Ist Technologie die Lösung?

Earth Day 2023
Earth Day 2023, Our Earth VR by Mindfloat, Foto: Ars Elelctronica / Birgit Cakir

Mit einem immersiven Programm wagt sich das Ars Electronica Center im Zeitraffer in die Zukunft, um von dort aus zurückzublicken: Wie wird die Menschheit den Kollaps verhindert haben?

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Als 1970 Millionen von Menschen auf die Straßen gingen, um für Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu demonstrieren, wurde in den USA der Earth Day ins Leben gerufen. Inzwischen hat sich dieser internationale Gedenktag, der jedes Jahr am 22. April begangen wird, um sich unserem Planeten zu widmen, zu einer globalen Bewegung entwickelt. 175 Nationen beteiligen sich aktiv daran, das Bewusstsein der Menschheit für die Bedeutung einer nachhaltigen Lebensweise und den Schutz unserer Umwelt zu schärfen und dazu zu inspirieren, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Organisationen auf der ganzen Welt nutzen diesen Tag als Gelegenheit für Veranstaltungen, die das Thema ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken. Auch das Ars Electronica Center beteiligt sich mit dem Themenwochenende Earth Day an dieser globalen Bewegung.

Mit einem immersiven Programm wird es sich am SA 22.4. und am SO 23.4. im Zeitraffer in die Zukunft wagen, um von dort aus zurückzublicken: Wie wird die Menschheit den Kollaps durch Klimakrise, Ressourcenknappheit, Artensterben und exponentielles Wachstum verhindert haben? Mit dem Kurzfilm Our Earth VR lässt das interdisziplinäre Projektteam 3D-Animation und Sound zu einer Virtual-Reality-Erfahrung verschmelzen und entwirft damit eine wissenschaftlich fundierte Utopie im Deep Space 8K – eine Erfolgsgeschichte der Menschheit. In unserem Gespräch hat die Projektleiterin Claudia Puck einen selbstreflektierten Blick auf das Thema geworfen und sich mit der Frage befasst, welche Rolle Technologie für das Leben auf diesem Planeten eigentlich wirklich spielt.

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Als Medienproduzentin im Bereich der Wissenschaftskommunikation befasst du dich vermutlich immer wieder mit dieser Frage: Welche Rolle spielt Technologie eigentlich für das Leben auf unserem Planeten – ist sie nun Teil der Lösung oder eher Teil des Problems?

Claudia Puck: Je nachdem, wie sie eingesetzt wird, ist Technologie oft beides – sowohl Teil der Lösung als auch Teil des Problems. Technologien wie erneuerbare Energien, Elektromobilität und CO2-Abscheidung und -Speicherung können dazu beitragen, die Klimakrise zu bekämpfen und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Andererseits kann Technologie auch negative Auswirkungen auf den Planeten haben, wenn sie zu Umweltverschmutzung, Ressourcenverschwendung und Übernutzung von Energie führt. Die Frage ist also, wie wir Technologie einsetzen und welche Maßnahmen wir ergreifen, um ihre negativen Auswirkungen auszumerzen und ihre Potenziale zu maximieren.

Technologien beinhalten immer beides: Nutzen und Aufwand. Wir müssen uns daher darüber bewusst sein, dass Technologie sowohl Chancen als auch Risiken in sich birgt, und müssen uns darum bemühen, sie verantwortungsvoll und nachhaltig einzusetzen.
Erneuerbare Energien wie Photovoltaik oder Windenergie sind gute Beispiele dafür, wie Technologie Teil der Lösung sein kann. Sie können den Kohlendioxidausstoß reduzieren und der Klimakrise entgegenwirken. Auf der anderen Seite kann die Herstellung und Entsorgung von Elektronikprodukten den ökologischen Fußabdruck erhöhen und zu einer Verschwendung von Ressourcen führen. Also muss immer abgewogen werden: Ist die Technologie notwendig und geeignet unsere Lebensqualität, als Gemeinschaft – und nicht nur die einer kleinen Anzahl von Individuen – signifikant zu steigern? Ist sie so gestaltet, dass sie andere Geschöpfe in unserer Umwelt nicht beeinträchtigt? Und rechtfertigt die Technologie den Verbrauch der eingesetzten Materialien und der Energie? Möglicherweise ist ja auch denkbar, auf verschiedene Dinge zu verzichten. Ich sehe zum Beispiel keinen überragenden Nutzen im Stand-by-Modus von elektronischen Geräten. Zwischen 5 und 10 Prozent des Stroms verbrauchen wir in der westlichen Welt dafür, dass Geräte aus ein, zwei Meter Entfernung aktiviert werden können. Das ist absurd.

Besonders Prozesse, die sich langsam entwickeln, entziehen sich ja oft unserer Wahrnehmung. Ein kollektives Bewusstsein für die Veränderungen, die unser Leben auf diesem Planeten derzeit nachhaltig gefährden, ist aber ein besonders wichtiger Teil der Lösung. Welche Rolle kommt in diesem Zusammenhang der technologiebasierten Wissenschaftskommunikation zu? Wäre es überhaupt denkbar, ohne moderne Kommunikationstechologien globale Umdenkprozesse in Gang zu setzen?

Claudia Puck: Klare und verständliche Wissenschaftskommunikation trägt wesentlich dazu bei, das Verständnis und damit die Akzeptanz für Maßnahmen zu erhöhen, die dazu beitragen, der Ressourcenverschwendung und dem Klimawandel entgegenzuwirken. Grundsätzlich wäre es natürlich denkbar, dass Umdenkprozesse auch ohne moderne Kommunikationstechnologien in Gang kommen. Das tun sie ja zum Teil auch schon. Jede*r von uns erfährt die Klimakrise bereits in der eigenen Lebenswelt: Wetterkapriolen, Trockenheit und Wassermangel, Verschiebungen in den Vegetationsphasen von Pflanzen und so weiter. Wir müssen uns zwangsläufig Gedanken darüber machen.
Welche größeren Zusammenhänge sich da auftun und welche Probleme noch auf uns zukommen werden, das kann uns die Wissenschaft sagen. Ob sie dazu moderne Kommunikationstechnologien, wie das Internet, Mobiltelefone, soziale Medien, E-Mail und so weiter benötigt, ist fraglich. Sie erhöhen zweifelsfrei die Reichweite und Geschwindigkeit der Verbreitung von Informationen. Aber auch traditionelle Medien wie Radio und Printmedien können eine wichtige Rolle bei der Schaffung eines kollektiven Bewusstseins spielen. Am effektivsten sind möglicherweise persönliche Beziehungen und mündliche Kommunikation. Die Gefahren der Klimakrise sind umfassend und wahrscheinlich braucht es auch alle Kommunikationswege, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen.

Worum geht es in Our Earth VR?

Claudia Puck: Unser Film skizziert eine Utopie. Wir möchten zeigen, dass Maßnahmen zum Umweltschutz, zum Schutz der Biodiversität und zur Bekämpfung der Klimakrise nicht automatisch Verzicht und Einschränkung bedeuten. Mit unserem Kurzfilm können wir nicht auf alle möglichen Maßnahmen eingehen, aber wir werden den Film als Ausgangspunkt für Diskussionen nutzen. Wir möchten Emotionen wecken, – vor allem in Richtung positiver Motivation: Wir möchten, dass das Publikum erkennt, dass wir als Menschheit etwas gegen die Umweltzerstörung tun können, dass die meisten Lösungen bereits auf dem Tisch liegen, wir diese Lösungen nur anwenden müssen, und dass, wenn wir sie anwenden, dies zu einem besseren Leben für uns alle führen kann.
Filme können eine kraftvolle Plattform sein, um auf komplexe Themen aufmerksam zu machen und ein breites Publikum zu erreichen. Wir möchten das Publikum dazu inspirieren, sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen und aktiv zu werden. Wir möchten Menschen ermutigen, sich für den Schutz der Umwelt einzusetzen, und politische Entscheidungsträger dazu bewegen, Maßnahmen zur Bewältigung der Krise zu ergreifen.

Die Premiere von Our Earth VR findet am 22. April 2023 um 18:00 im Deep Space 8K statt. Im Anschluss an die Filmvorführung inklusive Making-of laden wir euch zur Premierenfeier im Foyer des Ars Electronica Center ein. Hier werdet ihr die Möglichkeit haben, das Thema mit dem Produktionsteam von Our Earth VR, aber auch vielen weiteren interessanten Menschen zu diskutieren. Meldet euch unter 0732.7272.0 oder center@ars.electronica.art an! Rund um den Earth Day bieten wir an diesem Themenwochende aber auch noch viel mehr abwechslungsreiches Programm im Deep Space 8K. Seid mit dabei!

Claudia Puck ist seit über 20 Jahren im Bereich der Kommunikation tätig und ist Inhaberin der Mindfloat Claudia Puck KG, die sich auf Dienstleistungen in der Wissenschaftsvermittlung spezialisiert hat. Sie hat bei der Realisierung verschiedener Filmprojekte mitgewirkt. Zusätzlich setzt sie sich besonders für den Umwelt- und Klimaschutz ein. In ihrer Arbeit als Wissenschaftsvermittlerin und Filmemacherin versucht sie immer wieder, diese Themen in ihre Projekte zu integrieren und Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu schaffen.

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