Haarausfall kann viele Gründe haben – Chemotherapie, Krankheiten oder ganz normaler Altershaarschwund. Die Reaktionen sind hingegen oftmals ähnlich: Schock, Scham oder Betrübnis stehen an der Tagesordnung. Das muss nicht so sein, finden Friseur Peter Fuchs, Gynäkologe Prof. Peter Oppelt und plastischer Chirurg Dr. Matthias Koller.
Die drei Spezialisten arbeiten eng zusammen, um das Problem Haarausfall zu lösen. Von Eigenblutplasmatherapien über Haartransplantationen bis hin zu Perücken verwenden sie verschiedenste Methoden, um Betroffenen zu helfen – und das vorherrschende Tabu zu brechen.
Warum aufmerksame Betreuung von Haarausfall-PatientInnen so wichtig ist, was es eigentlich mit der PRP-Behandlung auf sich hat und warum Haarschwund für so viele ein Tabuthema ist, erklären die drei Experten im Interview.
Sie sind drei Spezialisten aus drei sehr unterschiedlichen Feldern. Wie kommt es zu Ihrer Zusammenarbeit?
Peter Fuchs: Es begann eigentlich so richtig vor drei Jahren. Chemo-Patienten und Patientinnen brauchten Hilfe, ihre Ärzte und Ärztinnen kamen dann schließlich zu mir als Frisör. Ich hatte früher sehr viel mit Perücken zu tun, vor allem im Ausland, in England und den USA – dort ist es ganz normal, Perücken zu tragen. Wir haben schließlich auch hier nachgefragt, was für die Chemo-Patienten und Patientinnen wichtig ist. In dieser Arbeit haben wir entdeckt, dass es eigentlich viele verschiedene Probleme mit Haarausfall gibt, sei es Alopezie, andere Krankheiten wie Rheuma, oder sogar vererblicher Haarausfall.
Peter Oppelt und ich haben über das Chemo-Problem dann angefangen, schließlich habe ich noch Matthias Koller kennengelernt. Zu dritt haben wir die Idee weiterentwickelt.
Peter Oppelt: Wir hatten ein Problem mit der geeigneten Versorgung von Patienten und Patientinnen, die durch Chemotherapie ihre Haare, Wimpern oder Augenbrauen verlieren. Die Idee war, nicht einfach nur Perücken zu verkaufen, sondern ein Gesamtkonzept. Wir fangen nicht erst dann an, wenn die Haare ohnehin schon weg sind, sondern bereits vor Therapiebeginn. Wir besprechen, wie es später einmal aussehen kann, und wechseln oft sogar von heute auf morgen auf eine Perücke, ohne den Haarausfall abzuwarten – so überspringt man eigentlich die Übergangsphase.
Credit: Vanessa Graf
Matthias Koller, wie bringen Sie Ihr Fachwissen in den Vortrag ein?
Matthias Koller: Mein Teil ist die PRP-Behandlung, das steht für Platelet Rich Plasma. Das ist das, was ich in der Ordination mache. Auch in unserer Zusammenarbeit ist das mein Beitrag – ich führe die PRP-Behandlung gegen Haarausfall durch. Peter Fuchs ist in unserer Zusammenarbeit zentral – er ist derjenige, der die Idee hatte und der sich schon am längsten mit Haaren beschäftigt.
Was passiert bei der PRP-Behandlung?
Matthias Koller: Es ist eine Eigenblutplasma-Therapie: Zuerst wird Blut abgenommen, danach wird es zentrifugiert. Dabei setzt sich das Plasma ab, welches man schließlich in die Kopfhaut spritzt. Das Plasma enthält Wachstumsfaktoren, die die Zellen anregen, zu wachsen, und die Haarfollikel wieder aktivieren.
Peter Fuchs: Wir haben über die Zusammenarbeit ein Mädchen kennengelernt, vor nicht einmal einem Jahr. Sie ist jetzt 25 und kam damals im November wegen einer Perücke zu mir. Sie hatte ein großes Problem mit ihrem Haarwuchs, schütteres Haar, sehr wenig Haarwuchs generell, und niemand wusste, woran das liegen könnte. Innerhalb der letzten 8 Monate haben wir es geschafft, dass sie wahrscheinlich ganz ohne Perücke leben kann. Wir haben mit der PRP-Behandlung ihre Haare zurückgeholt.
Matthias Koller: Drei betroffene Frauen sind auch hier bei unserer Präsentation im Deep Space, sodass das Publikum auch wirklich Kontakt bekommt zu Leuten, die mit diesem Problem leben. Vor allem geht es darum, das Tabu zu brechen – es ist trotz allem einfach immer noch ein Tabuthema, keine Haare zu haben.
Credit: Vanessa Graf
Ist das generell so oder nur bei jüngeren Betroffenen?
Matthias Koller: Vor allem eigentlich bei den Älteren! Oft sind die Älteren sehr betroffen, wenn sie ihre Haare verlieren, ziehen sich total zurück. Es besteht sogar die Gefahr, dass sie nicht mehr aus dem Haus gehen, keine Veranstaltungen besuchen, in ihren vier Wänden bleiben. Gerade die Älteren wollen immer perfekt aussehen. Dabei gäbe es so viele verschiedene Möglichkeiten, ob es Haarteile sind oder eine PRP-Behandlung! Dieses Tabuthema betrifft aber trotzdem Alt genauso wie Jung.
Credit: Vanessa Graf
Warum ist das so, Ihrer Meinung nach?
Peter Fuchs: Ich glaube, dass Haare mittlerweile ein Standard der Mode sind. Man strahlt etwas damit aus. Wenn man zu einer Veranstaltung geht, weiß man genau, welchen Frisurentyp man trägt. Beim Oktoberfest weiß ich genau, wie ich meine Haare trage. Ich weiß bei meiner Hochzeit, welchen Frisurentyp ich tragen möchte. Ich weiß bei einem Businesstermin, welchen Frisurentyp ich tragen möchte. Deshalb ist es oft schwierig, wenn man mit Haarausfall konfrontiert wird. Es ist wirklich teilweise sehr traumatisch, oft wird nie eine Lösung gefunden. Für uns ist einfach wichtig, dass wir die Ursache finden.
Matthias Koller: Man muss das auch unterscheiden von normalem Haarausfall, der mit dem Alter kommt – das ist normalerweise kein so großes Problem. Aber Menschen, vor allem Frauen, die zum Beispiel volles Haar hatten und denen plötzlich die Haare komplett ausgehen, oder auch ältere Frauen, die völlig haarlos sind – das ist anders.
Peter Fuchs: Wie gesagt, es ist sehr wichtig, dieses Tabu zu brechen. Es ist auch wichtig, dass es jemanden gibt, der zuhört. In normalen Untersuchungen wird sich nur zwei bis drei Minuten Zeit für ein solches Gespräch genommen. Bei uns kann man ein Analysegespräch oder Beratungsgespräch machen, wenn man ein Haarproblem hat, das mindestens eine Stunde dauert. Wir finden, man sollte zuerst die Ursache suchen. Hierfür arbeiten wir eng mit Matthias Koller zusammen, gewisse Blutuntersuchungen werden gemacht, die rein nur fürs Haar sind, ja, also es wird dem Problem auf den Grund gegangen. Dann geht es auch darum, die Leute über Perücken aufzuklären – eine Patientin mit Stoffwechselerkrankung wusste zum Beispiel gar nicht, dass eine Perücke gut hält. Dass man mit ihr auch Sport machen kann.
Matthias Koller: Und dass es Perücken gibt, bei denen man nicht sieht, dass es Perücken sind.
Bei Ihrem Vortrag gibt es auch Live-Mikroskopie der Kopfhaut – worüber gibt die Kopfhaut Aufschluss?
Peter Fuchs: Man kann zum Beispiel sehen, ob irgendwo Ablagerungen schlummern. Das ist oft ein entscheidender Punkt – oft ist die Kopfhaut so verunreinigt, dass die Haare nicht wachsen können. Man sieht mit dieser Kamera, ob der Haarfollikel zum Beispiel entzündet ist, oder was auf der Kopfhaut so los ist.
Peter Fuchs ist Friseur und Haarkünstler bei Schnittzone in Linz. Seit September 2014 bietet er mit seinem Team im Projekt Headdress, einer speziellen Anlaufstelle für Chemotherapie-PatientInnen, einfühlsame Begleitung zu den Themen Perückenanpassung sowie Schminkberatung.
Prof. Peter Oppelt ist Vorstand der Univ.-Klinik für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gyn. Endokrinologie am AKH Linz. Seit 2016 hält er außerdem den Lehrstuhl für Gynäkologie, Geburtshilfe und Gyn. Endokrinologie an der Medizinischen Fakultät Linz inne.
Dr. Matthias Koller zählt zu den Top-Spezialisten für plastisch-ästhetische Chirurgie. Er kann auf eine Erfahrung von mehreren Tausend plastisch-ästhetischen Operationen zurückgreifen und bildet sich ständig auf internationalem Niveau weiter.
Der nächste Termin von „Eine Haarige Angelegenheit“ wird rechtzeitig auf unserer Webseite bekanntgegeben. In der Zwischenzeit können Sie hier einen Blick auf unser Deep Space LIVE Programm werfen. Um mehr über Ars Electronica zu erfahren, folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, Instagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/.