In einem ersten Blogpost haben uns Chris Bruckmayr und Andreas Jalsovec schon erklärt, was Spaxels eigentlich sind und welche Vorbereitungen dafür nötig sind, dass sie überhaupt abheben können bzw. dürfen. Im zweiten Teil des Gesprächs lassen die beiden die Entwicklung der Spaxels noch einmal Revue passieren und erzählen allerhand Geschichten von ihren Drohnen-Flügen rund um die Welt.
Credit: Christopher Sonnleitner
Als die Idee entstand, mit so vielen Drohnen gleichzeitig zu fliegen, meinten viele Leute, dass dieses Projekt zu ambitioniert wäre…
Chris Bruckmayr: Ja, viele dachten, dass man das funktechnisch nicht bewältigen kann.
Andreas Jalsovec: Aber nicht nur – wir hatten zum Beispiel auch noch gar keine Drohnen damals. Es wäre auch eigentlich viel mehr Zeit für die Entwicklung nötig gewesen. Unser Ansatz entstand aus der Erfahrung, die wir im VR-Bereich, im Virtual-Reality-Bereich, hatten. Florian Berger (Key Researcher und Artist beim Ars Electronica Futurelab, Anm.) schrieb die erste Version einer Steuerungssoftware – damals war das nichts anderes als sein eigenes VR-System. Durch die Arbeit an den 3D-Prozessen, die bei uns schon stattgefunden hatte, war es für uns der einzig gangbare Weg, diese Herangehensweise beizubehalten, aber auf dieselbe Art und Weise eben auch wirkliche Objekte zu animieren. Offenbar war das der richtige Ansatz – danach gab es eigentlich nur mehr das Problem, mit 50 Drohnen auf einmal zu kommunizieren und sie fliegen zu lassen. Mittlerweile gibt es ein ganzes Team um den Spaxels Entwicklungsleiter Martin Mörth, das nicht nur die Software zur Schwarmsteuerung – die sogenannte Ground-Control – komplett neu geschrieben hat, sondern diese auch laufend erweitern und mit neuen Funktionen zur Simulation und Analyse von Schwarmflügen versehen.
Chris Bruckmayr: Wir mussten natürlich auch an der Software der Drohnen Änderungen vornehmen. Man kann nicht einfach eine Drohne kaufen und sie dann im Schwarm fliegen lassen. Viele Drohnen lassen es nicht zu, dass man in ihr Steuer-Programm eingreift, in den sogenannten Autopiloten, der eigentlich die Drohne fliegen lässt. Die Drohnen der Firma Ascending Technologies aus Deutschland, für die wir uns letztendlich entschieden, waren Forschungsdrohnen. Sie waren die einzigen, die es uns erlaubten, den Code zu ergänzen.
Was genau musste letztendlich bei den Spaxels-Drohnen angepasst werden, um sie im Schwarm fliegen zu lassen?
Andreas Jalsovec: Abgesehen davon, dass wir mit ihnen über unsere Ground-Control kommunizieren wollten, haben wir ja noch LEDs mit an Bord, die angesteuert werden wollen. Die Drohnen von Ascending Technology haben zwei Prozessoren, einen High-Level-Prozessor, der uns die Kontrolle über das Fluggerät ermöglicht, und einen Low-Level-Prozessor. Letzterer sichert die stabile Fluglageregelung: Dieser Prozessor wurde von Ascending zum Teil auf unsere Anforderungen adaptiert, aber ansonsten haben wir nicht viel verändert. Der High Level Prozessor verarbeitet die Kommandos der Ground Control genauso wie die Lichtsteuerung und die Safety-Features, die im Laufe der Zeit und durch die Erfahrung, die wir gesammelt haben, zusätzlich eingebaut wurden. ,. Ein Prozessor ist also von uns programmiert, der zweite kümmert sich um die Fluglage der Drohne.
Die Entwicklung des LED-Moduls war eine ziemliche Herausforderung an Michael Platz, der dafür verantwortlich ist, dass man die Spaxels auch von weitem sehen kann und dass das Gewicht des Modules die maximale Payload des Hummingbirds von 200 Gramm nicht überschreitet. Man bekommt im Handel Drohnen mit ein paar Positionslichtern, aber das, was wir brauchten, war ja ein richtig starkes LED-Modul, das von einem halben Kilometer auch noch gesehen wird. Mittlerweile verwenden wir schon die dritte Version eines eigens entwickelten LED-Moduls. Dafür ließen wir eine eigene Platine produzieren und platzierten vier extrem starke LEDs darauf. Zusätzlich bauten wir eine eigene 3D-Druck-Plattform, damit die Drohne in etwa ihre Struktur beibehält und die Regeln der Aerodynamik nicht verletzt werden.
Credit: Vanessa Graf
Woher kommt das ganze technische Know-How, das für solche Tüfteleien nötig ist?
Andreas Jalsovec: Eigentlich hatten wir alle keine Ahnung, keiner von uns hatte irgendeine Modellflug-Erfahrung oder Ähnliches. Wir mussten zuerst einmal ein Gefühl für die Drohnen bekommen.
Chris Bruckmayr: Ich glaube, das war einfach der richtige Ansatz – wir hatten dadurch nämlich überhaupt keine Ehrfurcht vor den Drohnen. Sie sollten einfach das tun, was wir von ihnen wollten.
Andreas Jalsovec: Mittlerweile wissen wir natürlich schon sehr viel mehr über Drohnen und wundern uns rückblickend schon, wie selbstverständlich die Show überhaupt gelaufen ist.
Diese erste Show fand ja 2012 bei der Klangwolke in Linz statt, mit 50 Drohnen.
Chris Bruckmayr: Das war damals schon ein Weltrekord, nur haben wir ihn aus Kostengründen nicht bei Guinness angemeldet.
Bis es dann zu dem Weltrekord kam, wurden aber noch viele Shows geflogen?
Chris Bruckmayr: Ja, wir flogen viele Shows dazwischen – wir waren in London und flogen das Star Trek Logo, eröffneten die Kulturhauptstadt in Schweden, danach die islamische Kulturhauptstadt-Eröffnung in Schardscha, wir waren in Dubai zum Nationalfeiertag der Vereinigten Arabischen Emirate, wir waren in Hannover für den Tag der Deutschen Einheit…
Seit der Klangwolke damals sind die Spaxels sehr kommerziell geworden, man hat begonnen, uns für die Flüge zu buchen. Der 100-Drohnen-Flug für Intel™ im November 2015 war dann der Höhepunkt dieser Entwicklung. Wir besaßen zum Zeitpunkt dieser Anfrage 70 Drohnen, Intel wollte 110 haben – 100 in der Luft und zehn in Reserve. Das war der größte kommerzielle Auftrag, den wir im Drohnen-Bereich bislang gemacht haben.
Wenn man einen Auftrag für eine Show bekommt, wie sehen dann die folgenden Schritte aus? Was muss passieren, damit es zu einer Show kommt?
Chris Bruckmayr: Unabhängig von den Bewilligungen, die man immer einholen muss, ist die nächste Frage immer: Wo genau kann man die Drohnen starten und landen lassen? Wie groß wird die Flugzone sein? Wie weit breiten wir uns zum Beispiel über der Donau aus, was ist zulässig als Sicherheitszone? Wo wird das Publikum stehen und wie schaffen wir Objekte, die auch erkennbar sind? Dann folgt ein aufwändiger logistischer Prozess, denn wir müssen natürlich immer ein Flugfeld aufbauen. Wir brauchen Container, in denen wir die Drohnen verwahren können, wir müssen Antennen aufstellen, wir müssen das Gebiet sichern, es sperren, wir müssen alle Drohnen platzieren, und jede Drohne einzeln testen. Vom Aufbau des Flugfeldes bis zur eigentlichen Show sind es meistens einige Tage.
Worin liegen die Schwierigkeiten an den unterschiedlichen Locations?
Andreas Jalsovec: In Sydney flogen wir zum Beispiel von zwei Barges los – das sind, einfach gesagt, schwimmende Plattformen ohne eigenen Antrieb. Wir bekamen die zwei größten Barges, die es an der Ostküste von Australien gerade gab. Bevor wir uns für die Show vorbereiten, gibt es immer ein sogenanntes Recce – das ist eine Art Lokalaugenschein, bei dem wir mit einer oder zwei Drohnen einen Testflug vor Ort machen. In Sydney wurde für das Recce eine Barge extra so positioniert, wie es auch beim Auftritt sein würde – sie wurde an die Stelle versetzt, verankert, und wir konnten ganz einfach sehen, ob eine Show dort überhaupt möglich war. Nach dem Recce reisten wir wieder nach Linz, nahmen die Aufzeichnungen vom Testflug mit und besprachen, wie die Show funktionieren könnte. Nachdem wir 100 Drohnen haben, hätten wir noch eine zweite Barge für den Auftritt bekommen. Die blieb aber in einem Sturm an der Ostküste stecken und uns wurde eine Ersatz-Barge zur Verfügung gestellt. Die war zwar länger, dafür aber schmäler und mit einigen Hindernissen am Flugfeld. Wir hatten also auf einmal ein komplett anderes Flugfeld als das, das wir geplant hatten. Durch den Sturm verloren wir einen Tag unserer Probezeit und unser Aifield sah anders aus als angenommen. Wir mussten uns noch einmal mit dieser neuen Barge auseinandersetzen, es gab statt fünf nur mehr drei Reihen an Drohnen, die dafür viel länger waren. Das verkomplizierte den Anflug genauso wie das Landen. Außerdem mussten wir die Hindernisse an Deck vor den Drohnen schützen und umgekehrt – wir legten schließlich Netze darüber, damit die Drohnen nicht gleich zerstört werden, falls sie beim Starten oder Landen ausreißen und dagegen fliegen würden.
Chris Bruckmayr: Es kann auch manchmal sein, dass du zu einer Location kommst so wie in Dubai und eigentlich abgemacht war, dass die große Straße direkt neben dem Areal gesperrt wird, darauf aber schließlich vergessen wurde. Das ist aber nicht erlaubt, man kann nicht über eine dreispurige Autobahn hinweg fliegen. Dann muss man es kurzfristig schaffen, die Straße doch noch für die zehn Minuten der Show zu sperren. Es gibt viele Probleme – man kommt an die Location und das Equipment ist noch nicht dort, es kommt erst einen Tag später. Oft haben wir Platzprobleme, oder wir klären alles beim Recce und kommen danach zur Location und finden plötzlich Hindernisse im Feld, einen Lautsprecherturm mitten im Areal zum Beispiel.
Andreas Jalsovec: Wir haben aber diese Planungs- bzw. Animationssoftware mittlerweile so im Griff, dass wir auf solche Änderungen auch eingehen können. Wenn alles manuell wäre, dann würden wir das in so kurzer Zeit auch nicht mehr anpassen können.
Chris Bruckmayr: In Schardscha wollte einmal plötzlich ein Bulldozer über unser Flugfeld fahren, weil das für ihn eine Abkürzung gewesen wäre. Es können wirklich die bizarrsten Dinge passieren. So eine Flugshow ist sehr sensibel, es muss wirklich ganz genau ausgemacht sein, wie viel Platz wir brauchen und welcher Bereich gesperrt werden muss. Das läuft selten konfliktfrei ab, man muss immer wieder damit rechnen, dass jemand einen anderen Plan entwickelt, während man selbst gerade nicht vor Ort ist.
Credit: Vanessa Graf
Wie lange dauert das Designen selbst?
Chris Bruckmayr: Der ganze Prozess zwischen dem Showdesign und der Überführung in die Wegpunkte, was die Drohnen effektiv fliegen sollen, dauert schon minimal vier Wochen.
Andreas Jalsovec: Meistens hat man viel zu wenig Zeit dafür. Der Design-Prozess selbst ist immer ganz unterschiedlich – in Bergen hatten wir zum Beispiel den Luxus, dass der Direktor der Show vorher bei einem unserer Auftritte war. Er sah unsere Drohnen und war begeistert – damals hatten wir uns dann schon ausgemacht, dass er mit einem eigenen Musiker kommen wird, der die ganze Eröffnungsveranstaltung für Bergen komponiert und sich auch einmal ansieht, was wir können. Wir konnten mit dem Musiker diskutieren und genau sagen, was wir wollten – tragende Stücke, schnelle Stücke, Wechsel, wo wir die Übergänge fliegen können. Der Musiker sah auch Videos und Aufnahmen davon, wie wir animieren und wie schnell sich die Drohnen bewegen. So lässt es sich dann natürlich toll arbeiten.
Chris Bruckmayr: Der Kunde ist aber nicht immer dein Freund, er hat sein eigenes Timing, kommt vielleicht kurzfristig mit der Musik oder will noch etwas ändern. Das ist das Schwierige am Showbusiness – man hat nie den Luxus, schon drei Monate vorher zu wissen, mit welchem Musikstück man arbeiten wird. Es ist oft alles sehr kurzfristig, das macht das Ganze schwierig.
Andreas Jalsovec: In Schardscha war es so, dass wir die Drohnen zu einer Inszenierung auf einer Bühne flogen. Es war eine Oper von fast zwei Stunden, wir kamen in drei Szenen vor. Die ersten beiden waren vorgegeben, die dritte hat uns der Direktor damals komplett überlassen. Das ist natürlich dann toll, wenn man eigentlich nur die Musik hat, die Bühnenshow ist ungefähr skizziert, und dann darf man sich austoben. Sobald man diesen Freiraum hat, ist es das Größte. Andererseits, je mehr Freiraum man hat, desto schwieriger ist es natürlich auch – da sind einfach die Erwartungen sich selbst gegenüber entsprechend höher.
Es ist ein kreativer Prozess. Intel zum Beispiel wollte erst nur ihre Hymne und das Logo fliegen, das war dann aber viel zu kurz. Wir brauchten vorneweg noch ein Musikstück, das das Ganze einleitete – das haben wir dann selbst erstellt. Beim Design ging es mir damals vor allem um Dreidimensionalität.
Credit: Christopher Sonnleitner
Beim Ars Electronica Festival 2016 in Linz werden die hundert Drohnen zum ersten Mal in Europa abheben. Was kann man jetzt schon über die Show in Linz sagen?
Chris Bruckmayr: Wir haben mittlerweile eine eigene Art von Flug- oder Bildsprache entwickelt. Es gibt vielfältige, tolle Showelemente und die werden wir wohl zeigen. Wir werden zaubern.
Andreas Jalsovec: Unser großes Problem in Linz ist, dass wir einen sehr langen Anflug haben und ein langes Heimfliegen. Wir müssen also zusehen, dass wir einerseits im rechtlichen und andererseits auch im zeitlichen Rahmen bleiben. Der Sound wird von Sam Auinger kommen, wir kennen die Musik aber bis jetzt noch nicht. Ich denke, sobald das Musikstück da ist, werden sich bei uns auch die ersten Bilder formen. Wir werfen dann einmal unsere Ideen in die Waagschale und sehen weiter. Es gibt nicht irgendein Symbol oder ein Motiv, das wir unbedingt für Linz verwenden müssen – das gibt uns kreative Freiheit, ist gleichzeitig aber auch eine Herausforderung.
Chris Bruckmayr: Man kann auch sagen, dass die Show in Linz viel mit der Donau zu tun haben wird – wenn wir über Wasser fliegen, denken wir natürlich auch immer ein bisschen anders. Es beeinflusst natürlich das Show-Design, wenn man über einer offenen Wasserfläche fliegt. Es gibt keine architektonischen Meilensteine hinter der Show, nicht wie in Dubai zum Beispiel, wo man vor dem 7-Stern-Luxushotel fliegt, das in der ganzen Welt bekannt ist, oder vor der Oper in Sydney, die auch jeder kennt. Wir arbeiten in Linz auch mit der Tatsache, dass wir in der Dämmerung über der Donau fliegen. Das wird eine wunderschöne Situation, wenn sich der Drohnenschwarm in der Donau spiegelt.
Was in Linz tatsächlich im Himmel gezeigt wird, kann man vor Beginn der Klangwolke „Fluss des Wissens“ am 10. September 2016 bestaunen. Wer nach der Europapremiere Lust auf mehr bekommen hat, sollte das Drohnenlab in der POSTCITY beim Ars Electronica Festival 2016 besuchen – von 8. Bis 12. September 2016 wird hier in Exponaten, Präsentationen und Vorführungen gezeigt, was Drohnen alles können.