Animationsfilme mit Charakter

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Wenn sich jemand mit Charakteren in Animationsfilmen auskennt, dann ist das Rob O’Neill. Derzeit arbeitet er als „Character Technical Director Supervisor“ bei DreamWorks Animation, hatte bei bekannten Animationsfilmen wie “Shrek 4D”, “Shrek 2” oder “Madagascar” seine Finger im Spiel und ist heuer Teil der Jury beim Prix Ars Electronica 2015 in der Kategorie „Computer Animation / Film / VFX“. Aber was braucht eine animierte Figur, um beim Publikum gut anzukommen? Welche Trends zeichnen sich ab? Und was kann man tun, damit der eigene Animationsfilm von einem breiten Publikum gesehen wird? Rob O’Neill, auch Autor des Buches „Digital Character Development: Theory and Practice“, hat erste Antworten auf diese Fragen.

Nicht vergessen: Zum Prix Ars Electronica 2015 können die eigenen Medienkunstwerke nur noch bis 15. März 2015 eingereicht werden!

Was sind Ihrer Meinung nach die grundlegenden Elemente eines digital animierten Charakters?

Rob O’Neill: Die Grundelemente sind das Modell, die Gelenke und der Bewegungsapparat, die Verformungen, die ein Modell ausmachen, und die Instrumente, mit denen die FilmemacherInnen hantieren. Allerdings führt das alles in Summe nicht automatisch zu einem glaubwürdigen Charakter. Ohne einem gut designten Modell, das die künstlerische Vision verinnerlicht und die Hintergrundstory untermauert, die den FilmemacherInnen einen Kontext für die Story gibt, sind all diese technischen Details bedeutungslos. Es spielt keine Rolle, ob der Charakter eine grafisch stilisierte Zeichnung ist oder ein fotorealistisches digitales Double – überall gelten die gleichen Regeln. Die Figur muss überzeugend sein in ihrem Grundzustand und ihr Design muss einem entgegenspringen. Wenn dies gelingt, dann ist der Aufbauprozess viel leichter, um der Figur Leben einzuhauen und bessere Ergebnisse zu bekommen. Wenn dann der Charakter fertig gebaut ist, kommen die Animation und die Gestaltung der Oberflächen ins Spiel – all das belebt die Figur und macht den größten Faktor aus. Diese zwei Bereiche sind es, die das Design, das jede und jeder schon am Papier geliebt hat, aufgreifen und es dem Publikum vermitteln – in der Form eines Charakters, den sie anfeuern können, vor dem sie sich fürchten und sich gar in ihn verlieben können.

Wenn Sie auf die Entwicklungen im Bereich der Animationen der vergangenen Jahre blicken – sind im “Charakter Design” Trends zu erkennen?

Rob O’Neill: Ich glaube, wir sind immer noch in zwei Richtungen unterwegs: Realismus und Graphik. Es ist wahrscheinlich immer schon so gewesen. Da gibt es den Wunsch, etwas zu rekonstruieren, das wir bereits kennen, und da gibt es das Bestreben, zu versuchen, das Unbekannte aufgrund unserer Träume oder wie sich jemand fühlt neu zu erschaffen. Was die großen Hollywood-Streifen mit all ihren visuellen Effekten betrifft: Viele der Kreaturen sind sehr von Insekten inspiriert – mit einem komplizierten Äußeren und schwer lesbaren Gesichtern. Man könnte meinen, dass es genau das ist, warum sie uns bedrohlich und beängstigend vorkommen. Aber eigentlich können wir zu diesen Kreaturen sehr schwer eine Beziehung aufbauen und wir können sie in den Filmen sehr schnell verwerfen – und noch schlimmer, wir vergessen sie.

Ich wünsche mir eine Rückkehr zu unvergesslichen Kreaturen mit Eigenschaften, die die BetrachterInnen in den Bann ziehen, selbst wenn die Figur ein Bösewicht ist.

Von der gestalterischen Seite her betrachtet gibt es eine Rückkehr zu den Klassikern, wobei viele Produktionen auf Filme wie „Das Dschungelbuch“ zurückblicken, um sich von ihren starken grafischen Charakteren inspirieren zu lassen. DesignerInnen erinnern sich daran, dass die Silhouette der Schlüssel ist und ihre Designs werden immer mehr und mehr grafischer – in jeder ihrer Posen kann das Konzept der Arbeit gelesen werden. Dieser Designansatz lässt sich sehr gut bei Animationen fortsetzen.

Abgesehen von Animation und Visualisierung haben Sie auch Anthropologie und Archäologie studiert. Wie wichtig ist es für Kreative, die Animationen schaffen, sich auch interdisziplinär mit anderen Dingen zu beschäftigen?

Rob O’Neill: Ich denke, es ist überaus wichtig für KünstlerInnen, die mit Animation und visuellen Effekten zu tun haben, eine interdisziplinäre Perspektive zu verfolgen. In beiden dieser Bereiche kommt es darauf an, komplette Welten, Lebensräume und Lebewesen zu schaffen, die glaubwürdig und überzeugend erscheinen sollen. Das erfordert ein ständiges Beobachten der Welt rund um dich und die Fähigkeit, Details aufzugreifen, die andere für selbstverständlich betrachten. Und wenn es um Charaktere geht, dann sind die subtilsten Bewegungen und Details genau das, was das Publikum überzeugt, wenn ihnen eine Figur wie lebendig auf ihren Bildschirmen vorkommt.

Meiner Meinung nach ist es für KünstlerInnen wichtig, sich mit der menschlichen Evolution auseinanderzusetzen, um zu wissen, woher wir kommen und wie sich Werkzeugbau, Kunst und Kultur entwickelt haben.

Mein Hintergrund in Anthropologie und Archäologie hat mir ein tiefes Verständnis in der vergleichenden Anatomie gebracht und einen guten Bezugsrahmen für die Inspiration aus der materiellen Kultur auf der ganzen Welt. Diese Fundgruben an Wissen zu betreten, genau das hat mir eine wunderbare Grundlage für die Gestaltung meiner Filme gegeben.

Haben Sie einen Ratschlag an jene FilmemacherInnen, die sich ein herzeigbares Portfolio ihrer Animationen und Filme aufbauen möchten?

Rob O’Neill: Produzieren, produzieren, produzieren. Wir leben in einer Zeit, in der ein 10-Sekunden-Clip von Millionen Leuten gesehen werden kann und Menschen inspiriert. Wir müssen nicht auf Filmfestivals warten, die uns sagen, dass der Film es wert ist, angeschaut zu werden, wenn man eine große Zahl an Menschen über soziale Medien erreicht. Ich glaube, diese traditionellen Foren sind weiterhin hervorragend, für den eigenen Lebenslauf und um Kontakte für die weitere Arbeit zu knüpfen, aber man sollte nicht alles dafür auf eine Karte setzen und sich nur auf Festivals konzentrieren. Zusammenarbeit ist genauso ein wichtiger Punkt. Je mehr man mit anderen zusammenarbeiten und Fachkenntnisse untereinander austauschen kann, desto mehr wird man produzieren und desto mehr wird man lernen. Man muss nur auf andere schauen, wie sie arbeiten und ihre Filme herausbringen. Es ist eine gute Idee, eine Gruppe an gleichgesinnten FilmemacherInnen zu gründen, um Unterstützung zu bekommen, die eigene Arbeit zu promoten und die Ohren offen zu halten für neue Möglichkeiten. Ein anderer wesentlicher Faktor ist, das Wort zu ergreifen, sich die Fähigkeiten anzueignen, bildlich und fachlich über etwas reden zu können.

Deine Filme sind das Produkt deiner Marke – und alles, was du produzierst, sollte sich darauf beziehen.

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Rob O’Neill lebt und arbeitet in Los Angeles. Er ist Filmemacher, Designer und Programmierer, dessen Arbeiten auf Naturgeschichte und komplexen Systemen zurückgreifen. Rob ist derzeit „Character Technical Director“ bei DreamWorks Animation. Er ist ebenso Gründungspartner von Kickstand: Animation Research + Design. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Anthropologie am Brooklyn College der Universität New York, wo er auf Anatomie und biologische Anthropologie den Fokus gelegt hat. An der Parsons School of Design hat er sich im Bereich Design und Technologie auf Animation und Visualisierung spezialisiert. Beruflich war er anthropologischer Forscher am American Museum of Natural History, Character Technical Director bei PDI/Dreamworks mit den Filmen „Shrek 4D“, „Shrek 2“ und „Madagascar“, Character and Research Technical Director bei Charlex/Launch, Studio Technical Director bei Eyebeam und Direktor des “Digital Arts Research Laboratory” am Pratt-Institut. Er ist ebenso Autor des Buches “Digital Character Development: Theory and Practice”, das bei Morgan Kaufmann (Elsevier) herausgegeben wurde. Rob O’Neill hat darüber hinaus OpenPipeline entwickelt, ein weit verbreitetes Open-Source-Framework für die Animationsproduktion.

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