Schweizer Kunst auf österreichischem Boden inmitten des inspirierenden Ambientes eines internationalen Festivals – das kann man während des diesjährigen Ars Electronica Festival erleben. 2023 liegt unter anderem ein Schwerpunkt auf der Vertretung von Schweizer Künstler*innen unter den Festivalbeiträgen, die eine faszinierende und einzigartige Perspektive auf kontemporäre Themen und Herausforderungen bieten. Dieser Schweiz-Fokus konnte mit Unterstützung der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia realisiert werden. Die vielfältigen Werke bieten eine spannende Gelegenheit, die Schnittstelle von Kreativität und Innovation zu erleben und zu erforschen.
Deutlich wird der Schweiz-Fokus insbesondere in vier Bereichen: der ArTS Production Grant, Visual Arts, Musik/Performance und einer Schweizer Delegation. Im Rahmen des ersten zentralen Punktes, der ArTS Production Grant für Schweizer Künstler*innen, organisiert von Ars Electronica in Zusammenarbeit mit der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, wurde das Werk BROOD (The Second Body) von Dorota Gaweda und Eglė Kulbokaitė ausgewählt. In Form einer Mehrkanal-Videoinstallation kombiniert BROOD verschiedene Elemente: von vor Ort gedrehten Szenen über inszeniertes Green-Screen-Material und CGI bis hin zu algorithmisch generierten Sequenzen und gefundenem Filmmaterial. Überzeugt hat es besonders durch seinen innovativen Ansatz, der die Grenzen der Medienkunst erweitert und die Kluft zwischen Kunst und Wissenschaft überbrückt und so eine perfekte Ergänzung für das Ars Electronica Festival ist. BROOD erforscht die integrale Seltsamkeit der Welt und untersucht die Interaktionen und Prozesse zwischen fundamentalen Partikeln der Natur und einer Brut von Geistern des Volksglaubens – nicht nur metaphorisch, sondern als Prozesse, die das Potential für eine Neugestaltung unserer Welt haben. Gemeinsam mit zahlreichen anderen Werken kann BROOD als Teil der Themenausstellung besucht werden.
Ein weiterer Bereich, den Pro Helvetia unterstützt, in dem sich der Schweiz-Fokus während des Festivals zeigt, ist Visual Arts durch die Präsentation kuratierter Arbeiten Schweizer Künstler*innen als Teil der Themenausstellung. Zum einen wurden drei Künstler*innen ausgewählt, deren Werke Teil der Themenausstellung sind und die auch persönlich während des Festivals in Linz vor Ort sein werden.
Einer von ihnen ist Michel Winterberg mit seinem Werk Melting – the show must go on!. Der Künstler, der häufig mit interaktiven Video- und Klanginstallationen, Mixed Media und animatronischen Elementen arbeitet, thematisiert mit seiner Installation den enormen Energieverbrauch der Computer und Server weltweit. In diesem spannenden Projekt werden Computer-Kühlkomponenten umfunktioniert, um Eis auf einer Metallplatte zu erzeugen, das dann plötzlich schmilzt. Ein Video fängt dieses naturähnliche Ereignis ein, begleitet von immersiven Klanglandschaften, die von den elektromagnetischen Emissionen des Geräts erzeugt werden und ein einzigartiges sensorisches Erlebnis schaffen.
Infrastructure of a Migratory Bird, kreiert von Vladan Joler, Felix Stalder und Gordan Savicic ist ein weiteres Schweizer Projekt, das während des Festivals ausgestellt wird. Es besteht aus einer Karte, die das vom Menschen geschaffene Umfeld untersucht, das geschaffen wurde, damit der Waldrapp in Europa wieder als Wildtier leben kann. Gezeigt werden die Beziehungen zwischen sozialen, technologischen, informationellen und ökologischen Elementen, die ein solches anthropogenes Ökosystem bilden.
Genauso können sich Besucher*innen auf Uperqt von Cod.act freuen. Manchen ist Cod.act vielleicht schon von einem der legendären Beiträge bei vergangenen Festivals – wie πTon oder Nyloïd – bekannt. Bei Uperqt handelt es sich um eine Installation, in der Robotik, Lichteffekte und Ton kombiniert werden, um eine dynamische Umgebung zu schaffen, in der röhrenförmige Gebilde im Kampf miteinander interagieren.
Andererseits wurde eine vierte Arbeit als Honorary Mention in der Kategorie AI&Life Art ausgezeichnet und wird im Rahmen der Prix Ars Electronica Exhibition gezeigt: SHIFT von Geraldine Honauer. SHIFT ist ein zum Nachdenken anregendes Werk, das die Ökonomie der Arbeit und die zunehmende Kommodifizierung der virtuellen Welt erforscht. Mithilfe von Blockchain-Technologie und Smart Contracts ermöglicht die SHIFT-Plattform den Verleih von digitaler Arbeitskleidung als Wearables in virtuellen Welten. Sie untersucht den Wert der Arbeit und Arbeitskraft und reflektiert die komplexen Wechselwirkungen innerhalb des Kunstmarktes und die Auswirkungen von Kryptowährungen auf die Wirtschaft realer und digitaler Güter. Dadurch bietet SHIFT eine reflektierte Perspektive auf die sich wandelnde Beziehung zwischen der physischen und der digitalen Welt.
Im Bereich Musik und Performance, ebenfalls unterstützt von Pro Helvetia, lädt das Festival Schweizer Künstler*innen ein, im Rahmen des Festival Openings und der Nightline zu performen. Zu den Highlights gehören Luc Gut und Rolf Hellat mit OSZILOT, das mit einer Honorary Mention im Prix Ars Electronica, Kategorie Digital Musics & Sound Art, ausgezeichnet wurde. OSZILOT ist ein Hybrid aus Klanginstallation und Performance: Über Bewegungssensoren werden an Schnüren aufgehängte Alltagsgegenstände zu Klangobjekten. In einer einzigartigen und intuitiven Live-Performance kann so die physische Welt mit digitaler Klangsynthese kombiniert werden. Performances werden sowohl im Opening, das am Mittwoch den 06.09.2023 um 19:30 das Festival eröffnet, als auch während der folgenden Festivaltage stattfinden, wobei nach der Aufführung auch das Publikum eingeladen ist, die Objekte zu spielen.
Darüber hinaus tragen Jessiquoi, Noémi Büchi und Soraya Lutangu als Teil der Nightline am Freitag den 08.09.2023, beginnend um 23:00 Uhr, in der Gleishalle der POSTCITY, zu einer lebendigen Schweizer Präsenz bei:
Jessiquoi ist eine australisch-schweizerische Produzentin, Komponistin und Performerin. Sie verbindet rohe, physische Energie und tanzbare Beats, die mit Rap und klangvollem Gesang kombiniert werden. 2023 publizierte sie eine neue Sammlung von Songs, die sie auch während des Ars Electronica Festival in einer unerwarteten und mitreißenden Live-Show präsentiert. Sie entführt in eine futuristische Szenerie von Neo-Shanghai im Jahr 2187, wo Jessiquoi, anstatt die Nudeln ihres Onkels zu verkaufen, insgeheim eine talentierte Beatmakerin ist, die nachts elektrisierende Straßenpartys veranstaltet.
Eclipse verbindet eine Tonlandschaft kreiert von Noémi Büchi mit visuellen Kunstwerken von Christoffer Joergensen. Büchi’s Musik fängt die Spannung zwischen Wachstum und Verfall, Konsonanz und Dissonanz ein, während im Hintergrund die künstlerischen Werke von Joergensen ästhetische Spannungsfelder – zwischen organischen Formen und Pixelrauschen, scharfen geometrischen Flächen und fleischigen Substanzen, porösen und weichen Oberflächen, Ordnung und Chaos, Natur und Technologie – abbilden. So entsteht ein audiovisuelles Erlebnis, das unterschiedliche Konzepte der Realität kombiniert.
Soraya Lutangu, bekannt als Bonaventure, verknüpft Musik, Performance-Art und Film, um Emotionen wie Mitgefühl, Trauer, Zusammengehörigkeit und Feierlichkeit hervorzurufen. In ihrer Praxis erforscht sie die diasporische Erfahrung in einem dekolonialen Kontext, wobei sie den Schwerpunkt auf die poetischen Aspekte von Blackness, Queerness, Technologie und Spiritualität legt. Bonaventures Arbeit hat internationale Anerkennung gefunden, und sie gründete Eternal, ein Kulturunternehmen, das Dialoge und Verbindungen zwischen der afrikanischen und europäischen Diaspora fördert.
Ergänzend zu den künstlerischen Darbietungen nimmt eine Schweizer Delegation bestehend aus 10 Kurator*innen und Kulturexpert*innen am Festival teil. Durch Guided Tours, einen Deep Dive in das Festivalprogramm mit seinen vielen Facetten und Artists Drinks gehostet von Pro Helvetia in der POSTCITY am Freitag, den 08.09.2023, wozu auch anderen Künstler*innen und Kulturschaffende eingeladen werden, bieten sie wertvolle Einblicke in die Vielseitigkeit der Schweizer Kreativität und stellen so die vierte Säule des Schweiz-Fokus während des Ars Electronica Festival 2023 dar.
Alle genannten Projekte können während des Ars Electronica Festivals 2023 in Linz erlebt werden. Die Highlights des Festivals findest Du hier und Details werden laufend online veröffentlicht.