Kunst, Technologie und Gesellschaft sind seit 40 Jahren die Interessenfelder, deren höchst komplexe und lebendige Beziehungen Ars Electronica – als Festival und Prix ebenso wie seit 1996 als Museum und Labor – in das Zentrum seiner Aktivitäten gestellt hat. Was 1979 in Linz als Kunst- und kommunalpolitisches Experiment seinen Anfang nahm, setzt heute Maßstäbe. Ars Electronica ist mittlerweile für die Entwicklung der Medienkunst wie für den Diskurs der technologischen Kultur eines der bestidentifizierten Foren.
Andreas J. Hirsch erzählt im Buch „Creating the Future“ ebendiese Geschichte der Ars Electronica und lässt dabei wesentliche Schlüsselpersonen zu Wort kommen. Uns hat er einen ersten Einblick in das Jubiläumswerk gegeben und uns erzählt, inwiefern er auch beim Festival präsent sein wird.
Sie haben 40 Jahre Ars Electronica unter dem Titel „Creating the Future“ in Buchform gebracht. Können Sie uns kurz erklären, wie man den Buchtitel verstehen kann, welche Aspekte der Ars Electronica er in sich trägt?
Andreas J. Hirsch: Das Thema „Zukunft“ zieht sich durch die gesamte Geschichte der Ars Electronica. Schon die Gründungsidee des Festivals im Jahr 1979 hat diese Ausrichtung auf die Zukunft hin enthalten. Der Roboter SPA-12, der damals die Eröffnungsrede hielt, war quasi ein Bote aus der Zukunft. Doch von Anfang an ging es nicht um eine naive Zukunftseuphorie oder Technikbegeisterung, sondern stets auch um einen kritischen Zugang, eben den Blick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie.
Im Ars Electronica Center konnte ab 1996 der Anspruch eingelöst werden, die Menschen auf eine von digitalen Technologien geprägte Zukunft vorzubereiten. Um tatsächlich selbst die Zukunft aktiv mitzugestalten ist jedoch erforderlich, sich selbst mit neuen Technologien auseinanderzusetzen, sich eine informierte Meinung über deren wünschenswerte und verantwortungsvolle Nutzung zu bilden. „Creating the Future“ enthält so etwas wie einen „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Diese Selbstermächtigung kennzeichnet als ein Kerngedanke die 40 Jahre. Das ist ein im Grunde sehr aufklärerischer Gedanke, der zugleich hohe Aktualität besitzt.
Welchen Schlüsselpersonen bzw. WegbegleiterInnen begegnet man im Buch auf der Reise durch die 40-jährige Geschichte?
Andreas J. Hirsch: In vier Jahrzehnten Ars Electronica sind de facto mehr als drei Generationen involviert, die aus sehr verschiedenen Zeiten stammen. Von Menschen, die noch den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, bis zu Menschen, die eine Welt ohne Internet nicht kennen. Das Buch bietet zunächst eine Begegnung mit den Schlüsselfiguren, von Gründern wie Hannes Leopoldseder und Herbert W. Franke, über prägende Personen wie Christine Schöpf und Peter Weibel, bis hin zu Gerfried Stocker, Horst Hörtner und Martin Honzik und deren Teams, die eng mit der heutigen Gestalt und Wirksamkeit der Ars Electronica verknüpft sind. Das Buch handelt von der Vision einzelner Personen ebenso wie von der innovativen Kraft transdisziplinärer Teams, wie insbesondere des Ars Electronica Futurelab, die die Geschichte der Ars Electronica bestimmt haben. Die Ars Electronica hatte stets auch ein Gravitationsfeld entfaltet, das interessante Personen anzog und in vielfältigsten Rollen involvierte. Eigentlich ist die Geschichte von 40 Jahren Ars Electronica auch die Geschichte einer weltweiten Community, die laufend größer wird.
„Eigentlich ist die Geschichte von 40 Jahren Ars Electronica auch die Geschichte einer weltweiten Community, die laufend größer wird.“
Welches sind für Sie persönlich, nachdem Sie sich lange und intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt haben, die wichtigsten Milestones gewesen, hin zur Entwicklung zu Ars Electronica 2019?
Andreas J. Hirsch: Da gibt es natürlich die großen, wohlbekannten Meilensteine: Gründung als Festival 1979, Prix Ars Electronica 1987, Eröffnung Ars Electronica Center und Gründung Futurelab 1996 und neues Center 2009. Nicht minder interessant sind aber meines Erachtens auch eine Reihe weniger beachteter Wendepunkte in der Entwicklung, wie etwa 2004 der Schritt in eine internationale Präsenz, die sich seitdem enorm entwickelt hat, oder 2015 die Transformation des Festivals – in der Location POSTCITY – zur Plattform von hoher Publikumsattraktivität.
Wohin glauben Sie, rein spekulativ, geht die Reise der Ars Electronica in der Zukunft noch?
Andreas J. Hirsch: Ihre visionäre Grundkonzeption verleiht der Ars Electronica eine erhebliche Widerstandsfähigkeit. So hat sie Versuche, sie bald nach der Gründung wiedereinzustellen, oder auch die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 nicht nur überstanden, sondern für Transformation und Weiterentwicklung genutzt. Doch die Zukunft der Ars Electronica als einer Einrichtung der Stadt Linz hängt eng mit dem Schicksal der Stadt selbst sowie der Entwicklung in Europa zusammen. Das betrifft die wirtschaftliche Situation ebenso wie die politische. Eine so deutlich den Ideen der Aufklärung und der Moderne verbundene Institution, die Werte wie Offenheit, Toleranz, Kooperation und Internationalität pflegt, geriete natürlich in einer illiberalen Gesellschaft oder einer gleichgeschalteten Kulturlandschaft an gesteigerte Herausforderungen ihrer Widerstandsfähigkeit.
Sie werden im Rahmen des Ars Electronica Festival auch eine Expert Tour moderieren, die sich anhand des Buches durch die POSTCITY schlängelt. Wie kann man sich das genau vorstellen und was erwartet die BesucherInnen?
Andreas J. Hirsch: Das Buch ist ja seinerseits so etwas wie eine „Guided Tour“ durch 40 Jahre Ars Electronica, ein Filter zu einer immensen Fülle an Archivmaterial, stets auf der Suche nach Mustern und Zusammenhängen. Entsprechend werden wir uns auf meiner Tour durch die POSTCITY den Weg durch die ungeheure Fülle an Projekten bahnen, wobei uns die Geschichte der Ars Electronica und die Leitmotive, die diese Geschichte durchziehen, auch hier einen roten Faden durch das Geschehen bieten wird.
Andreas J. Hirsch, geboren 1961 in Wien, Österreich, ist Schriftsteller, Kurator und Fotokünstler. Seine vielfältigen Engagements bei der Ars Electronica als Berater, Kurator, Juror und Künstler begannen 1996. Dazu gehören die Ausstellung „HR Giger – The Art of Biomechanics“ im Jahr 2013 und das Buch The Practice of Art and Science 2017 mit Mitherausgeber Gerfried Stocker.