Gemeinsam mehr wissen

people talking to each other.
, Credit: UNDP Accelerator Lab

Von Citizen Science, DIY-Science, Bürger*innenwissenschaft, Amateur*innenforschung, Public History bis hin zu Open Science. Alle Begriffe beschreiben sehr ähnliche Dinge, nämlich die Beteiligung von Nichtwissenschafter*innen, also Laien, an wissenschaftlichen Projekten und Prozessen. Neue Technologien wie Smartphones mit ihren ständig wachsenden technischen Möglichkeiten, sowie der Zugang zu sozialen Netzwerken ermöglichen eine völlig neue Zusammenarbeit zwischen Bürger*innen und Wissenschaftler*innen. Citizen Scientists melden Beobachtungen, dokumentieren mittels Fotografie, messen Umweltparameter oder werten Daten wissenschaftlich begleitet aus: Die „Citizen Sciences“ gewinnen immer mehr an Bedeutung.

Die Europäische Kommission möchte diese Entwicklung weiter fördern und die Bedeutung von Citizen Science, nicht zuletzt für die Nachhaltigkeit unserer Gesellschaft, unterstreichen. Der Citizen Science Prize of the European Union, der 2023 erstmals ausgeschrieben wurde, ist Ausdruck dieses Anliegens. Mit dem jährlichen Wettbewerb werden herausragende Initiativen gewürdigt, die Forschung, Innovation, Engagement und Kreativität in den Dienst unserer Gesellschaft stellen, um uns als Individuen zu befähigen und uns als Gemeinschaft zu stärken. Eingebettet ist der Citizen Science Preis in das großangelegte IMPETUS Projekt. Im Gespräch mit Andrew Newman, Projektmanager für die European Platform for Digital Humanism, und Veronika Liebl, Managing Director im Ars Electronica Geschäftsbereich Festival/Prix/Ausstellungen, erfahren wir mehr über den Open Call und warum Citizen Science so wichtig ist.

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Wer ist Teil des IMPETUS-Projekts und was sind die gemeinsamen Ziele?

Andrew Newman: IMPETUS besteht aus sieben europäischen Organisationen, die sich um die Stärkung von Citizen Science im Europäischen Forschungsraum bemühen. Wir arbeiten zusammen mit dem King’s College London (GB), der European Science Engagement Association (AT), Zabala Innovation (ES), T6 Ecosystems (IT), Science for Change (ES) und Nesta (GB), der britischen Innovationsagentur für soziale Zwecke. Unser gemeinsames Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass Citizen-Science-Initiativen die Finanzierung, Anerkennung und Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um zu gedeihen.

Warum ist Citizen Science wichtig?

Andrew Newman: Ich werde diese Frage mit Fragen beantworten: Warum ist Wissen wichtig? Unwissenheit ist ein Segen, nicht wahr? Wären wir nicht alle viel glücklicher, wenn wir nicht wüssten, was ein Coronavirus ist und warum die Menschen krank werden? Könnten wir alle ruhiger schlafen, wenn wir keine Ahnung von der Klimakrise hätten, in der wir uns befinden? Und wäre es nicht besser, wenn wir nicht wissen müssten, was künstliche Intelligenz ist oder wie sie funktioniert?

Natürlich ist Wissen wichtig, denn die Menschheit lebt vom Wissen, im Guten wie im Schlechten. Stell dir vor, in was für einer Welt wir leben würden, wenn wir uns nicht bemühen würden, unser Wissen zu teilen – wenn nur eine Minderheit von uns etwas über Covid-19, den Klimanotstand oder künstliche Intelligenz wüsste. Für mich ist Citizen Science deshalb so wichtig, weil sie uns ermutigt, Wissen weiterzugeben, und zwar nicht nur durch Lehrbücher oder Vorlesungen, sondern durch eigenes Tun, und vor allem durch das Tun mit anderen. Sie gibt uns die Möglichkeit, aktiv zum Wissen beizutragen.

Veronika Liebl: Wir sehen auch, dass Citizen-Science-Initiativen mehr und mehr innovative Ansätze liefern, die sich den dringenden Herausforderungen der europäischen Gesellschaft stellen. Mit dem neuen Preis werden Initiativen in Europa ausgezeichnet, die nicht nur auf wissenschaftlichen Fortschritt und gesellschaftlichen Nutzen abzielen, sondern die Bürger*innen aktiv einbeziehen und so eine offene und integrative Zivilgesellschaft fördern. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auch auf Projekten, die einen verstärkten Beitrag zum Green Deal und zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen leisten. Erfreulicherweise ist der Preis ein klares Signal dafür, dass die EU Citizen Science als einen gangbaren Weg zu Wissenschaft und Innovation anerkennt.

Der Open Call besteht aus zwei Teilen, welche sind das?

Andrew Newman: Wir wollen dazu beitragen, dass Citizen Science stattfindet, aber auch hervorragende Citizen Science, die bereits stattgefunden hat, auszeichnen. Daher haben wir für jeden Teil einen Aufruf. Der erste Open Call ist für das Accelerator Programme, das Mentoring, Training und finanzielle Unterstützung für neue und laufende Citizen-Science-Initiativen bieten wird.

Veronika Liebl: Und weitere Accelerator-Aufrufe werden folgen! Durch 3 Open Calls werden Projektideen von etwa 100 Citizen-Science-Initiativen mit insgesamt 2.250.000 Euro in den nächsten 4 Jahren unterstützt!

Andrew Newman: Der zweite Open Call ist für den ersten Preis der Europäischen Union für Citizen Science, mit dem bestehende Citizen-Science-Initiativen im Europäischen Forschungsraum ausgezeichnet werden. Es gibt einen Hauptpreis in Höhe von 60.000 €, einen Preis für Vielfalt und Zusammenarbeit in Höhe von 20.000 Euro und einen Preis für digitale Gemeinschaften in Höhe von 20.000 €. Außerdem werden 27 Ehrenerwähnungen vergeben.

Veronika Liebl: Auch hier gilt: Der Preis wird nicht nur 2023 vergeben, sondern ist auch für 2024 und 2025 bestätigt! Die Ausschreibung erfolgt jedes Jahr um die gleiche Zeit!

In welchen Kategorien kann man einreichen?

Veronika Liebl: Der European Union Prize for Citizen Science vergibt jährlich einen mit 60.000 Euro dotierten Hauptpreis, 2 Auszeichnungen in verschiedenen Kategorien mit je 20.000 Euro Preisgeld und 27 Ehrenpreise. Mit dem Großen Preis werden herausragende Leistungen bei der Förderung des Wissens durch die Befähigung der Zivilgesellschaft und der Bürger*innen zur Entwicklung der Zukunft gewürdigt. Der Preis ist nicht auf bestimmte Themen beschränkt, sondern wird an die herausragendste Initiative gemäß den Vergabekriterien vergeben. Der „Diversity & Collaboration Award“ konzentriert sich auf Initiativen mit explorativen Kollaborationsmodellen, die ein breites Spektrum an Interessengruppen und wissenschaftlichen Agenden aktiv einbeziehen. Die ausgezeichneten Initiativen müssen besondere Leistungen in den Bereichen kulturelle und geschlechtsspezifische Vielfalt, Einbindung von Interessengruppen und soziale Inklusion erbringen. Der „Digital Communities Award“ konzentriert sich auf das breite Feld wissenschaftlicher, künstlerischer und sozialer Initiativen innerhalb der Citizen Science, die darauf abzielen, durch den innovativen oder alternativen Einsatz digitaler Technologien sozialen Nutzen zu stiften, Gemeinschaften zu schaffen und zu unterstützen und eine offene und integrative Zivilgesellschaft zu fördern. Als Einreichender muss man sich nicht für eine der Kategorien entscheiden und einreichen – dies wird von der Jury bewertet!

Nach welcher Art von Projekten wird gesucht?

Andrew Newman: Wir suchen eine breite Palette von Projekten. Ich denke, es ist auch wichtig zu betonen, dass wir nicht nur nach naturwissenschaftlicher Citizen Science suchen, sondern nach allen Arten von Projekten, die Bürger*innen dazu bringen, zu neuem Wissen beizutragen. Das kann (digitale) geisteswissenschaftliche Forschung, partizipative künstlerische Forschung oder investigativer Journalismus sein. Eingereicht werden können Projekte aus dem Europäischen Forschungsraum, das heißt nicht nur aus den EU-Mitgliedstaaten, sondern auch aus Ländern, die mit Horizon Europe assoziiert sind oder derzeit über eine Assoziierung verhandeln (z. B. sind auch Einreichungen aus dem Vereinigten Königreich und der Ukraine förderfähig). Die vollständige Liste der förderfähigen Länder findet ihr im Abschnitt Förderkriterien auf unserer Website.

Veronika Liebl: Wir suchen nach Citizen Science-Projekten, die nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse ermöglichen, sondern auch neue Dialoge zwischen Wissenschaft und Gesellschaft eröffnen. Ein Dialog, den Ars Electronica seit ihrer Gründung im Jahr 1979 an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Gesellschaft führt.

Mehr über den Citizen Science Preis der Europäischen Union erfährst du hier.

Veronika Liebl ist derzeit Managing Director im Ars Electronica Geschäftsbereich Festival/Prix/Ausstellungen. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Kepler Universität in Linz (Abschluss 2010) mit Studienaufenthalten an der Harvard University (US) und der Université de Fribourg (CH). Seit 2011 ist sie bei Ars Electronica Linz für das Kulturmanagement und europäische Projektentwicklung zuständig und ist Mitglied des Linzer Stadtkulturbeirates und des Linzer UNESCO City of Media Arts Executive Board. Sie leitet Ars Electronica’s europäischen Kooperationsprojekte in den Bereichen Kultur, Forschung & Bildung und hat in dieser Funktion – gemeinsam mit ihrem Team – zahlreiche EU-Projekte wie den STARTS Prize, DOORS (Digital Incubator for Museums) oder das European ARTificial Intelligence Lab entwickelt, initiiert und durchgeführt.

Andrew Newman ist Produzent für die European Platform for Digital Humanism bei Ars Electronica in Linz und konzentriert sich auf die Förderung von Kulturen der transdisziplinären Innovation. Er ist verantwortlich für Projekte, die Künstler*innen und Wissenschaftler*innen zusammenbringen (STUDIOTOPIA) und STEAM-Lernerfahrungen schaffen (Open Science Hub, Creative School und STEAM INC). Er ist Mitbegründer des Forschungsinstituts für Kunst und Technologie in Wien, wo er sich auf die Integration von künstlerischen Forschungsmethoden in die Forschung und Entwicklung von Blockchain und offener Hardware konzentriert.

EU Credits

IMPETUS project has received funding from the European Union’s Horizon WIDERA 2021-ERA-01 Research and Innovation Programme under Grant Agreement No 101058677. This publication reflects the views only of the author, and the European Commission cannot be held responsible for any use which may be made of the information contained therein.