CIFO x Ars Electronica: lateinamerikanische Geschichten und kreative Ansätze

, WildMachines, credit: JonathanTorres

Wie im letzten Jahr entstanden im Rahmen der Zusammenarbeit der Cisneros Fontanals Art Foundation (CIFO) und Ars Electronica innovativen Ideen und künstlerischen Ansätze für die Konfrontation mit technologischen, umwelttechnischen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen. Schon 2002 wurde die CIFO von Ella Fontanals-Cisneros gegründet, um einen kulturellen Dialog zwischen lateinamerikanischen Kunstschaffenden und einem weltweiten Publikum zu kreieren. Das bestehende Programm für Zuschüsse und Kommissionen wurde 2022 durch die CIFO x Ars Electronica Awards ergänzt, mit denen das künstlerische Schaffen aufstrebender lateinamerikanischer Künstler*innen, die sich mit Technologien im Zusammenhang mit neuen Medien und digitaler Kunst beschäftigen, anerkannt und unterstützt werden sollen.

„Der Horizont der künstlerischen Projekte bei Ars Electronica ist weit gespannt – durch die Zusammenarbeit mit CIFO wird unser Wirkungsradius noch internationaler und facettenreicher. Die lateinamerikanische Medienkunstszene ist in ihrer pulsierenden Kreativität herausragend und definitiv eine Bereicherung in der Auseinandersetzung mit zentralen Fragen des 21. Jahrhunderts.“

Gerfried Stocker, Co-CEO und künstlerischer Leiter von Ars Electronica

2023 haben über 100 Künstler*innen aus 13 verschiedenen Ländern Beiträge eingereicht, von denen drei im Rahmen des Awards ausgezeichnet wurden: Ana María Gómez López, Jonathan Torres Rodríguez and Joaquín Aras. Aus den kreierten Werken entsteht die Ausstellung Dualities in Equalities: Art, Technology, Society in Latin America, die im Rahmen des Ars Electronica Festival 2023 im LENTOS Kunstmuseum in Linz präsentiert wird, wo sie bis Ende September 2023 besucht werden kann. Neben den drei Preisträger*innen der CIFO x Ars Electronica Awards werden auch die Beiträge der sechs Gewinner*innen der CIFO Awards gezeigt. Hierbei handelt es sich um ein Förder- und Kommissionsprogramm von CIFO, das aufstrebenden sowie etablierten zeitgenössischen lateinamerikanischen Künstler*innen die Möglichkeit bietet, experimentelle und ansprechende neue Arbeiten zu entwickeln und zu präsentieren. Das Ergebnis ist eine Ausstellung, die eine faszinierende Vielfalt künstlerischer Ausdruckformen aus Lateinamerika präsentiert. Während die verschiedenen künstlerischen Positionen von Vertreter*innen unterschiedlicher Generationen, Dialekte, Lebenssituationen und künstlerischer Gattungen sich in ihrem individuellen Ausdruck und der Verwendung von Werkzeugen unterscheiden, basieren sie doch auf einer gemeinsamen kulturellen Grundlage und sind durch den gleichen thematischen Hintergrund miteinander verbunden. Dualities in Equalities: Art, Technology, Society in Latin America untersucht den Einfluss des globalen Wandels und digitaler Technologien auf die Kunst und lädt Besucher*innen ein, die lateinamerikanische Kultur aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

Das erste Projekt, das im Rahmen der CIFO x Ars Electronica Awards von Ana María Gómez entwickelt wurde, trägt den Namen Inoculate und konzentriert sich auf den Prozess der okulären Keimbildung. Die Künstlerin hat unter Verwendung eines augenärztlichen Tränenwegsverschlusses, der zum Auffangen von Tränenflüssigkeit bei Menschen mit trockenen Augen entwickelt wurde, eine Pflanze in ihren unteren Tränenkanal gepflanzt. Besucher*innen der Ausstellung erhalten einen Einblick in dieses Verfahren durch eine mehrsprachige Anleitung und ein Set spezieller Instrumente, die bei diesem Verfahren verwendet werden, sowie entsprechende Proben von Tränenflüssigkeit und Samenstämmen. Ziel der Arbeit ist es, Nachdenken über die Grenzen des menschlichen Körpers anzuregen und kritische Fragen zur anthropozentrischen Vermehrung von Pflanzen in kolonialen und zeitgenössischen Kontexten aufzuzeigen – von der Generierung biologischer Vielfalt in Gewächshäusern bis hin zur Herstellung von molekularen Chimären in der biomedizinischen Industrie.

Jonathan Torres Rodríguez erforscht mit seinem Werk Máquinas Salvajes – oder auf Deutsch Wilde Maschinen – die Idee biologisch abbaubarer Maschinen. Was wäre, wenn Maschinen zu Kompost werden könnten? Wie könnten wir das erreichen? Welche neuen Verfahren würden wir brauchen? Konzeptionell will der Künstler beim Design dieser Geräte wieder auf Fertigungstechniken zurückgreifen, die näher am Wissen unserer Vorfahren inspiriert sind, und Materialen biologischen Ursprungs verwenden. So wird ein Szenario denkbar, in dem Maschinen zu Hybriden mit ihrer Umgebung werden, indem sie zerfallen und sich wieder selbst integrieren. Ziel des Projekts ist es, diese in Ökosystemen zu installieren und auf Video die Prozesse zu dokumentieren. In der Ausstellung sind dann die Videos zu sehen, zusammen mit einer dritten Skulptur, die sich im Raum durch ein von den Besucher*innen der Ausstellung aktiviertes Feuchtigkeitssystem zersetzen wird.

Zuletzt wurde auch Joaquín Aras für sein Projekt Añoranzas (Yira Yira) – oder auf Deutsch Sehnsüchte – ausgezeichnet. Aras will mit seiner Arbeit auf Filme aufmerksam machen, die vergessen oder verloren wurden. Añoranzas ist eine Hommage an den argentinischen Filmpionier Federico Valle, der den ersten Zeichentrickfilm der Welt produzierte und das erste argentinische Nachrichtenprogramm startete. Nachdem der größte Teil von Valles Filmen 1926 bei einem Brand verloren ging und die Reste an eine Kammfabrik verkauft werden mussten, um deren Zelluloid als Rohmaterial zu verwenden, stellen diese ein besonderes Beispiel für kulturellen Verlust dar. Das Projekt von Joaquín Aras zielt darauf ab, den kulturellen Verlust rückgängig zu machen, indem durch Experimentieren mit aktueller Technologie versucht wird, alte Plastikkämme zu recyclen und in projizierbaren Film zu verwandeln. Ergebnis ist ein abstrakter Film, der mit einem 16-mm-Projektor präsentiert wird.

Neben den Projekten der Künstler*innen, die im Rahmen der CIFO x Ars Electronica Awards honoriert wurden, wird die Ausstellung im LENTOS noch durch mit dem CIFO Award ausgezeichnete Werke lateinamerikanischer Kunstschaffender ergänzt:

The Ark von Natalia Espinosa nimmt die Geschichte der Arche Noah als Ausgangspunkt für die Frage, welche Wesen wohl in Zukunft an Bord einer Arche wären, nachdem wir die meisten natürlichen Ressourcen aufgebraucht haben. Rosemberg Sandoval stellt mit seinem Werk El cuarto del artista en Bahareque (Das Zimmer des Künstlers in Bahareque) ein objektives Portrait seiner Familie dar, das mit Glasuren und Transparenzen aus Schlamm und Staub bearbeitet wurde und in gewisser Weise Millionen kolumbianischer Menschen und insbesondere indigene Völker repräsentiert, die gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Jhafis Quintero Gonzalez verarbeitet seine Erfahrungen in einem Gefängnis für Banküberfälle mit seinem Werk Reflections und zeigt die Notwendigkeit von Kreativität für diejenigen, die der Freiheit beraubt sind, um mit den architektonischen Beschränkungen zu brechen. 0.0. von Andrés Ramírez Gaviria verkörpert die Ästhetik der Reduktion, die viele Bewegungen der abstrakten Moderne inspirierte, indem in Form eines Videos die Zerstörung von zwei Glaswürfeln, die sich zeitlich vorwärts und rückwärts und in einer ständigen Schleife entfaltet, dargestellt wird. Mit Vibrant Self von Alba Triana wird die unzertrennbare Beziehung zwischen Natur, Mensch und Artefakt untersucht. Besucher*innen hören eine musikalische Komposition mit Aufnahmen aus der Natur, der Stadt, den Medien und Musikarchiven, welcher Reaktionen hervorruft, die dann von einem Brain-Computer Interface erfasst und wieder in Schallwellen umgewandelt werden. Und Adrian Melis lässt einen gemeinsam mit Menschen aus dem Osten Kubas mit seinem audiovisuellen Werk Stories from the Mountaintop die Schlacht der kubanischen Revolution in den 1950er Jahren durch Klangsequenzen, erzeugt durch Objekte aus den Trümmern und Ruinen der Umgebung, neu erleben.

Die vorgestellten Kunstprojekte werden im Rahmen des Ars Electronica Festival 2023 präsentiert. Details zu den Ausstellungen und Highlights werden laufend online veröffentlicht.

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