Schiebetüren am Hauptplatz. Ein ständiges Öffnen. Und Schließen. Und Öffnen. Die Welt liegt zwischen den Türen. Und daneben.
Die Kunstuniversität Linz bespielt ein weiteres Mal den Linzer Hauptplatz zum Ars Electronica Festival mit einer kuratorischen Intervention – zusätzlich zu den Ausstellungen, dem Sound Campus und den diskursiven sowie performativen Darbietungen. Sensorisch gesteuerte Glasschiebetüren, die in Shoppingmalls, Krankenhäusern oder anderen öffentlichen Gebäuden wenig bis kein Augenmerk bekommen, haben am Linzer Hauptplatz volle Aufmerksamkeit. Der Kunstuni Campus zum Ars Electronica Festival reagiert auf das diesjährige Thema PANIC –yes/no durch automatisiertes Öffnen und stellt den Raum zwischen den Türen aus. Vom Eingang, zum Übergang, zum Ausgang. Unser Verhältnis zur Welt wird in Frage gestellt durch eine stete, nicht müde werdende, automatisierte Absurdität. Glastüren, die durch unerwartete Geräusche und Klänge beim sensorgesteuerten Öffnen mit dem Publikum in Linz zu sprechen beginnen.
Alles.Immer.Offen. als Hoffnung, Versprechen, Unsicherheit oder Bedrohung? Kann es sein, dass wir Momente der Öffnung immer seltener akzeptieren? Warum und vor was haben wir Angst? Was liegt hinter, zwischen oder neben den Türen und welche Versprechen gehen mit selbstständig öffnenden Türen einher? Die Klang- und Geräuschinstallation am Linzer Hauptplatz behandelt das Thema Offenheit. Wir wollen keine Erkenntnis vermitteln, kein Wissen, vielmehr laden wir zum selber denken ein, um Gespräche zwischen Denkenden in Gang zu bringen. Wir möchten einen Raum im öffentlichen Raum geben, der geöffnet wird und in Folge wieder und wieder geöffnet werden soll.
Inspiriert wurde das Thema von Beyoncé, Kim Beck und Osman Khan, den Einstürzenden Neubauten und Hannah Arendt. Um offen zu legen, wie die Idee zur Installation geboren wurde, ist uns ein transparenter Zugang enorm wichtig – besonders in einer Zeit, in der wir zu experimentieren beginnen mit opaken, automatisierten “Informationsgenerierungs-Zeug”.
Beyoncé:
Gerade als die zerstörerischen Großflächenbrände (Eaton Fire und Palisades Fire) im Jänner dieses Jahres zu Ende kamen, bedankte sich Beyoncé am Abend des Sonntags vom 2. Februar 2025 bei Feuerwehrleuten aus Los Angeles und ihrem Publikum, welches ihr einen Grammy einbrachte. Sie beendete ihre kurze Dankesrede u.a. mit den Worten: “Ich hoffe, dass wir … Türen öffnen.” Dieses Statement war wohl weniger an die Feuerwehrleute gerichtet, die ihr den Grammy überreichten, als an die Tatsache, dass genau am nächsten Morgen der “Day Without Immigrants” Protest in mehreren Städten der Vereinigten Staaten organisiert wurde, um auf die Einwanderungspolitik der zweiten Regierung von Donald Trump zu reagieren.
Hannah Arendt:
Politische Freiheit, Öffentlichkeit und moralische Verantwortung sind Themen, die von Hannah Arendt in den diversen Schriften und Publikationen behandelt werden. In den Vorbereitungen zum Kunstuni Campus sind im Besonderen ihre Gedanken zu Lessing – Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten wichtig gewesen. Gedanken, die sie in ihrer Dankesrede zur Verleihung des Lessing-Preises im Jahr 1959 präsentierte und u.a. meinte: “Die Welt liegt zwischen den Menschen, und dies Zwischen – viel mehr als, wie man häufig meint, die Menschen oder gar der Mensch – ist heute der Gegenstand der größten Sorge und der offenbarsten Erschütterung in nahezu allen Ländern.” Sie fordert damit eine Haltung, um der Welt verpflichtet bleiben zu müssen und unser Weltverhältnis zu hinterfragen.
Kim Beck in Zusammenarbeit mit Osman Khan:
Es war im Jahr 2009, Linz war Kulturhauptstadt und beim Prix Ars Electronica wurde eine Arbeit von Kim Beck und Osman Khan ausgezeichnet, welche seither als Videodokumentation im Ars Electronica Archiv verschwand. When Laughter Trips at the Threshold of the Divine war eine Schiebetüreninstallation, die von August 2008 bis August 2009 im Socrates Sculpture Park / Long Island City, NY, ausgestellt war, doch für Linz nie realisiert wurde (auch wenn einige Personen das Gefühl hatten, eine solche Installation bereits in Linz gesehen zu haben). Eine voll funktionsfähige, automatische Glasschiebetüren-Installation ist zum Beispiel auch von Carsten Höller für die Tate London im Jahr 2003 realisiert worden und es würde uns wundern, wenn nicht noch weitere automatisierte Türsysteme als künstlerisches Medium für Interventionen in Innen-, Außen-, oder Zwischenräumen genutzt wurden und werden.
Einstürzende Neubauten:
Zu guter Letzt geht es um den Titel unserer Installation als Collage, der von einem Albumtitel dieser sehr bekannten deutschen Band abgeleitet wurde. Alles wieder offen ist der Name eines Albums und eines einzelnen Songs der Einstürzenden Neubauten, die 2007 veröffentlicht wurden. Der Text des Songs behandelt sehr poetisch und ironisch verschiedene Formen des Neuanfangs. Mit Respekt vor dem epischem und musikalischen Schaffen der Band betiteln wir unsere Installation und den Kunstuni Campus Alles.Immer.Offen.
Technologien sind Türen. Türen sind Passagen. Passagen sind Zwischenräume. Eine Collage aus Hoffnung, Versprechen, Unsicherheit und Bedrohung. Der Kunstuni Campus ist jedoch mehr als eine Collage. Auf den folgenden Seiten sind all jene Arbeiten und jungen Künstler*innen erwähnt, die in den Hauptplatzgebäuden der Kunstuniversität Linz und am Campus der POSTCITY ausstellen, performen oder sich diskursiv beteiligen. Alles.Immer.Offen.
Manuela Naveau
Initiator and Curator of Kunstuni Campus@Ars Electronica Festival,
Professor of Critical Data at the Interface Cultures Department of the University of Arts Linz.
Hess Jeon, Sylvia Leitner, Alexander Wöran, Viktoria Angyal, Vladislav Nazarov und Gudrun Oberndorfer
Project Management of Kunstuni Campus@Ars Electronica Festival
Paul Eis
Architect
Jürgen Ropp
Audio Setup
MOOI DESIGN
Graphic Design
Installation am Hauptplatz wurde durch die großzügige Unterstützung der Firma Peter Danereder GmbH ermöglicht.