Jasia Reichardt ist Visionary Pioneer of Media Arts 2016 und wurde beim Prix Ars Electronica mit einer Goldenen Nica ausgezeichnet. Credit: Florian Voggeneder
Seit 1987 – seit mittlerweile 30 Jahren – begibt sich der Prix Ars Electronica jedes Jahr aufs Neue mit einer stets wechselnden internationalen Jury auf die Suche nach den besten Medienkunstwerken von Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt. 2017 stehen den TeilnehmerInnen vier Kategorien offen (Computer Animation/Film/VFX, Digital Musics & Sound Art, Hybrid Art und u19 – CREATE YOUR WORLD), in denen jeweils eine Goldene Nica und Preisgelder bis zu je 10.000 Euro verliehen werden.
Das Jahr 2016 brach den Rekord der Einreichungen mit über 3.000 Beiträgen, 1987 startete der Prix Ars Electronica noch mit etwas mehr als 700 Einreichungen. Ohne Zweifel hat sich seitdem in den Bereichen Kunst, Technologie und Gesellschaft einiges geändert. Medienkunst in den 1980ern war ein Feld, das damals primär von Männern besetzt war – und das lässt sich sogar von den Einreichungen aus dieser Zeit ablesen. In 30 Jahren hat sich zwar auch hier etwas verändert, doch bei weitem sind die Frauen in der Medienkunst leider immer noch in der Minderheit.
Mehr als die Hälfte der Einreichungen im Jahr 2016 kamen von Männern, weniger als ein Viertel von Frauen – die restlichen Einreichungen verteilten sich auf Organisationen und Gruppen, die aus Frauen und/oder Männern bestanden. Wir haben uns mit Gerfried Stocker, dem künstlerischen Geschäftsführer der Ars Electronica, und dem Team des Prix Ars Electronica, Emiko Ogawa und Christl Baur, getroffen, um gemeinsam einen Blick auf die historische Entwicklung dieses Wettbewerbs zu werfen.
Wenn wir uns die Geschichte des seit 30 Jahren bestehenden Prix Ars Electronica ansehen, so fällt auf, dass weit mehr Männer eine Goldene Nica gewonnen haben als Frauen…
Gerfried Stocker: Ja, das ist eine Tatsache, die nicht zurückgewiesen werden kann, und es ist ungemein wichtig, sich dieser Thematik anzunehmen. Das ist aber keineswegs das Ergebnis mangelnder Aufmerksamkeit seitens der Ars Electronica. Diese Verteilung spiegelt letztlich den allgemeinen und sehr unbefriedigenden Zustand wider, dass Frauen in den Bereichen Kunst und Technologie wesentlich geringer präsent waren.
In einem Statement haben Sie bereits einige Maßnahmen der Ars Electronica der vergangenen Jahre aufgelistet, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Wie sieht dies beim Prix Ars Electronica aus?
Gerfried Stocker: Wer als Gewinnerin oder Gewinner einer Goldenen Nica ausgewählt wird, diese Entscheidung treffen die Jurys der jeweiligen Kategorie. Worauf wir als Ars Electronica Einfluss haben ist die Zusammensetzung der Jurys, die wir jedes Jahr neu festlegen. Im Jahr 2004 haben Christine Schöpf und ich diese organisatorische Verantwortung des Prix Ars Electronica übernommen und seitdem bemühen wir uns um eine Ausgewogenheit von Frauen und Männern in den Jurys. Im vergangenen Jahr waren mehr als die Hälfte der JurymitgliederInnen Frauen.
Sehen wir uns die Entwicklung doch in Zahlen an…
Christl Baur: Die Infografiken, die wir hierfür zusammengestellt haben, basieren auf den Daten der vergangenen 30 Jahre des Prix Ars Electronica – dies schließt alle eingereichten Projekte und Jurys mit ein. Wir haben die Daten in weibliche und männliche TeilnehmerInnen unterteilt, sowie in Organisationen bzw. KünstlerInnengruppen, die sowohl aus einzelnen oder mehreren Frauen als auch Männern bestehen.
In dieser Grafik ist schön sichtbar, welche Entwicklung die Prix-Jurys über die Jahrzehnte durchgemacht haben – von einem weiblichen Jurymitglied 1987 bis hin zu einer ausgeglichenen Jury 2016. In den vergangenen 30 Jahren des Prix Ars Electronica hat sich auch immer wieder die Zahl an Kategorien geändert – und damit auch die Zahl an möglichen Goldenen Nicas. Das Geschlechterverhältnis der Jurys hat sich zwar in dieser Zeit deutlich verbessert, die Verteilung von Frauen und Männern bei den PreisträgerInnen ist aber leider noch weit davon entfernt, ausgeglichen zu sein. Darum möchten wir Künstlerinnen ermutigen, verstärkt ihre Arbeiten einzureichen!
Gerfried Stocker: Natürlich ist die Besetzung der Jurys nur ein Schritt in die richtige Richtung und ich weiß, dass hier noch mehr getan werden muss. In anderen Wettbewerben und Artist-in-Residence-Programmen, die von uns organisiert werden und in denen es auch eigene Jurys gibt, zeigt dies bereits Wirkung.
So ging der im Jahr 2016 neu geschaffene STARTS Prize der Europäischen Kommission an Iris van Herpen sowie an „Artificial Skins and Bones“, ein Gemeinschaftsprojekt, das von zwei Personen initiiert wurde, zu denen Prof. Mika Satomi zählt und mehr als die Hälfte der daran beteiligten Personen Frauen sind.
Die Jurys des „European Digital Art and Science Network“, das wir gemeinsam mit den Partnern CERN, ESO und ESA ausgerichtet haben, haben sich für die Künstlerin Maria Ignacia Edwards, das KünstlerInnenduo Ruth Jarman und Joe Gerhardt und das KünstlerInnenkollektiv Jan Bernstein, Juliane Götz und Sebastian Neitsch entschieden. Sie konnten die wissenschaftlichen Institutionen vor Ort besuchen und daraus Inspiration für ihre eigene künstlerische Arbeit schöpfen. 2017 wird die ESA der Künstlerin Aoife Van Linden Tol eine Residency sowie eine Zusammenarbeit mit der Künstlerin Sarah Petkus ermöglichen.
Zurück zum Prix Ars Electronica, wie sieht es hier mit der Entwicklung der Einreichungen und GewinnerInnen von Frauen und Männern seit 1987 aus?
Emiko Ogawa: Es gibt immer noch weit weniger Preisträgerinnen als Preisträger. Nachdem ich mir die Statistiken jedoch angesehen habe, möchte ich alle Medienkünstlerinnen ermutigen, zum Prix Ars Electronica einzureichen, denn Einreicherinnen fehlten hier entscheidend!
Wenn wir uns das Geschlechterverhältnis bei den Einreichungen ansehen, gab es doppelt so viele männliche Einreicher (im Jahr 2015 hatten wir fast drei Mal so viel). Natürlich stieg die Beteiligung von Medienkünstlerinnen, die eingereicht oder gewonnen haben, von Jahr zu Jahr, ebenso die Zahl der Gruppeneinreichungen. Ich denke aber, sobald es mehr Frauen gibt, die zum Prix Ars Electronica einreichen, wird es auch mehr Frauen geben, die einen Preis gewinnen können.
In diesem Jahr wird sich unser Team verstärkt auf die Suche nach Projekten von Medienkünstlerinnen machen. Außerdem möchte ich die Öffentlichkeit bitten, ihr Wissen mit uns zu teilen. Wir haben dazu die Möglichkeit geschaffen, „öffentliche Nominierungen“ über prix.aec.at/nomination zu sammeln. Wenn jemand spannende Projekte kennt, von denen wir vielleicht noch nichts wissen, dann bitte unbedingt dieses Formular ausfüllen und wir werden mit den Künstlerinnen Kontakt aufnehmen und nachfragen, ob sie beim Prix Ars Electronica teilnehmen möchten.
Und das bezieht sich nicht nur auf Medienkünstlerinnen, es geht uns dabei auch um eine räumliche Erweiterung des Wettbewerbs. Wir hoffen auch mehr KünstlerInnen aus Afrika, aus Nahost und Süd(ost)asien zu ermutigen, beim Prix Ars Electronica teilzunehmen. Schon ein Blick auf unsere Prix-Karte der bisherigen PreisträgerInnen zeigt, dass es auch aus bestimmten Regionen weniger GewinnerInnen gab.
Gerfried Stocker: Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg, aber das ist natürlich noch lange kein Grund, sich nicht noch mehr dafür einzusetzen. Wir haben vor einem Jahr das Projekt „Women in Media Arts“ gestartet und im September 2016 eine Datenbank online gestellt, die Informationen über sämtliche weibliche Medienkünstlerinnen, die für die Programme der Ars Electronica ausgezeichnet oder ausgewählt wurden, präsentiert.
Mit mehr als 1.800 Einträgen ist sie soweit wir wissen eine der größten Verzeichnisse weiblicher Medienkünstlerinnen. Wir hoffen, dass dies auch als sehr nützliche und wertvolle Informationsquelle von anderen KuratorInnen und FestivalproduzentInnen genutzt wird. Im nächsten Schritt werden wir die Datenbank erweitern – Künstlerinnen können sich demnächst auch selbst eintragen und ihre Informationen ergänzen. Darüber hinaus werden wir mit anderen und bereits bestehenden Initiativen zusammenarbeiten.
Sind Sie Medienkünstlerin oder kennen Sie andere Medienkünstlerinnen? Reichen Sie beim Prix Ars Electronica 2017 ein, empfehlen Sie uns weiter oder geben Sie uns einen Tipp auf prix.aec.at/nomination. Eine Teilnahme ist kostenlos und bis zum 13. März 2017 möglich. Alle Informationen dazu finden Sie auf ars.electronica.art/prix.