von Nicole Grüneis
Betrachten wir die Welt aus rein eurozentristischer Perspektive, so wird deutlich, dass die Digitalität in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Die digitale Welt ist nicht mehr nur Zufluchtsort für Nerds, Gamer und Science Fictionistas, sie ist unsere alltägliche Lebensrealität. Dieser systemische Wandel befördert andere, neue Werkzeuge, Möglichkeiten, Perspektiven und somit auch Kulturtechniken zu Tage. Doch Kultur will gelernt sein – und Technik auch!
Die logische Folgerung wäre, diese Veränderungsprozesse gerade in Bildung und Politik früh abgebildet zu sehen. Doch genau das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Ein beträchtlicher Teil der Gesellschaft beschreibt das Bildungssystem als träge und unflexibel, als einen Apparat, der nicht auf ein schnelles Update zur besseren Umgebungskompatibilität und „Bug Fixing“ ausgerichtet ist.
Diese Kritik am Bildungssystem ist nicht neu, dennoch ist die Debatte aktueller denn je. Denn nach dem COVID-19 bedingten Digitalisierungsschub, Stichwort „Distance Learning“, rüttelt gerade ChatGPT am eingefahrenen Habitus der Lehrmethoden und Lernziele. Die Frage nach den Kompetenzen für die Zukunft, den sogenannten „21st Century Skills“, wird nun in beinahe jeder Echokammer diskutiert.
Die Antwort des staatlichen Bildungswesens im Schulbereich ist die „Digitale Schule“ und die „Digitale Grundbildung“, in deren Zentrum Selbstbestimmtheit „durch ein umfassendes Verständnis für die digitale Welt und das Wissen, wie man sich (sicher) in dieser Welt bewegt“ steht. Die große Herausforderung dabei ist nicht das Zur-Verfügung-Stellen von Hardware und unterrichtstauglicher Software, sondern der Aufbau einer nachhaltigen Wissensinfrastruktur für die Lehrenden.
Obige Aussage bedingt auch die Notwendigkeit, dass die „Digitale Grundbildung“ über einen Coding-Unterricht hinausgehen muss. Es braucht ein Lernen, das sich nicht nur auf die Funktionsweisen beschränkt, sondern auch eine Auseinandersetzung mit den Mechanismen der digitalen Technologie, den ethischen Aspekten und den sozialgesellschaftlichen Zusammenhängen erfordert. Es geht darum, ein Verständnis dafür zu entwickeln „was die neue digitale Welt im Inneren zusammenhält“.