Prix-Jury 2012, Martin Supper

Martin Supper,

Neue Technologien sollten Neues entstehen lassen!

Pierre Boulez 2010: „Es ist wie in der Architektur: In dem Augenblick, wo man nicht mehr nur mit Holz, Stein und Zement arbeitet, sondern auch mit Stahl und Glas und anderen Materialien, hat man viel mehr Möglichkeiten.“

Beim Bewerten der 640 (Musik-) Einreichungen zur ICMC2000 (International Computer Music Conference) hörte ich nur wenig Neues. Ein wenig wie die Stadt Berlin: die neuen Gebäude werden scheinbar wie früher aus Stein gebaut, obwohl Beton, Stahl und andere, neue Materialen verwendet werden.

Iannis Xenakis 1990: „Musiker, die Computer benutzen, sind im allgemeinen theoretische Krüppel, besonders was die Ideen der Mathematik, Physik und Akustik anlangt. Ihr Talent, sofern vorhanden, versagt beim Durchdringen einer jungfräulichen Sphäre, wo nur abstraktes Denken Experimente leiten können; sie begnügen sich mit Schatten.

Bernd Alois Zimmermann 1974: „… (Es gibt elektronische Kompositionen, die in musikalischer Hinsicht weit hinter dem zurückbleiben, was Schönberg in seinen Orchesterstücken op. 16 vorstellt.) Es ist also nicht – um es anders auszudrücken – die technische Manipulation der neuen Klangmittel entscheidend, sondern die Frage, ob sie materialgerecht im Sinne der spezifischen Eigenheiten des neuen Mediums für die musikalische Komposition nutzbar gemacht werden kann. …“

Als Jurymitglied der Kategorie „Digital Musics & Sound Art“ hoffe ich Neues, Radikales und Unerwartes zu hören. Große Zuversicht habe ich auch, dass das folgende Zitat nur noch marginal zutrifft:

Otto E. Rössler 1992: „Das neue Medium ist wie ein Spiegel: es zeigt uns ungeschützt. Wir sind immer noch kleine Kinder, die krabbeln lernen müssen auf einem fremden Fußboden.“

Martin Supper
Professor für Elektroakustische Musik und Klangkunst an der Universität der Künste Berlin. Geboren in Stuttgart. Ausbildung als Radio- und Fernsehtechniker. Studium der Informatik, Linguistik und Musikwissenschaft an der Technischen Universität Berlin. Ab 1980 zwei Jahre am Instituut voor Sonologie der Rijksuniversiteit Utrecht als DAAD-Stipendiat, wo er Computermusik und Elektroakustische Musik bei Gottfried Michael Koenig studierte. Diplom (Master) in Informatik, Promotion in Musikwissenschaft bei Helga de la Motte-Haber und Dieter Schnebel. Seit 1985 Leiter des UNI.K / Studio für Klangkunst und Klangforschung an der Universität der Künste Berlin, zusätzlich seit 2009 Studiengangsleiter des postgradualen Studiengangs Sound Studies am Zentralinstitut für Weiterbildung, ebenfalls an der Universität der Künste Berlin. Wissenschaftliche Publikationen, Kompositionen und Klanginstallationen seit 1981.

, ,