SPARKS ist ein Projekt zur Bewusstseinsschaffung zum Thema Responsible Research und Innovation (RRI), das einen zentralen Stellenwert in der Forschungsförderung der EU einnimmt. Bei RRI handelt es sich um die Einbindung der Bedürfnisse und Fragen unterschiedlichster Stakeholdergruppen in den Forschungsprozess. Im Rahmen von Sparks wird es eine Wanderausstellung geben, die in allen EU Staaten und der Schweiz gezeigt und durch eine Reihe von Events wie Science Cafés, Hackatons und Science Shops aktiv vermittelt wird. Um den RRI-Gedanken greifbar zu machen, werden Fallbeispiele im Bereich neue Technologien in Medizin, Gesundheit und Wellbeing in den Vordergrund gestellt. Ein Teil der Ausstellung wird sich mit Zukunftsperspektiven in diesem wissenschaftlichen Feld beschäftigen, die durch visionäre Projekte von KünstlerInnen bespielt werden.
Das Ars Electronica Futurelab mit seinem Schwerpunkt des Experimentierens mit neuen Technologien und kollaborativen Arbeiten mit KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen hat dazu für drei Projekte die Möglichkeit einer Residency ausgeschrieben. Die KünstlerInnen werden in den nächsten Monaten gemeinsam mit dem Team des Ars Electronica Futurelabs und WissenschaftlerInnen aus der Medizin-, Gesundheits- und Technologieforschung an ihren Projekten arbeiten.
Der Erfolg der Ausschreibung für die Residency zu dieser Thematik https://ars.electronica.art/aeblog/2015/09/13/sparks/ zeigt sich in der enormen Resonanz und der unerwartet hohen Qualität der eingereichten Ideen. Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: 95 Einreichungen aus 28 Ländern innerhalb eines Monats.
Im Interview erzählt die damals zuständige SPARKS-Projektleiterin Dr. Claudia Schnugg von den Auswahlkriterien zur Residency beim Ars Electronica Futurelab im Rahmen des SPARKS Programms und welche KünstlerInnen sich mit ihren Einreichungen erfolgreich durchgesetzt haben.
Wer sind nun die GewinnerInnen der Residencies im Ars Electronica Futurelab?
Claudia Schnugg: In einem intensiven Auswahlprozess sind Anouk Wipprecht, Lucy McRae und Lea und Jakob Illera als GewinnerInnen des Sparks Calls hervorgegangen.
Credit: Jamming Bodies Laboratory by Lucy McRae
Die Auswahl war wegen der großen Bandbreite der eingereichten Projekte und der durchwegs hohen Qualität der inhaltlichen Umsetzung nicht leicht zu treffen, da die Resonanz auf die Ausschreibung enorm war. Wobei wir sehr positiv überrascht waren, wie viele der BewerberInnen sich schon mit dem Thema beschäftigt hatten oder schon lange an der Projektidee forschten. Es gab einige, denen der Medizin-Technologie-Gedanke oder der Gesundheits-ästhetische Gedanke schon im Vorfeld sehr wichtig war und die sich mit sehr komplexen Fragestellungen auseinandergesetzt haben. Darüber hinaus haben sich nicht nur KünstlerInnen aus dem Feld beworben, sondern auch einige, die schon gemeinsam mit ÄrztInnen oder WissenschaftlerInnen an einem relevanten Projekt arbeiten.
Credit: Courtesy of Jakob & Lea Illera
Was macht man denn als Jury, wenn einzelne Einreichungen qualitativ so dicht beieinander liegen, dass die Frage, wer reinkommt, nur noch ein Stechen ist?
Claudia Schnugg: Wir hatten dies einige Male, zum Beispiel im Fall „Wearables“. Da gab es drei oder vier Einreichungen in der engeren Auswahl, und jede einzelne war interessant und inhaltlich qualitativ hochwertig. In solchen Situationen haben wir uns stets mit unseren Konsortiumspartnern rückverständigt, um einen besseren Einblick zu bekommen, wie das Projekt in die gesamte Ausstellung passen wird, und auch die KünstlerInnen immer wieder bei Unklarheiten befragt. Diese Akribie war bei der hohen Qualität der Einreichungen enorm wichtig.
Anouk Wipprecht hat mit ihrer Einreichung in diesem Bereich durch die Kombination unterschiedlicher Faktoren bestochen. Einerseits beschäftigt sie sich mit den tragbaren Technologien auch aus einer Fashion und Accessoires Perspektive und nicht nur aus einem funktionalen Blickwinkel, und andererseits sind ihre Arbeiten inhaltlich schon lange um den Themenkomplex der zwischenmenschlichen Beziehungen, non-verbaler Kommunikation, persönlichem Freiraum und psychischen Druck aufgebaut. Das vorgeschlagene Projekt bezieht all diese Komponenten unter Verwendung neuer Technologien als Lösungsansatz in ein zentrales Forschungsgebiet um Kinder mit Autismus und Asperger Syndrom mit ein.
Darüber hinaus wollten wir eine möglichst große Bandbreite an Ansätzen ausstellen und haben versucht sowohl unterschiedliche Technologien als auch unterschiedliche medizinische und humanwissenschaftliche Fragestellungen einzubeziehen. Robotik, Nanotechnologie und ethische Fragen in den direkten Eingriff in das Nervensystem oder unsere Gedanken und Emotionen sind wichtige Forschungsfelder.
Credit: „Zuse“ courtesy of Jakob & Lea Illera
Lea und Jakob Illera greifen eine Projektidee auf, die eine Reihe von Fragestellungen aus diesen Bereichen vereint. Ihre künstlerische Vision sind Nanoroboter, die Körperfunktionen und Werte messen und direkt an das Nervensystem Informationen abgeben um diese im Notfall zu verbessern. Ein weiterer interessanter Aspekt dieser Arbeit ist, dass hier durch Miniaturisierung das Tragen von Messgeräten obsolet gemacht wird und direkt in die biologische Struktur des Menschen integrieren wird. Spannend sind auch die ethischen Diskussionen und der kritische Diskurs, der sich um derartige Technologien entwickelt hat. Die Diskussionen, die um ein solch imaginäres Gerät kreisen, sind stark ethisch geprägt, weil ein solcher Eingriff mit Persönlichkeitsmanipulation zu tun hat. Auch die Steigerung von Leistungsfähigkeit um jeden Preis gibt Grund zu Bedenken. Das Thema wird in sehr vielen Bereichen kontrovers diskutiert, man denke nur an Chips, mit denen man zum Beispiel Depressionen heilen kann.
Credit: „Evolution“ courtesy of Lucy McRae
In den Vorgaben zur Förderung wird bei SPARKS der Aspekt der „Irritation“ genannt. Inwieweit spielt Provokation eine Rolle bei den Auswahlkriterien?
Claudia Schnugg: Das zentrale Motiv einer Emotionalisierung durch die Beiträge ist natürlich auch ein Auswahlkriterium bei den Einreichungen. Auch hier haben wir drei völlig unterschiedliche Ansätze rausgepickt. Dies soll unter anderem auch durch die unterschiedliche Präsentationsweise der Projekte geschehen indem zB eines als zukünftiges imaginäres Produkt präsentiert wird, ein weiteres als open source verfügbares Hard- & Softwareprojekt. Das dritte Projekt wird dann die BesucherInnen durch eine starke Bildsprache beeindrucken.
Lucy McRae geht den Weg über eine Erzählung und zeigt eine ganz andere Perspektive, nämlich aus dem Blickwinkel eines/r Beobachters/in. Sie beschäftigt sich in ihrem Video mit Evolution des Menschen, der Vererbung und gleichzeitig der gezielten Veränderung und Entwicklung des Körpers durch menschliches Eingreifen und Technologien. Das Storyboard für das Video steht befindet sich gerade in Entwicklung, die ersten Drehorte stehen schon fest. Es wird aber auf jeden Fall eine „observational documentary“, dh. eine Dokumentation über ein wissenschaftliches Institut der Zukunft, wobei sie die Testperson spielt, die immer weiter optimiert wird. Die damit zentral verknüpfte Frage lautet: „Wo ist der Mensch, wo bleibt die Menschlichkeit?“
Credit: „Astronaut Aerobics Institute“ courtesy of Lucy McRae
Wie hat dieser intensive Auswahlprozess ausgesehen?
Claudia Schnugg: Wir haben eine Vor-Jury unabhängig voneinander gebildet, in der wir alle einzeln die Einreichungen im Detail gesichtet haben. Dann sind die Jurymitglieder gemeinsam im Detail die Ergebnisse der Vor-Jury durchgegangen und haben diejenigen in die Auswahl wieder aufgenommen, wo zuerst die Einzelpersonen der Vor-Jury Bedenken hatten, um diese noch einmal gemeinsam zu erörtern. Im nächsten Schritt wurden die Kuratorinnen der Konsortiumspartner des Science Museums London in den Entscheidungsprozess einbezogen um eine gemeinsame Shortlist der interessantesten Projekproposals zu erstellen. Da die Liste der interessanten Projekte noch immer sehr lang war, haben wir uns in Absprache mit dem Science Museum dazu entschieden jene Projekte, die schon fertig entwickelt waren und unter Umständen 1 zu 1 so in die Ausstellung übernommen werden können, direkt als mögliche Ausstellungsobjekte an die KuratorInnen des Science Museum weiterzuleiten. Wir haben diesen Schritt bewusst gemacht, da das Entwicklungs- und Reflexionspotential während der Residency und in Zusammenarbeit mit den WissenschaftlerInnen ein zentrales Entscheidungskriterium war.
Claudia Schnugg
Claudia Schnugg war zwischen 2013 und 2016 Senior Curator des Ars Electronica Residency Networks und verantwortete bis dahin in diesem Rahmen auch das Sparks Projekt, zu dem das Ars Electronica Futurelab im Rahmen der Residencies gemeinsam mit den KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen die künstlerischen Beiträge lieferte.