Eine Residency bei der Europäischen Südsternwarte

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Wie bereits berichtet läuft seit 22. Dezember eine weltweite Ausschreibung für das “European Digital Art and Science Network”. Dabei können sich Künstlerinnen und Künstler mit ihren Projekten bewerben, um einen Aufenthalt bei der Europäische Südsternwarte (ESO, European Southern Observatory) in Chile zu gewinnen. Anschließend werden die Projekte, die während der Residency entwickelt werden, am Ars Electronica Festival und bei sieben weiteren europäischen Kunst- und Kultureinrichtungen ausgestellt. Das “European Digital Art and Science Network” hat dabei das Ziel wissenschaftliche Aspekte und Ideen mit den Ansätzen der digitalen Kunst zu verknüpfen. Im Fokus dabei stehen Interdisziplinarität, interkultureller Austausch und die Erschließung neuer Zielgruppen.

Wir konnten bereits jetzt mit Fernando Comerón, Repräsentant der ESO in Chile, sprechen. Dabei haben wir erfahren, welche Bedeutung der Spatenstich des neuen „European Extremely Large Telescope“ für uns Menschen haben könnte und was Künstlerinnen und Künstler bei einer Residency in der ESO erwartet.

Comeron2Fernando ComerĂłn (Credit: ESO)

Herr Comerón, zunächst einmal eine sehr persönliche Frage: Warum fasziniert Sie die Astronomie so sehr? Woher kommt diese Leidenschaft?

Fernando ComerĂłn: Ich glaube, wir alle haben unterschiedliche Leidenschaften und unterschiedliche Dinge, die uns faszinieren. Normalerweise beginnt so etwas schon in der frĂĽhen Kindheit. Man sieht etwas und es berĂĽhrt seinen Geist und seine Sinne und von dem Zeitpunkt an ist die Leidenschaft geboren.

Als ich ein Kind war, habe ich die Mondlandung verfolgt. Dieses Erlebnis hatte, glaube ich, einen starken Einfluss auf viele meiner Generation. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich das groĂźartig gefunden habe und unbedingt auch ein Teil davon sein wollte. Nachdem ich nicht auf den Mond fliegen konnte, habe ich den Mond zumindest durch mein Teleskop beobachtet und das entfachte meine Leidenschaft zur Astronomie.

EELTSo wird das European Extremely Large Telescope (E-ELT) einmal aussehen (Credit: ESO/L. Calçada)

Im Sommer war der Spatenstich zum European Extremely Large Telescope (E-ELT). Welche Möglichkeiten hat man mit so einem gigantischen Teleskop?

Fernando ComerĂłn: Um den Bau eines solchen Teleskops zu rechtfertigen, mussten sich die Astronomen natĂĽrlich zuvor genau ĂĽberlegen, welche Vorteile man mit so einem riesigen Teleskop hat. Deshalb haben sie sich zunächst einmal angesehen, was mit der Technologie momentaner Teleskope bereits möglich ist und was im Gegensatz dazu mit einem größeren – einem viel größeren – Teleskop zusätzlich vorstellbar wäre. Und daraus sind einige sehr interessante Forschungsideen entstanden, die man mit so einem groĂźen Teleskop durchfĂĽhren könnte, wie Studien ĂĽber das frĂĽhe Universum, Bilder von Planeten, von Sonnensystemen und vielem mehr. Vielleicht haben wir auch glĂĽck und entdecken Biomarker – also Zeichen, dass es Leben im Spektrum der Atmosphäre gibt. Ein Teleskop, wie das E-ELT deckt praktisch alle Bereiche der Astrophysik ab. Es kann Dinge, zu denen bisherige Teleskope nicht in der Lage wären. Es ist eine deutliche Verbesserung zu allem, was es bisher gegeben hat und es öffnet TĂĽr und Tor zu unbekannten Sphären. Aber die aufregendsten Dinge sind eigentlich die, die wir uns jetzt – zu einem Zeitpunkt an dem das Teleskop noch gar nicht gebaut ist – noch gar nicht vorstellen können.

Das ist das Faszinierendste daran: ein neues leistungsfähiges Werkzeug, das einen an ungeahnten Orte bringt.

Was bedeutet das fĂĽr uns Menschen?

Fernando Comerón: Astronomische Entdeckungen verändern weder unser Leben, noch macht es unseren Alltag bequemer oder einfacher, aber es hat die Macht Menschen zu inspirieren. Das ist sehr wichtig und das ist auch der Grund, warum so viele Menschen auf der Welt auf die eine oder andere Weise an der Astronomie interessiert sind. Stellen Sie sich vor, dass wir eines Tages Beweise dafür finden, dass es Leben außerhalb unseres Sonnensystems gibt. Das würde erhebliche Auswirkungen haben: wir sind nicht alleine im Universum, es gibt eine Form von Leben, über die wir gerne mehr wissen würden, das Leben in anderen Umgebungen, wie Planeten ist möglich und vielleicht auch offen für eine Evolution zu intelligentem Leben.

Artists impressionKünstlerische Darstellung eines neugeborenen Sterns (Credit: ESO/L. Calçada)

Astronomie ist auch ein sehr philosophisches Thema, bei dem Fragen gestellt werden, wie „Woher kommen wir?“ oder „Wohin gehen wir?“ Das könnte auch eine Quelle der Inspiration für Künstlerinnen und Künstler sein… Glauben Sie, dass das Interesse an solchen Fragen die Gemeinsamkeit zwischen Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler und Künstlerinnen bzw. Künstler ist?

Fernando Comerón: Ich denke, es gibt Dinge, von denen wir vorher nicht einmal im Entferntesten ahnten, dass sie existieren und doch haben wir sie heute, dank astronomischer und theoretischer Erforschung, entdeckt. Die Fragen, die sich dadurch jeder Mensch stellt, sind: Was bedeutet das für mich, wie reagiere ich darauf, wie verändert das womöglich meine Wahrnehmung über mich? Und das sind Fragestellungen, die sich eben nicht nur astronomische Wissenschaftler stellen. Vor allem Künstlerinnen und Künstler sind darin begabt komplizierte Dinge zu „übersetzen“ und auf eine andere Art und Weise auszudrücken. Sie nehmen Entdeckungen oder neues Wissen und drücken es in einer Weise aus, die die Emotionen von Menschen berühren.

Wie können sich Künstlerinnen bzw. Künstler und Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler gegenseitig inspirieren?

Fernando Comerón: Ich glaube, Künstlerinnen und Künstler haben es einfacher, als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jemand anderen zu inspirieren, weil es näher an ihrer täglichen Arbeit ist. Sie arbeiten, um Menschen zu inspirieren. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist die Inspiration von Menschen eigentlich nur ein Nebenprodukt. Deshalb glaube ich, dass es in dieser Konstellation so sein sollte, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neue Entdeckungen machen und Künstlerinnen und Künstler diese auf die richtige Art und Weise kanalisieren, um es für jedermann verständlich zu machen, damit das generierte Wissen auch eine Bedeutung bekommt.

Astronome bei der ArbeitKontrollraum des VLTI (Very Large Telescope Interferometer) (Credit: ESO/H.H.Heyer)

Sie werden auch in der Jury des Open Calls von „Art and Science“ sein. Worauf achten Sie bei der Wahl der Gewinner?

Fernando Comerón: Ich glaube, es ist wichtig, dass die Künstlerinnen und Künstler die richtigen Erwartungen an die Residency bei uns in der ESO haben. Die Künstlerinnen und Künstler werden ihre Residency hier bei uns in der Zentrale und in unseren Sternwarten machen. Ich würde Bewerberinnen und Bewerber dazu raten, dass sie sich zuvor über ESO und vor allem über das, was wir hier so machen, informieren, sonst kann es leicht zu Missverständnissen kommen. Ein so ein Missverständnis wäre, dass man die Sternwarte als reinen Ort der Entdeckung versteht, an dem Astronomen Tag für Tag nur Sterne beobachten. In Wirklichkeit ist die Sternwarte ein reiner Arbeitsplatz, an dem nicht ständig etwas Neues entdeckt wird. Wenn Astronomen neue Daten bekommen, sitzen die Astronomen hauptsächlich an ihren Schreibtischen, um sie bestmöglich zu verarbeiten. Dessen müssen sich die Künstlerinnen und Künstler bewusst sein. Sie werden die meiste Zeit in den Büros der Astronomen verbringen. Es kann Tage, Wochen oder Monate dauern, bis es so zu einer Inspiration kommen kann.

Ich werde also prüfen, ob die Bewerberinnen und Bewerber die richtigen Erwartungen in Bezug auf das, was in der Sternwarte geschieht, haben. Daran sollten wir alle interessiert sein, weil die Künstlerinnen und Künstler auch enttäuscht wären, wenn sie hierher kommen und es ganz anders ist, als sie sich das vorgestellt haben. Also, die richtigen Erwartungen zu haben und die richtigen Fragen zu stellen, das sind die Dinge, die wir bei der Bewertung der Einreichungen berücksichtigen sollten.

Chile_UmgebungLa Silla (Credit: ESO/José Francisco Salgado josefrancisco.org)

Wie wird der Arbeitsplatz der Künstlerinnen und Künstler während der Residency aussehen?

Fernando ComerĂłn: Wir wollen, dass die KĂĽnstlerinnen und KĂĽnstler von einem oder mehreren Astronomen durch die Sternwarte und durch die wichtigsten Orte unserer Zentrale begleitet werden. Sie sollen auch an Diskussionen und Kolloquien teilnehmen. Vor allem in den Sternwarten ist es wichtig den Ort zu fĂĽhlen. Es geht um mehr, als um die Zusammenarbeit mit den Astronomen. Es ist die Betrachtung des Ortes, um ein Feeling fĂĽr diesen Ort zu bekommen, an dem die Sternwarte ist – die groĂźen Teleskope, der extrem dunkle Himmel mit der glänzenden MilchstraĂźe und den Tausenden funkelnden Sternen. Ich denke, das an sich ist schon sehr inspirierend.

Bewerben auch Sie sich fĂĽr eine Residency bei der ESO:

https://ars.electronica.art/artandscience/de/open-call/

Die Einreichfrist endet am 9. Februar!

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