Workshop leaders Ali Nikrang and Susanne Kiesenhofer; photo: Martin Hieslmair

Walzersymphonie

Johann Strauss Sohn und kreative KI

Im Jahr 2025 wird der 200. Geburtstag des weltberühmten Komponisten Johann Strauss Sohn gefeiert. Im Auftrag des Johann Strauss Festjahres 2025 Wien widmet sich das Ars Electronica Futurelab dem Jubiläum unter dem Titel Walzersymphonie. Die zentrale Frage des Projekts: „Wie können Künstler*innen das kreative Potenzial von KI-Technologien nutzen?“

Johann Strauss Sohn prägte mit Werken wie dem Donauwalzer und Operetten wie Die Fledermaus und Eine Nacht in Venedig die Musikgeschichte. Als Hommage arbeiten Studierende renommierter Musikhochschulen mithilfe kreativer KI – der Software Ricercar des Ars Electronica Futurelab – an einer Sinfonie, die 2025 vom Brucker Orchester in Wien und Linz live aufgeführt wird. Acht Kompositionsstudierende wurden per Call ausgewählt. Vier ihrer Konzepte wurden zu Sätzen einer Orchestersinfonie weiterentwickelt, drei weitere zu Kompositionen für Soloinstrumente.

It’s Just Noise 
Johannes Brömmel (DE/AT) 

Wie lässt sich akustisches Chaos ordnen – und wann wird daraus Musik? Johannes Brömmel (Universität Mozarteum Salzburg) erforscht mit It’s Just Noise akustische Wahrnehmung in der heutigen Informationsflut. Mit der KI Ricercar erzeugte er aus Strauss’ Donauwalzer fünf überlagerte Klangschichten – ein musikalisches Informationschaos. Daraus formte er ein Stück zwischen Rauschen und Struktur: ein Experiment, wie sehr Strauss’ Musik verfremdet werden muss, um hinter Information zu verschwinden. 

Dialog im Walzer 
David Bock (DE/CH) 

Mit Dialog im Walzer beleuchtet David Bock (Zürcher Hochschule der Künste) den Austausch zwischen menschlicher und KI-Kreativität in der Komposition. In der Zusammenarbeit mit der KI ricercar lotet er Grenzen aus, indem er Informationsdichten reguliert, neue Regeln einführt und bewusst Fehler einbaut, um zu untersuchen, wie KI-Resultate kreative Prozesse beeinflussen und inspirieren können. Das Ergebnis ist ein hybrider Dialog zwischen Mensch und KI, mit dem Ziel innovativen kreativen Ausdrucks. 

Scherzo
Carolina Caballero-Bastidas (CO), Matthias Guntner (AT)

Ausgehend von Strauss’ tiefer Affinität zur Tanzmusik und ihrer Verbindung zu aktuellen Trends interagieren Caballero und Guntner (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) mit dem KI-System Ricercar, um sich Strauss’ heutigen Zugang zum Tanz vorzustellen. Eingaben und Ausgaben verschmolzen zu einem kontinuierlichen Austausch, geformt durch unterschiedliche kreative Prozesse beider Seiten. So wurde Scherzo gleichermaßen von KI und Mensch geprägt, und stellt diese Dualität in Frage. 

Der Flederfrosch
Danielle Lurie (IL/DE) 

In Anlehnung an Strauss‘ Operette Die Fledermaus inszeniert Danielle Lurie (Universität für Musik und Theater München) in Der Flederfrosch eine operettenhafte Casting-Szene, in der KI als Spiegel der Gesellschaft dient. Überzeichnete Vorurteile und Diskriminierung finden auch musikalisch Ausdruck: Das auf klassischer europäischer Musik trainierte KI-System Ricercar wurde mit nicht-europäischen Musiktraditionen konfrontiert. Das Ergebnis ist eine humorvolle Symbiose von Mensch und Maschine. 

Organum Ex Machina 
Yurii Riepin (UA/DE)

Künstliche Intelligenz ist der „Deus ex machina“ unserer Zeit, ein Motor für die Entstehung neuer klanglicher Formen. Mit dem auf Johann Strauss’ Musik trainierten KI-System Ricercar tritt Yurii Riepin (Hochschule für Musik und Theater München) in einen Dialog mit industriellen Klängen des 19. Jahrhunderts und elektronischen Klangwelten der Gegenwart. Das Orgelstück vereint tonale Motive der Vergangenheit mit modernen Klängen in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation. 

Zwischen den Welten
Micha Fazeli-Pour (DE/AT)

Micha Fazeli-Pour (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) erforscht in seinem Stück musikalische und symbolische Gegensätze. Ausgehend von einem Klavierausschnitt Arnold Schönbergs – ästhetischer Gegensatz zu Strauss – entwickelte er mit dem KI-System Ricercar Material, das Strauss’ Tonalität mit Schönbergs kontrapunktischer Dichte vereint. Im Spannungsfeld von Marsch und Walzer, Dichte und Leichtigkeit löst das Werk Gegensätze nicht auf, sondern bringt sie in gemeinsame Bewegung. 

Eine Polka für den Fortschritt
Fabian Blum (DE)

In seiner kompositorischen Arbeit erforscht Fabian Blum (Hochschule für Musik und Theater München) industrielle Geräusche des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart und knüpft damit an Johann Strauss‘ musikalische Auseinandersetzungen mit mechanischen und motorischen Klängen an.

Arbeiten mit Johann Strauss und Ricercar

Das Kernkonzept von Walzersymphonie umfasst eine Reihe von Workshops, die im Mai/Juni 2024 an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, der Universität Mozarteum Salzburg, der Zürcher Hochschule der Künste sowie der Hochschule für Musik und Theater München stattfanden. Diese Workshops richteten sich vor allem an Studierende des Kompositionsstudiums und dienten als Diskursorte für kreative Ideen zur Nutzung von KI in der Auseinandersetzung mit der Musik von Johann Strauss.

Ausgewählte Studierende haben die Möglichkeit, mit einer speziell für dieses Projekt adaptierten und mit der Musik von Johann Strauss trainierten Version des KI-Systems Ricercar neue Kompositionen zu erstellen. Ricercar ist ein KI-basiertes Kompositionssystem, das bereits in zahlreichen künstlerischen Projekten eingesetzt wurde. Es wird seit 2019 von dem KI-Forscher und klassischen Musiker Ali Nikrang im Ars Electronica Futurelab als Forschungswerkzeug speziell für die künstlerischen Bedürfnisse der klassischen Musik entwickelt.

Aufführungen der „Walzersymphonie“ 2025

Bis zum Sommer 2025 entsteht im Auftrag des Johann Strauss Festjahres 2025 Wien innerhalb des Projekts Walzersymphonie eine viersätzige Symphonie, die im September 2025 beim Ars Electronica Festival in Linz und im November 2025 in Wien mit dem Bruckner Orchester Linz aufgeführt wird. Das Projekt wird von Vorträgen, Veröffentlichungen und Studien begleitet. Das Walzersymphonie-Projekt dient daher sowohl der unmittelbaren künstlerischen Auseinandersetzung mit KI als auch der öffentlichen Diskussion über die Rolle von KI in der Kunst: Wie passen menschliche Kreativität und Maschine zusammen und wie können wir arbeiten, sodass KI-Systeme diese kreativen Prozesse nicht ersetzen, sondern ergänzen?

Technisch gesehen erfordert die experimentelle Auseinandersetzung mit KI eine Offenheit für neue Möglichkeiten und eine intuitive Herangehensweise, ohne klare Vorgaben zu machen. Die Interaktion mit der KI erfordert eine gewisse Freiheit und Kreativität seitens der Benutzer*innen, um die Potenziale der Technologie voll auszuschöpfen.

Ein Projekt des Johann Strauss Festjahres 2025 Wien in Zusammenarbeit mit dem Ars Electronica Futurelab

Walzersymphonie: Von Menschen und Maschinen  

Künstliche Intelligenz und klassische Musik fließen im Projekt Walzersymphonie nahtlos ineinander. Kompositionsstudierende erarbeiten im Austausch mit der KI-Anwendung Ricercar innovative Orchesterstücke.

Credits

Ars Electronica Futurelab: Susanne Kiesenhofer, Ali Nikrang

Im Auftrag von: Johann.Strauss-Festjahr2025 GmbH

Johann Strauss 2025 Logo

Partner*innen: Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Universität Mozarteum Salzburg, Zürcher Hochschule der Künste, Hochschule für Musik und Theater München

Komponist*innen: Fabian Blum, David Bock, Johannes Brömmel, Carolina Caballero Bastidas, Micha Fazeli Pour, Matthias Guntner, Danielle Lurie, Yurii Riepin