Vor rund hundert Jahren veröffentlichte der japanische Schriftsteller Miyazawa Kenji seine Erzählung The Restaurant of Many Orders (1924) [Das Restaurant der vielen Bestellungen] – eine düstere Fabel, in der sich hinter höflichem Service eine verstörende Wahrheit verbirgt: Die Gäste selbst stehen auf der Speisekarte. Sie zeigte, wie scheinbar harmlose Entscheidungen in Panik umschlagen können – und wie sich Rollen plötzlich und unerwartet verkehren. In Politik wie in sozialen Medien sind es oft die lautesten Stimmen, die die Macht an sich reißen. Diese Ausstellung schafft eine spekulative Erfahrung, die dazu einlädt, über solche Dynamiken nachzudenken – und zwar durch den Akt des Essens.
Die Teilnehmer*innen tragen Head-Mounted Displays, sitzen an einem Tisch und werden von einem KI-Kellner mit individuell zugeschnittenen Menüvorschlägen bedient. Diese Empfehlungen basieren auf persönlichen Vorlieben und Interessen – scheinbar das perfekte Wunschgericht. Doch die Auswahl wird in Wahrheit subtil von Algorithmen gesteuert. Nicht der eigene Wille bestimmt das Erlebnis, sondern ein unsichtbarer Einfluss: die Logik der KI.
Wir glauben, eigenständig zu handeln – wenn wir auf das „sinnvollste“ Suchergebnis klicken oder das „empfohlene“ Produkt wählen. Doch hinter den Kulissen werden unsere Vorlieben und Emotionen systematisch analysiert – geerntet wie reifes Obst – und zu Inhalten verarbeitet, die nicht für uns bestimmt sind, sondern auf dem Teller anderer landen.
Im Verlauf der Erfahrung scheint man lediglich ein Gericht zu genießen – bis klar wird: Man ist selbst zur Zutat geworden, sorgfältig angerichtet für den Verzehr durch andere. Diese Umkehrung der Rollen stellt eine zentrale Frage: Wie steht es um unsere Handlungsfähigkeit, Autonomie und Selbstbestimmung in einer Informationsgesellschaft, in der Ausbeutung oft leise und algorithmisch geschieht?