360 Grad Begeisterung

Jeffrey Martin,

Er hält den Guiness Weltrekord für das größte digitale Panoramafoto, geknipst von einer Aussichtsplattform in London. Und er ist der Gründer der Online-Plattform 360cities.net, auf der Panoramafotos aus den Städten der Welt geteilt werden. Der Fotograf Jeffrey Martin spricht im Interview darüber, wie sich seine Tür zur 360-Grad-Fotografie öffnete, welche Ausrüstung er für den Weltrekord verwendete und wir sprachen mit ihm über das nächste große Ding in der Welt der Panoramaaufnahmen: 360-Grad-Videos. Jeffrey Martin ist außerdem Gast bei Deep Space LIVE am DO 12.6.2014, 20:00, im Ars Electronica Center Linz.

Wie haben Sie die Welt der 360-Grad-Fotografie entdeckt?

Jeffrey Martin: Eingetaucht bin ich in die 360-Grad-Panoramafotografie als ich meine erste Digitalkamera kaufte. Das war eine Canon Ixus, eine sehr kleine Kamera in etwa der Größe einer Zigarettenpackung. Diese Kamera besaß einen sehr groben Panoramafoto-Modus, um Fotos überlappen und sie von der Kamera gleich zusammenstellen lassen zu können. Das war eine echte Revolution für mich, da ich aus der Ecke der Analogfotografie kam. Dieses neue Ding öffnete mir die Augen, was denn so möglich sei mit einer Kamera. Das faszinierte mich. Ein Freund besaß später einen „Stitcher“, ein etwas fortgeschritteneres Programm für den PC, um Panoramafotos zusammenstellen zu können. Also verwendete ich das eine Weile und das Thema faszinierte mich immer mehr.

Dann habe ich entdeckt, dass es sinnvoll ist, Panoramafotos mit einer Stadtkarte von Prag zu verbinden. Das war eine sehr interessante Idee, denn Prag ist so eine wunderschöne Stadt. Ich wollte eine Plattform entwickeln, die künftigen Touristen und anderen Interessierten Informationen über die Stadt in Bildern anbietet. So ist dann prague360.com entstanden, im Jahr 2004. Schließlich habe ich 360cities.net im Jahr 2007 gegründet. Seitdem ist die Firma auf einige MitarbeiterInnen angewachsen und wir erhielten bislang Panoramaaufnahmen von mehr als 8.000 FotografInnen aus aller Welt. Insgesamt sind dies jetzt mehr als eine Viertelmillion an hochauflösenden sphärischen Panoramafotos.

Sie besitzen den Guiness Weltrekord für das größte digitale Panoramabild der Welt. Können Sie uns etwas über die Ausrüstung verraten, die dabei zum Einsatz kam?

Jeffrey Martin: Für diese Aufnahme war es natürlich notwendig, alles in extrem hoher Auflösung aufzunehmen. Welche Kombination an Sensoren und Objektiven haben wir dafür gebraucht? Wir waren dazu gezwungen, ein Foto größer als 272 Gigapixel zu machen – deshalb haben wir uns damals für die Canon 7D entschieden, eine SLR mit 18 Megapixel. Es gibt natürlich andere SLRs mit mehr Megapixel und einem größeren Sensor. Aber damals hatte die Canon 7D die höchste Dichte an Pixeln – das ermöglichte uns das größte sphärische Panoramabild zu machen. Gemeinsam mit der Canon 7D verwendeten wir ein Canon 400-Millimeter/2.8-Objektiv und einen 2x-Telekonverter, der daraus ein 800-Millimeter-Objektiv machte, und das etwa 1.300 Millimetern entsprach.

Wir hatten mehrere Kameras und montierten diese auf Stativköpfen, die es uns erlaubten, die Kameras in exakten Intervallen über eine lange Zeitspanne zu bewegen. Wir hatten vier Kamerasets und robotisch gesteuerte Stative, installierten all das am Turm und das reine Aufnehmen dauerte dann etwa 90 Minuten insgesamt. Um die Ausrüstung aufzubauen, brauchten wir doch zwei Tage, auch um alle Fehlerquellen zu beseitigen. Dann gab es einen verregneten Tag, dann einen etwas windigen Tag. Am dritten Tag sollte das Wetter schließlich gut genug sein, um das Fotografieren zu starten.

Foto: Asahi Shimbun

Ihre „Sphericam“ ermöglicht es, 360-Grad-Videos zu drehen. Was würde der beste Weg sein, um sich diese Art von Filmen ansehen zu können? Wir Menschen haben ja leider nur ein Sichtfeld von etwa 180 Grad…

Jeffrey Martin: Das stimmt. Die Sphericam ist eine von vielen 360-Grad-Videokameras, die es derzeit am Markt gibt. Es stimmt auch, dass Menschen diese Ansichten nicht zur selben Zeit sehen können, aber es gibt die Tatsache, dass wir unsere Köpfe drehen können und so in den Genuss von 360-Grad kommen können. Die Möglichkeit, 360-Grad-Videos ansehen zu können, ist mit einem Gerät verbunden, mit dem man das Bild drehen kann. Das kann beispielsweise ein iPad mit einem Bewegungssensor sein, wenn man dann das iPad dreht und man wie durch ein Fenster in eine andere Welt blickt, in der gerade der Film läuft. Und wenn man das iPad dreht, bewegt sich auch das Video mit. Und es gibt VR-Headsets wie das „Oculus Rift“. Und es ist natürlich weiterhin möglich, sich diese Videos auf einem normalen Bildschirm anzuschauen oder auf einem Touchscreen, mit dem Finger oder mit der Maus.

Welche nächsten technischen Schritte können wir in der Panoramafotografie erwarten – sagen wir, etwa in den nächsten fünf Jahren?

Jeffrey Martin: Ich denke, die Technologie des 360-Grad-Videos wird sich sehr stark weiterentwickeln. Wenn wir auf die Welt der VR-Headsets blicken – das „Oculus Rift“ wird sehr beliebt werden. Aber diese Art an Gerät benötigt auch Inhalte. Neben Computerspielen werden es Filme sein, die aber aus 360-Grad-Inhalten bestehen müssen. Video wird wichtig, es könnte sogar stereoskopisches Video sein, allgemein fälschlicherweise als 3-D bekannt. Also, stereoskopisches 360-Grad-Video ist derzeit nicht wirklich möglich. Es gibt hier eine große Anzahl an technischen Herausforderungen, die erst gelöst werden müssen. Ich erwarte aber, dass diese innerhalb der nächsten fünf Jahre gelöst sein werden. Und es werden wahrscheinlich immer mehr Panoramakameras genau für diesen Zweck gebaut werden. Derzeit gibt es die Theta-Kamera von Ricoh und da werden noch andere auf dem Markt nachrücken.

Foto: Asahi Shimbun

Zu guter Letzt, die letzte Frage: Was machen Sie eigentlich, während ihre Aufnahmen geknipst werden?

Jeffrey Martin: Ja, es stimmt natürlich, dass eine Maschine einen Teil meiner Arbeit macht aber ich erhole mich nicht wirklich während der Aufnahmezeit. Meistens überprüfe ich die Ausrüstung, um sicherzustellen, dass alles einwandfrei funktioniert. Das ist wichtig, um keine einzige Aufnahme zu verpassen. Das ist genau bei großen Panoramafotos wichtig: Wenn die Kamera nur einen Teil der gesamten Aufnahme verpasst, ist wahrscheinlich das ganze Bild umsonst gemacht worden. Es ist auch wichtig, dass die Kamera richtig positioniert ist und viele andere Dinge gibt es zu berücksichtigen. Während die Maschine einige meiner Arbeiten übernimmt – in einer besseren Art als ich das je machen könnte – ist es aber immer noch notwendig, alles zu überprüfen und sicherzustellen, dass alles richtig funktioniert.

Jeffrey Martin wird am 12.6.2014, 20:00, im Ars Electronica Center im Rahmen von Deep Space LIVE Ã¼ber seine Erfahrungen mit der 360-Grad-Fotografie sprechen.

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