit mit Online-Piraterie, Datenbruch, Identitätsdiebstahl, Privatsphäre, Fake News, Algorithmen und Hacking. In Sociality sammelt und bewertet Cirio Internet-Erfindungen, die beim US-Patentamt eingereicht wurden und fordert die Öffentlichkeit dann auf, diese zu kennzeichnen und zu verbieten.
Diese Projekte aus dem STARTS Universum sind ab 11. September in der Kepler Hall am Campus der JKU zu sehen. Wie stark der Einfluss der globalen Pandemie natürlich auch bei der Kuratierung einer Ausstellung wirkt, haben wir abschließend Karla Spiluttini direkt gefragt.
Hat sich durch Covid-19 etwas an der Ausstellungskonzeption geändert?
Karla Spiluttini: Auf jeden Fall! Berührungsintensive Ausstellungswerke wurden weggelassen oder „beschnitten“, sodass sie nur durch die Infotrainer*innen benutzt werden. Was natürlich schon das Erlebnis reduziert.
Inwieweit beeinflusste Covid-19 die Entscheidung der STARTS Prize Jury?
Karla Spiluttini: Die Bewertung hat ja zu einem Zeitpunkt stattgefunden, wo die Jurymitglieder bereits 6 Wochen zu Hause waren. Und es war auch im Juryprozess ein immer wiederkehrendes Thema. Gedanken und Wertigkeiten verschieben sich durch solche Ereignisse. Was ist uns wirklich wichtig? Worum geht es in Zeiten der Krise? Es geht viel um Nachhaltigkeit, Ökologie, Kreislaufwirtschaft, menschliche Verbindungen.
Wie geht es weiter mit der STARTS-Ausstellung?
Karla Spiluttini: Ein Teil der Werke reist weiter nach Brüssel zu Bozar, wo die Ausstellung im Anschluss zu besuchen sein wird. Es ist ein wichtiger Schritt, Kunst und Kultur wieder zugänglich zu machen.
Karla Spiluttini ist Medienkünstlerin und Forschende. Ihre künstlerischen und wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in diffusen Orten, Materialforschung, narrativen Räumen und der Phänomenologie von Maker Kulturen, Ihre Installationen wurden u.a. mit dem Salzburger Landespreis für Medienkunst und dem Mandala Award des European Institute for the Media ausgezeichnet. Die Arbeit mit Materialien und angewandtem Experimentieren brachte sie unter anderem 2012 Research Resident an das V2_ institute for the unstable media in Rotterdam, und als Vermittlerin auf verschiede österreichische Universitäten. Derzeit arbeitet sie für das Ars Electronica Festival in Linz.
This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 732019. This publication (communication) reflects the views only of the author, and the European Commission cannot be held responsible for any use which may be made of the information contained therein