Dada-Performance und interaktive Stadt-Daten bei Sound:Frame 2015

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DeepCity_BenjaminSkalet_1000x500DeepCity (Credit: Benjamin Skalet)

Bei der großen Eröffnungsnacht des diesjährigen sound:frame Festivals im Wiener MAK hat das Ars Electronica Futurelab gleich mit mehreren interaktiven Glanzstücken Bühne, Boxen und Projektionswände gerockt. Publikumspartizipation, Performance-Einlagen und innovative Visualisierungen ökologischer Daten aus Linz, Wien, Berlin und New York standen dabei im Mittelpunkt.

Schnell füllten sich die ehrwürdigen Hallen des Museums für angewandte Kunst (MAK) am Wiener Stubenring, als es am Abend des 9. April endlich losging mit sound:frame 2015. Alljährlich finden sich tausende Tanzwütige, Elektro-Geeks und Freunde hochkarätiger DJ- und VJ-Kultur bei diesem international reputierlichen „Festival for Audiovisual Expressions“ zusammen. Umso schöner, dass das Ars Electronica Futurelab in diesem Jahr geladen wurde, die Eröffnungsnacht gleich mit mehreren interaktiven Beiträgen zu bespielen.

Heavy-Headed / Dada-Minded

SONY DSCBarbara Vuzem tanzt Kurt Schwitters Dada-Stück Ursonate vor einem interaktiven Buchstabengewirr, das sich aus Textnachrichten des Publikums zusammensetzte (Credit: Martina Mara)

Mit „Heavy-Headed / Dada-Minded“ machte ein Kollaborationsprojekt zwischen dem Ars Electronica Futurelab und dem Wiener Medienkünstler Klaus Obermaier den Anfang. Publikumsbeteiligung wurde bei diesem Performance-Experiment ganz groß geschrieben – und zwar wortwörtlich auf einer interaktiven Projektionsfläche, die BesucherInnen via Smartphone-App mit Textnachrichten füllen konnten. Knapp 250 Botschaften trudelten über die Dauer von 10 Minuten ein, wurden mittels eines Anagramm-Generators modifiziert und bildeten den stimmigen Hintergrund für eine spektakuläre Tanz-Einlage, in der Kurt Schwitters absurdes Lautgedicht Ursonate rezitiert wurde.

SONY DSCDie visuell modifizierten Videoportraits der Publikumsmitglieder erschienen im Rhythmus der Musik auf drei Projektionsflächen (Credit: Martina Mara)

Neben Textinhalten konnten Besucher bei „Heavy-Headed / Dada-Minded“ aber auch 3D-Portraits ihrer Köpfe beisteuern. Hierfür hat das Futurelab eine begehbare Box im MAK installiert, in der die Köpfe der TeilnehmerInnen mithilfe zweier Tiefenbildkameras eingescannt und an eine zentrale Datenbank geschickt wurden. Resultat war ein auf drei Wänden projizierter Zerrspiegel, in dem Publikumsmitglieder ihre eigenen Videoportraits – in allen Farben verfremdet und zum Takt der DJ-Bässe wummernd – in Großaufnahme wiederfinden konnten.

Weiter ging es mit der Präsentation dreier Projekte, die von den KünstlerInnen Anita Brunnauer, Dietmar Offenhuber und Ursula Feuersinger im Rahmen einer Residency am Ars Electronica Futurelab entwickelt wurden. Ziel ihres Aufenthalts am Futurelab war es, sich mit dem Jahresthema des EU-Netzwerks „Connecting Cities“ auseinanderzusetzen: „In/Visible City“ – Sichtbare und unsichtbare Stadtaspekte. Alle drei Künstler haben dabei interaktive Werke mit Visualisierungen für die LED-Fassade des Ars Electronica Centers entwickelt. Nachdem die Arbeiten am 4. April 2015 bereits vor Ort in Linz gezeigt wurden, haben die KünstlerInnen bei der Eröffnung des sound:frame Festivals audiovisuelle Projektdokumentationen präsentiert, die speziell für das Wiener Publikum um neue Live-Elemente erweitert wurden. Dabei sind drei sehr unterschiedliche künstlerische Positionen entstanden, die sich jedoch alle mit der gleichen Grundfrage auseinandersetzten: Wie ist es möglich, das Unsichtbare sichtbar zu machen?

Urban Entropy

UrbanEntropy_VeronikaPauserUrban Entropy (Credit: Veronika Pauser)

Bei Dietmar Offenhubers Arbeit standen dabei unhinterfragte Gewohnheiten und Handlungen von StadtbewohnerInnen im Mittelpunkt. Mit „Urban Entropy“ hat er sich daran gemacht, das alltägliche „Raunzen“ in der Stadt, also die Beschwerden einzelner BürgerInnen, visuell darzustellen. Er griff dafür auf die Datenbank der Online-Plattform „Schau auf Linz“ zurück, auf der LinzerInnen auf Missstände in der Stadt aufmerksam machen. Offenhuber brachte die Titel von Original-Beschwerden auf die Leinwand und gab den dazugehörigen Beschwerdetext gelichzeitig über Lautsprecher wieder. Gleichzeitig rief er auch das Wechselspiel zwischen gewachsener Stadtstruktur und ständiger urbaner Neugestaltung ins Gedächtnis, indem er den binären Code der „Schau auf Linz“-App visualisierte. Zu sehen war eine interaktive Reihe aus Nullen und Einsen, die sich ständig neu ordnet, in sich zusammenbricht, um sich danach von neuem zu formieren.

Deep City

deepcityDeep City (Credit: Veronika Pauser)

In ähnlicher Weise grub sich auch Ursula Feuersinger unter urbane Oberflächen. In ihrem Projekt „Deep City“ visualisierte sie den Stadtraum von Linz, Wien, Berlin und New York als eine Art geologischen Querschnitt, der sich aus einzelnen – ansonsten unsichtbaren – Datenschichten zusammensetzt. Ihre Datenschichten bestehen dabei aus digitalen Informationen zu sozial und ökologisch relevanten Stadtaspekten, beispielsweise dem Prozentsatz der als Radwege ausgebauten Straßen, dem Energie- und Wasserverbrauch oder dem Recyclingaufkommen einer Stadt. Zusätzlich zu ihren Visualisierungen realisierte Feuersinger einen interaktiven Terminal mit haptischen Bedienelementen. Durch Drehen einer Kurbel können interessierte BesucherInnen durch die unterschiedlichen Datenschichten blättern, durch Drehen eines Würfels von einer Stadtregion zur nächsten wechseln. Dem Publikum von sound:frame präsentierte Feuersinger Live Visuals mit Grafikelementen des „Deep City“-Interfaces sowie Doku-Videos der Linzer Projektvorstellung.

Blindage

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Blindage (Credit: sound:frame)

Anita Brunnauer, die dritte Connecting-Cities-Künstlerin, wurde danach noch mit ihrem Projekt „Blindage“ in Wien vorstellig. Sie thematisiert darin die Grenzen zwischen Mensch und Natur, Animalischem und Zivilisiertem sowie der Preisgabe und Verhüllung persönlicher Informationen. Visuell nutzt sie die Metapher der Maske, hinter der sich StadtbewohnerInnen in der Social-Media-Sphäre tagtäglich zu verstecken versuchen. In Linz zeigte Brunnauer dazu eine organisch-surreale Videoarbeit und setzte die Fassade des Ars Electronica Centers einer Maske gleich, indem sie unter anderem Mikroskop-Aufnahmen darstellte, die durch die niedrige Auflösung der Fassadenpixel total abstrahiert – und dadurch maskiert – wurden. Am sound:frame-Eröffnungsabend im MAK präsentierte sie eine neu kreierte, poetische Performance: Während die maskierten Protagonisten aus dem „Blindage“-Video live auf der Bühne auftraten, aggregierte Brunnauer organische Materialien wie Federn und Blätter auf einem Overheadprojektor und warf das Live-Bild ihrer Aktion auf die Decke des MAK.

Mehr Infos zu den drei Projekten und den Künstlern von Connecting Cities gibt es hier.

Ein Interview mit den drei Connecting-Cities-Artists gibt es hier.

„Heavy-Headed / Dada-Minded“ wurde durch Mittel des Wissenschaftsfonds FWF (PEEK_AR111) finanziert.

Connecting Cities wird durch das EU Programm Kultur gefördert.

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