Die Schnittstelle von Technologie, Kunst und Kultur steht im Mittelpunkt des Ars Electronica Festival. Eine innovative und etwas andere Perspektive auf diese Thematik versprechen 2023 die zahlreichen taiwanesischen Kunstprojekte. Der Taiwan-Fokus lädt ein auf eine fesselnde Reise in die Welt der Kreativität, der Innovation und des interkulturellen Austauschs. Mit einer Reihe von Performances, Panels und Ausstellungen ist Taiwans dynamische Präsenz beim Festival ein Beweis für sein reiches künstlerisches und technologisches Erbe.
Im besonderen Ambiente des Mariendoms kann während des Ars Electronica Festival die Media Dance Performance Mirage Replicas 2.0 von Yen Tzu Chang erlebt werden. Die Künstlerin befasst sich in ihrer Performance mit den Generationsunterschieden innerhalb einer Familie und Kultur in Form einer Geschichte ihres Vaters über den Fang einer goldenen Fledermaus. Nach Michel Foucaults Idee der Heterotopie wird durch Einsatz verschiedener Technologien wie KI-generierten Visuals ein vielschichtiger Raum geschaffen. Die technische Forschung und Entwicklung wurde mit Unterstützung des Industrial Technology Research Institute (ITRI) realisiert. Das Motiv der Fledermäuse wird auf Basis von Tonaufnahmen bis hin zu projizierten Bildern präsentiert und so die Erinnerungen und kulturellen Perspektiven der Künstlerin vermittelt. Tänzer*innen interagieren mit den interaktiven Bildern und nehmen diverse Rollen an – von Fledermausforscher*in über Künstler*in bis hin zu Gottheit. Einige der visuellen Elemente des Werks werden durch künstliche Intelligenz generiert, so hinterfragt Yen Tzu Chang den Einfluss der KI auf kulturelles Wissen und sucht nach Wegen, die vielfältigen menschlichen Vorstellungen in einer von KI dominierten Ära zu bewahren.
Die Taiwanesische Präsenz ist auch am Ars Electronica Campus nicht zu übersehen. An der Kunstuniversität Linz ist die Taipei National University of Arts als Featured University des Festivals vertreten und zeigt im Splace ihre Ausstellung unter dem Titel Epicentrum. Dieses Thema verdeutlicht die spezielle Lage Taiwans inmitten einer angespannten globalen Situation und geologisch an der Schnittstelle tektonischer Platten. Bemerkenswert sind beispielsweise die Werke Data Verse Taipei 02, wo mit lokalen Internetdaten eine immersive Erfahrung kreiert wird, und Raw ⇆ Ripened ⇆ Happiness, welches das koloniale Sichtsystem verdeutlichen will.
Außerdem ist die taiwanesische National Tsing Hua University, Center for Technology and Art, Teil der Campus Ausstellung in der POSTCITY. Diese trägt den Titel A Face Drawn in Sand und beschäftigt sich so mit einer Vorhersage von Michel Foucault, dass, wenn sich die Gestaltung des Wissenssystems ändert, auch das menschliche Zeitalter enden wird – wie ein in Sand gezeichnetes Gesicht. So elaboriert das Werk From Post-Truth to AI-Truth passend zum Festivalthema die Frage, wer die Wahrheit definiert. Dagegen erforscht Cybermove eine Methode, die es uns ermöglicht, in eine virtuelle Welt zu entkommen und Exchange between Reality & Virtuality lässt das Publikum entscheiden – virtuell oder real?
Ein sensorisches Erlebnis erwartet die Besucher*innen der Ars Electronica Garden Exhibition – ebenfalls in der POSTCITY – mit Sensory Voyage: Taiwan’s Metaverse Exploration von der Formosa Virtual and Physical Media Integration Association, realisiert mit Unterstützung des Department of Cultural Affairs Taipei City Government. Interaktive Installationen, Animationen und digitale Erzählungen zeigen nicht nur die reichhaltige Vielfalt der taiwanesischen Kultur, sondern lassen Besucher*innen durch die Linse von Technologie und Kunst ihre Wahrnehmung von Realität und Wahrheit in Frage stellen. Samsara – Honorary Mention beim Prix Ars Electronica 2022 – von Kurator und Künstler Hsin-Chien Huang entführt in eine Zukunft, in der wir versuchen, eine zerstörte Erde zu verlassen. Wird es gelingen? Oder sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu eng miteinander verschmolzen? Gemeinsam mit Künstler Wen-Chieh Chang vermittelt Huang mit Kuo Hsueh-Hu: The Reminiscence of Taiwan in His Heart einzigartige Impressionen von Taiwan, die sicher auch die Zuschauer*innen bewegen werden. Mirror von De-Chuen Wu, dessen letztes Werk die 2021 Best Animation Shorts gewonnen hat, entführt in eine Traumwelt, in der drei Blechspielzeuge abwechselnd auftreten. Gefangen können sie sich selbst nicht befreien. Doch dies sind nur wenige der zahlreichen Beiträge, die im Garden Formosa auf eine sensorische Reise einladen. Im Zentrum steht die Festivalfrage: Wem gehört die Wahrheit wirklich? Für Interessierte wird für die Ausstellung am Donnerstag, 07.09.2023, eine Open Ceremony veranstaltet, bei der bereits ein tiefer Einblick in die taiwanesische Perspektive auf kontemporäre Themen geboten wird. Visuell wird die beeindruckende Größe Taiwans durch Projektion von KI-Landschaften auf eine sechs Meter hohe Leinwand zum Leben erweckt, während ein Teetisch die Essenz der virtuellen Vision „schmecken“ lässt.
Am Samstag – dem Dare the Truth Day – ist die taiwanesische Ansicht auch während der Konferenzen des Festivals repräsentiert: Audrey Tang, Minister of Digital Affairs in Taiwan, wird Teil des Themensymposiums The End of Truth sein. Die Panel Diskussion zum Thema The Future of Democracy in the Age of AI behandelt unter anderem Fragen im Spannungsfeld von Falschinformation und Demokratie: Wem gehört die Wahrheit und wie wirkt sich die Deutungshoheit über die Wahrheit auf unsere Vorstellung von Demokratie aus? Was ist Fakt und was ist Fiktion? Welche Auswirkungen/Gefahren birgt die KI für die Demokratie? Wie verändert der technologische Fortschritt unser Verhältnis zur Wahrheit? Und: Ist das Ende der Wahrheit nahe?
Davon abgesehen kann man im Panel Not your data? Open relationship between culture and technology, präsentiert von der Taiwan Creative Content Agency (TAICCA), mit fünf Künstler*innen – Hsin-Chien Huang (TW), Zi-Yin Chen(TW) & Hsiang-Feng Chuang(TW), Feng Chuang(TW), Hui-Ching KO (TW), Yen-Lin Huang (TW) und Aurélien Dirler (FR) – ins Gespräch kommen. Thematisch werden die Auswirkungen von Datenbesitz auf Kreativität und Kultur behandelt. Wie sollten kulturelle Inhalte zwischen kommerziellen Interessen und sozialen Bedürfnissen ausgewogen sein? Mit der umfassenden und uneingeschränkten Unterstützung des taiwanesischen Kulturministeriums, die von der Förderung der Kreativität bis hin zur internationalen Vernetzung reicht, strebt Taiwan danach, Verbindungen herzustellen, den Austausch zu fördern und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu unterstützen.
Weiteres zu den Highlights des Ars Electronica Festival 2023 findest Du hier. Details werden laufend online veröffentlicht.
Mehr Details zu den taiwanesischen Kunstwerken, Performances und Veranstaltungen im Rahmen des Festivals findet man auf der TAICCA website.
„The Garden Formosa“ wird von der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten der Stadt Taipeh unterstützt.
„Das Panel Nicht deine Daten? Offene Beziehung zwischen Kultur und Technologie“ wird von der Taiwan Creative Content Agency präsentiert.
„Mirage Replicas 2.0“ wird mit Unterstützung des Industrial Technology Research Institute (ITRI) realisiert.
Alle taiwanesischen Ausstellungen, Aufführungen und Veranstaltungen werden vom taiwanesischen Kulturministerium unterstützt.