Auch wenn Waltraut Cooper keine knallroten Haare hätte – man erkennte sie sofort. Ihr herzliches Lachen schallt durch die hohen Räume der Landesgalerie Linz, während sie einen ersten Einblick in die neue Ausstellung gibt. Von 16. November 2017 bis 21. Januar 2018 werden hier ausgewählte Arbeiten der renommierten Linzer Medienkünstlerin gezeigt. Herzstück ist das überdimensionale „Klangmikado“ der Werkserie „Digitale Poesie“, das extra für die Ausstellung in der Landesgalerie rekonstruiert wurde. Darüber hinaus werden Werke der „Digitalen Poesie“ gezeigt, die sich auf die Beiträge Waltraut Coopers zu vier Biennalen in Venedig beziehen, außerdem eine Dokumentation ihrer berühmten „Regenbogentrilogie“.
Farbenfroh und intensiv, das sind wohl alle ihre Werke – die Medienkünstlerin arbeitet gerne reduziert, aber eindrucksvoll. Im Interview erzählt uns Waltraut Cooper von ihren Anfängen in der Medienkunst in den 1980er-Jahren, warum sie die Arbeit mit Licht so fasziniert und was sich hinter der „Digitalen Poesie“ versteckt.
Übrigens: Wer sich selbst ein Bild von den Lichtarbeiten Coopers machen möchte, hat von 19. bis 24. Dezember 2017 die Chance dazu! Für das Ö3 Weihnachtswunder am Linzer Hauptplatz entwickelte die Medienkünstlerin eine Lichtinstallation für die Fassade des Ars Electronica Centers, die im Takt der Musik über das Gebäude tanzt.
Sie sind für Ihre Arbeiten mit Licht und Klang bekannt. Woher kommt diese Faszination?
Waltraut Cooper: Als Mathematikerin komme ich von einem Background, wo auch Technologie eine große Rolle spielt. Technologische Aspekte haben mich immer sehr fasziniert. Die Arbeit mit Licht im Speziellen hat sich eigentlich dadurch ergeben, dass es die – sehr große und von der ganzen Welt bestückte – Ausstellung „Andere Avantgarde“ gab. Diese Zeit, in der ich mit der Kunst angefangen habe, war sehr zukunftsorientiert. Die Avantgarde spielte eine große Rolle. Es gab generell eine große Aufbruchsstimmung, auch für die Frauen – man sagte zum ersten Mal wirklich in großem Stil, Frauen müssen die gleichen Rechte haben wie Männer. In genau dieser Zeit gab es also diese Ausstellung, „Andere Avantgarde“, im Brucknerhaus. Mich hat man eingeladen, eine Arbeit zu machen, und mich faszinierte diese geometrische Fassade vom Brucknerhaus. Ich hatte die Vorstellung, Diagonalen aus Licht in der Fassade zu machen. Das war der Beginn. Ich fand es so faszinierend, mit Licht zu arbeiten, dass es danach einfach immer mehr und mehr wurde.
Was ist das Spannende am Licht für Sie?
Waltraut Cooper: Licht ist ein wunderbares Medium. Es ist so ausdrucksstark. Man kann mit Licht im großen Stil arbeiten, das mag ich. Je größer, je lieber, sozusagen! Die Möglichkeiten hat man sonst nicht. Ich finde Licht wunderschön. Es ist natürlich wichtig, wie man es verwendet – ich arbeite sowieso sehr reduziert. Das kommt wahrscheinlich auch aus der Mathematik, weil die Mathematik funktioniert ja deshalb so gut für die Beschreibung der Welt, weil sie Mittel bietet, in kürzester Form etwas auszudrücken. Nehmen wir eines der physikalischen Gesetze – E=mc2, das ist eine Formel, die kennen alle. Man könnte das Prinzip verbal gar nicht so gut ausdrücken. Die Welt wäre ohne die Mathematik nicht erklärbar. Man konzentriert sich auf das Wesentliche: Alles, was nichts mit einer Sache zu tun hat, hat nichts zu sagen. Das hat sich wahrscheinlich bei mir auch durchgesetzt. Mir ist es ein absolutes Anliegen, das auszudrücken, worum es wirklich geht. Was ist der Kern der Sache? Darum arbeite ich auch gerne sehr reduziert. Wenn man bei Licht nicht aufpasst, kann das total kitschig werden. Man muss wirklich schauen, was ist wesentlich, was will ich ausdrücken und wie? In diesem Sinn liebe ich es ganz besonders, mit Licht zu arbeiten.
Credit: Oö. Landesmuseum, A. Bruckböck
Die Werkserie „Digitale Poesie“ entstand in den 80er-Jahren. Können Sie uns ein bisschen davon erzählen?
Waltraut Cooper: Das war die Zeit, wo man auf einmal selbst einen Computer haben konnte, einen PC, Personal Computer. Natürlich hat mich das Medium fasziniert. Ich wollte Arbeiten machen, die man sonst nicht machen hätte können. Was kann man mit dem Computer machen, was man sonst nicht machen könnte? Über Computer kann man künstlerische Ausdrucksformen, visuelle, sprachliche, musikalische, direkt miteinander verbinden. Es ist nicht so, dass ich Musik anhöre und gleichzeitig etwas niederschreibe, oder in Anklang daran – nein. Direkt. Eins zu eins. Von einer künstlerischen Ausdrucksform in eine andere transformieren, dafür bot sich der digitale Code an. Das bietet natürlich eine ganz große Bandbreite für künstlerisches Arbeiten.
Bei „Digitale Poesie“ werden also künstlerische Arbeiten ins Digitale überführt?
Waltraut Cooper: Nein. Häufig ist es so, dass ich über die Benennung, über das Wort, zur Zahl und dann zum ästhetischen Objekt komme. Das ist die Transformation, die stattfindet. Hier bei der Ausstellung in der Landesgalerie zum Beispiel hängt das Bild „MONA“. Es ist ein Bild von der Biennale 2016, wo Mona, meine Enkelin, durch einen Raum mit einer meiner Lichtinstallationen geht. Ich nehme das Wort Mona und digitalisiere es, das heißt, es ist nur mehr eine Folge von Nullen und Einsern. Das Bild, ich hatte ein Foto gemacht von ihr, ist jetzt Ausgangspunkt für ein neues Bild. Die Lichtinstallation wird so praktisch direkt in ein Bild umgewandelt.
Ein ähnliches Beispiel ist die Arbeit im Austria Center in der UNO-City in Wien. Es gab einen Wettbewerb mit mehreren Stellen, ich war der größten Stelle zugeordnet. Es ging darum, in dem Foyer einen riesigen Fries von 60 Metern Länge zu gestalten. Damals herrschte große Angst vor einem Atomkrieg, es gab zum ersten Mal Bemühungen um Friedensgespräche oder Abrüstungsgespräche. Deshalb nannte ich meine Arbeit Friedensfries. Ich nahm das Wort UNO als Ausgangspunkt und digitalisierte es. Ich gehe also von einem Wort aus, das wird zu Zahlen, also digitalisiert, Nullen und Einsen, und das wird wiederum zum künstlerischen Objekt. Für Eins nahm ich einen aufstrebenden Blitz, für Null einen abstrebenden Blitz, und daraus ergibt sich die Gestaltung des Frieses.
Ein weiteres Beispiel hab ich für die Universität Graz umgesetzt. Es gab einen Wettbewerb für die Gestaltung eines neuen Institutsgebäudes, den ich gewonnen hatte. Es ging mir um die Umsetzung der Initialen der Institute, die an dem neuen Institutsgebäude waren. Die Initialen wurden nicht nur zu Licht und Farbe, sondern auch zu Klang. Jede Stunde konnte man für eine kurze Zeit die Umsetzung auch mit Klang hören.
Credit: Vanessa Graf
Klang spielt auch in der Arbeit „Klangmikado“ eine wichtige Rolle – sie wurde jetzt für die Ausstellung in der Landesgalerie nachkonstruiert.
Waltraut Cooper: Es gab schon 1984 ein Klangmikado, es wurde damals bei einer Ars Electronica Ausstellung gezeigt. 1987 wurde ich von der Ars Electronica dazu eingeladen, das Werk technisch zu optimieren. Es war also ein Auftragswerk, das hat mich sehr gefreut. Die Arbeit ist weit herumgekommen, Hamburg, Wien, Italien, bei dem Festival „Image du Futur“ in Montreal, in Boston, oder im Bronx Museum of the Arts in New York. Ich habe mich riesig gefreut, dass es jetzt wieder rekonstruiert wurde, weil leider fiel das Original einem Hochwasser in Linz zum Opfer. Jetzt gibt es das „Klangmikado“ wieder, ich bin sehr glücklich darüber.
Was erwartet also die BesucherInnen der Landesgalerie beim „Klangmikado“?
Waltraut Cooper: Es gibt einen großen Tisch mit überdimensionalen Mikadostäben, circa einen Meter lang und mit Alufolie umwickelt. Das ist nicht nur eine Anspielung auf normale Mikado-Spiele, es ist auch nicht nur vom ästhetischen Standpunkt spannend, sondern auch technisch wichtig. In der Tischplatte sind Sensoren, die auf die Aluminium-Umwicklung reagieren und Musik auslösen. Diese Musik wurde von Gerhard E. Winkler aus Salzburg komponiert, der schon für das Original-„Klangmikado“ die Musik gemacht hatte und jetzt wieder ein neues Stück dafür komponiert hat.
Credit: Bildrecht Wien 2017
Die BesucherInnen sind eingeladen, die Mikado-Stäbchen zu bewegen…
Waltraut Cooper: Sie sind eingeladen, Mikado zu spielen. Natürlich ist es nicht so ernst zu nehmen wie bei einem echten Mikado-Spiel, aber die Leute finden es offensichtlich alle lustig und anregend. Wenn die Arbeit gezeigt wird, sind dauernd Leute dort, die damit spielen.
Generell sind ja viele Ihrer Arbeiten interaktiv…
Waltraut Cooper: Es ist dann nicht etwas, das man nur anschaut, sondern etwas, das man auch angreifen kann. Nicht nur angreifen – man kann damit spielen. Es ist ein Austausch zwischen den Menschen, sie spielen miteinander beispielsweise Mikado. Sie tragen zum Kunstwerk bei. Speziell beim „Klangmikado“ – es schafft jeder und jede aus der Musik von Gerhard Winkler eine neue Komposition. Es ist dann sozusagen ein Gemeinschaftswerk.
Credit: Vanessa Graf
In der neuen Ausstellung wird auch eine weitere Arbeit, die „Regenbogentrilogie“, dokumentiert. Um was handelt es sich hier?
Waltraut Cooper: Die Idee zur „Regenbogentrilogie“ hatte ich 1989, weil damals, als die Mauer fiel, hatte ich das Gefühl, man müsste als Zeichen Verbundenheit und Überbrückung von Distanzen man einen Regenbogen über Europa spannen. Die Frage war, wie. Ich habe nach langen Überlegungen beschlossen, mit Österreich anzufangen, noch vor Ende des Jahrtausends. Ein Regenbogen ist immer ein Verweis auf bessere Zeiten. 1999 standen wir am Ende eines Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen, ein Regenbogen war also angebracht: über die Jahrtausendwende, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Ich wollte also mit Österreich anfangen, dann Europa, aber wenn schon, dann schließlich auch weltweit. 1999, am Ende eines Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen, spannte ich also einen Regenbogen über Österreich. In jedem Bundesland wurde ein bedeutendes Bauwerk ins Licht gesetzt, jedes in einer anderen Farbe. Gemeinsam spannen sie einen Regenbogen über Österreich. 2004 gab es dann in Europa ein Ereignis, in dessen Zusammenhang ein europäischer Regenbogen Sinn gemacht hat: Es kamen zehn neue Mitgliedsstaaten zur EU gekommen und haben damit den Frieden in Europa gestärkt. Ich spannte also einen Regenbogen über Europa, mit bedeutenden Bauwerken, die in dem Zusammenhang von Relevanz waren. 70 Jahre nach dem Ende der Weltkriege schließlich spannte ich einen weltweiten Regenbogen, mit je einem Bauwerk auf jedem Kontinent, als Zeichen der Hoffnung auf Weltfrieden, den ich als die größte Herausforderung unserer Zeit betrachte.
Das ist ja eine sehr hoffnungsvolle Vorstellung.
Waltraut Cooper: Wenn man vor hundert Jahren gesagt hätte, in Europa wird es einmal Frieden geben, hätten sich alle an den Kopf gegriffen. Und was haben wir jetzt? Jetzt haben wir ihn, den Frieden. Es macht jetzt, wo die Welt verbunden ist, eigentlich keinen Sinn mehr, Krieg zu führen, weil wir uns damit unsere eigenen Ressourcen kaputt. Früher zerstörte man zwar auch Ressourcen, aber damals war man zumindest der Meinung, es wären die Ressourcen von Anderen. Das kann man heute nicht mehr sagen. Die Welt ist so zusammengewachsen, dass alles alle betrifft. Man hat aber auch dazugelernt, daher finde ich es nicht abwegig, daran zu glauben, dass es Weltfrieden geben wird.
Waltraut Cooper studierte Mathematik, theoretische Physik und Kunst in Wien, Paris, Santa Barbara California, Lissabon und Frankfurt. Ihre Arbeiten wurden international ausgestellt, unter anderem bei vier Biennalen in Venedig, außerdem in Festivals, Ausstellungen und Galerien in Wien, Berlin, Rom, Paris, Montreal, Boston und New York. Ihre Arbeit mit Fokus auf Medien, Kunst und Architektur wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Die Sonderausstellung „Waltraut Cooper. Licht und Klang“ entstand in Zusammenarbeit der Landesgalerie Linz mit dem Ars Electronica Center. Sie ist von 16. November 2017 bis 21. Januar 2018 in der Landesgalerie Linz zu sehen. Mehr Informationen erfahren Sie hier. Zusätzlich kann man eine ihrer Lichtinstallationen vom 19. bis 24. Dezember auf der Fassade des Ars Electronica Centers in Linz sehen, wo die Musik des Ö3 Weihnachtswunders live visualisiert wird.
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