Rachel Hanlon’s Interesse an Popkultur, Film, Musik und Autobiografien fügt ihrer Arbeit tiefergreifende Schichten an Referenzen hinzu, die eine Annäherung an Media als zentrales Thema haben. Hanlons’s gegenwärtige Forschung bildet einen Teil ihrer Doktorarbeit, mit der sie per Forschungs-Lehrauftrag an der Deakan Universität in Australien ausgezeichnet wurde. Hello Machine ist eine Installation, die am Ars Electronica Festival in Linz, in der Science Gallery in Dublin und im Zuge der Volkswagen Drive Exhibition gezeigt wird und am Ars Electronica Futurelab mittels alter oder ausrangierter Telefonen der Hanlonschen Sammlung zur Vollendung gebracht wurde. Sie bezieht sich auf die spielerischen Momente, die Menschen mit Maschinen teilen, und bringt die AusstellungsbesucherInnen auf einen Weg, auf dem sie mit re-animierten, aussortierten Telefonsystemen mittels modernster Telefontechnologie interagieren. Wer mit einer Hello Machine telefoniert, weiß nicht ob er oder sie mit einer Maschine oder einem Menschen verbunden ist.
Ein ausrangiertes Münztelefon der Österreichischen Post AG wartet im Eingangsbereich der Post-City auf neugierige Menschen, die mir jemandem oder etwas sprechen wollen. Credit: Tom Mesic
Wie hast Du die Idee zu einer Installation entwickelt, die uns unter Einsatz veralteter Technologie-Gegenstände daran erinnert, was ihre sentimentale Bedeutung außerhalb ihrer Funktion ist?
Rachel Hanlon: Die Anziehungskraft alter Objekte, derer Menschen die sie in Gebrauch hatten und die autobiografische Erzählung die damit einhergeht, führt mich ständig zu Fragestellungen welche Elemente ins Spiel kommen, während wir herausfinden, warum uns bestimmte Dinge von Wert sind. Was ich an ihnen mag, ist dass sie eine Lebensgeschichte, die mit ihnen verknüpft ist, erzählen. Ihre Hüllen werden durch jedes einzelne Angreifen abgenutzter. Junichiro Tanizaki (In Praise of Shadows 1977) bringt es auf den Punkt, indem er feststellt, dass Objekte, die von der Benutzung verschlissen sind, „uns an ihre Geschichte, die sie zu dem werden ließen was sie sind, erinnern.“ Durch meine Methode des Hinterfragens was sie ausmacht, fing ich an mir Gedanken zu machen, in welcher Art alte Objekte zu metaphorischen Bausteine unserer gespeicherten Emotionen und Ausdrucksformen werden. Für „uns“ als Generationen, die nach der industriellen Revolution auf die Welt kamen, hat Technologie eine integrale Rolle in unserer Leben gespielt, im Sinne faszinierender Objekte, auf die wir uns verlassen konnten. Aus dieser Tatsache heraus, hat sich die Neugierde entwickelt herausfinden zu wollen, was uns diese Objekte bedeuten um zukünftigen Generationen einen Einblick zu verschaffen was die Bedeutung ausmacht. Umgekehrt verhilft uns diese Fähigkeit zu einem besseren Verständnis darüber, warum wir uns gerade von zukünftigen Technologien so angezogen fühlen.
“Abgelegte Objekte beinhalten eine autobiografische Vergangenheit innerhalb einer von uns geteilten Vergangenheit.” (Rachel Hanlon, Researcher&Artist at Ars Electronica Futurelab)
Vor mehr als 50 Jahren stellte man sich die Person am anderen Ende als fesche Operator-Dame vor. Die Vorstellung von einem Menschen, der einen verbindet um telefonieren zu können hat in der heutigen Zeit ausgedient. Credit: envisioningtheamericandream.com provided by Rachel Hanlon
In diesem Zusammenhang gibt es die Vorstellung einer objektbezogenen Selbst-Identifikation, oder?
Rachel Hanlon: Die Forschung rund um das Thema der Dinghaftigkeit von Dingen bezieht sich auf Martin Heidegger’s Vorstellung von Dinghaftigkeit, die zustande kommt wenn ein Objekt im Entstehen begriffen ist, ein bestimmter Weg des „Seins“ in der Welt ist zu einem bestimmenden Faktor innerhalb meiner Methode geworden. Dies hat mich dazu veranlasst rausfinden zu wollen wie das Veralten eines technologischen Gerätes (eines Objekts) eine Präsenz und Kraft entwickeln kann, um den Betrachtenden einzufangen und wie dies in einen Dialog zwischen Vorstellung und Bedeutungen übertragen werden kann, was die Dinghaftigkeit dieser Objekte ausmacht. Bruno Latour sagt, dass Dinge ohne das Ausgefüllt-sein mit menschlicher Präsenz nicht existieren. Veraltete technische Geräte oder Geräte die dabei sind zu veralten entbehren für die meisten von uns die Präsenz von Menschen, weggeworfen und staubig in der Abwesenheit ihrer fristen sie ein Dasein. Ich hoffe dass ich durch die Arbeit mit veralteten Technologien alle Schichten zeigen und herausstellen kann, indem ich ihren geschichtlichen und sozialen Inhalte, die wichtige Spuren unserer Vergangenheit transportieren zum Vorschein bringe.
Warum hast Du ausgerechnet ein Telefon als bevorzugte technische Errungenschaft herausgesucht? Es wird ja immer noch benutzt, obwohl es vom Smartphone längst besiegt wurde.
Rachel Hanlon: Mein ursprüngliches Interesse unser Verhältnis zu Telefonen zu untersuchen, wurde von einem blauen Münztelefon, das in einem Australischen Krankenhaus zu finden ist, ausgelöst. Ich sah es jeden Tag beim Kommen und Verlassen des Spitals während des Monats, den mein Vater dort verbrachte. Dieses Telefon, das sich in die Menge der unbenutzten Maschinen nahtlos einreiht, die in den Korridoren herumstehen. Es geriet erst in mein Bewusstsein als ich ein Schild las, das daneben hing, wo drauf stand „Seit 2009 außer Betrieb“. Der Kommentar hat mich nicht nur belustigst, er hat mich dazu gebracht darüber nachzudenken warum er mir nicht ins Auge fiel bevor ich die lustige Anekdote zu seinem Untergang erblickte…. Was hat mich dazu veranlasst dieses Objekt als „Ding“ zu sehen? Es war einfach der Umstand, dass etwas mein Bewusstsein durchbrochen hat, das mein Schwelgen über den eigenen Telefongebrauch in Gang gesetzt hat, und damit auch über Münztelefone.
In einem australischen Krankenhaus kam mit einem ausrangierten Münztelefon die Idee zu „Hello Machine“. Credit: Rachel Hanlon
Die Telefonhäuschen haben Zeit ihrer Existenz eine Entwicklung durchgemacht und heutzutage stehen sie alleine rum, ungebraucht und unbemerkt. Vorbei sind die Zeiten der Schlange Wartender, diese Szenerie eröffnet sich jungen Leuten heute nur noch in Filmen. Als Teil meiner fortdauernden Untersuchungen, habe ich ausrangierte Münztelefone unterschiedlicher Länder auf Unterschieden und Gemeinsamkeiten hin gesammelt. Dies hat mich ebenfalls mit einer Menge Menschen bekannt gemacht, die über diesen Weg ihre Geschichten zum Gebrauch der Gegenstände mit mir geteilt haben.
Und wie schlägst Du die Brücke ausgehend von der Nostalgie hin zur Gegenwart in Deiner Hello Machine-Installation?
Rachel Hanlon: Momentan bin ich vor allem an der Art von Dingen interessiert, die darüber Auskunft geben, wer wir zu einer bestimmten Zeit sind. Wie können Vorstellungen von Nostalgie, kollektives Erinnern und künstlerische Spekulation verstanden werden, wenn man sich die vorangehende Funktionalität von Objekten und eine künstlerische Veränderung miteinbezieht. In diesem Projekt, war das Untersuchen einer Objekthaftigkeit des Telefons oder Münztelefons meine Absicht, deshalb musste ich es mit meinen persönlichen als auch den kollektiven Erfahrungen koppeln, die mit dem Gebrauch anderer, nicht nur meinen eigenen, einhergehen. Ich sehe das Telefon in der Form einer kulturellen und funktionellen Hybridität, denn es „lebt“ sowohl als funktionell technologisches Objekt, aber auch als ein kulturelles Objekt, dadurch dass es in Erzählsträngen von Filmen eine Rolle spielt und seinen Einfluss auf unsere kommunale Kommunikation in der Gestalt einer Gesellschaft ausübt.
Hello Machine auf bildhafte Weise erklärt! Credit: Rachel Hanlon
Wenn Technologien obsolet werden, dann ändert sich unser Verhältnis zu ihnen, aber was sich niemals ändert, ist unser Verlangen andere zu erreichen, sich zu verbinden und zu teilen. Aber was passiert wenn sich auf der anderen Seite niemand meldet? Wer wird uns zuhören? Künstliche Intelligenz garantiert dass es immer jemanden oder etwas gibt! Ein wahres Gesprächsrennen liegt in der Luft. Zuerst gab es interaktive Antwort-Systeme, diese modernen Stimmen, die immer ein Lächeln transportieren verändern die Art wie wir unser Telefon benutzen. Siri, Alexa, Bixby, Cortana und Google Assistant (oder sollen wir sie Gabby nennen?) bitten alle um unsere Aufmerksamkeit. Aber zu was wird unser Extra-Helfer/-innen Verhältnis erwachsen? Wird sich mit den zukünftigen Entwicklungen in Künstlicher Intelligenz und die Möglichkeiten des Maschinenlernens eine Version von Samantha in Her (2013), oder von HAL 9000 aus A Space Odyssey (1968) entstehen? Einige der hellsten Köpfe im Hier und Jetzt verbinden sich um eine Möglichkeit der Entwicklung eines möglichen Skynet (Terminator Franchise) zu beschränken. Während wir heute auf die Geschichte der Zukunft warten, haben wir Spaß mit unseren Siris, die uns auf lustige und manchmal tollpatschige Art helfen. Am Ende werden sie vielleicht wie Deep Thought in The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy (1979) sein und uns die wichtigsten aller Antworten geben. Eine Hello Machine, wo kein Mensch am Ende der Leitung anwesend ist, dreht das Sytem auf den Kopf und fragt was Du für ES tun kannst! Wenn eine Technologie obsolet wird, dann wird unser Verhältnis zu ihr nichtig, auch die Werte und Bedeutungen die es zusammenhalten. Bezogen auf das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine, denke ich darüber nach, wieviel Spaß wir haben und wie wir das Entdecken neuer Technologien noch spannender machen können, in dem wir unser Wissen über alte Technologien in den Prozess einbringen. Ich hoffe, dass ich durch das Verbinden mit jemandem, entweder Mensch oder Maschine, durch die Hello Machine, die Aufregung darüber wer am anderen Ende sein könnte den Menschen vermitteln kann.
Rachel Hanlon ist eine aufstrebende Künstlerin auf dem Gebiet der Medienarchäologie. Ihre Arbeiten machen vielschichtige Metaphern und Bedeutungen mit den Mitteln der Re-Interpretation von obsolet gewordenen Technologien sichtbar. Diese werden durch unsere kulturelle Abhängigkeit von ihnen als Teil unserer Erzählgeschichte hervorgehoben. Hanlons Interesse an der Re-Artikulation und Aneignung gefundener Materialien, die durch künstlerische Praktiken erforscht werden, bringt die Komplexitäten der Vergangenheit und Gegenwart und wie diese erfahren werden zum Vorschein.