CanSat Wettbewerb 2018: Die Raketen

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Beim ersten nationalen CanSat Wettbewerb im April 2018 treten SchülerInnenteams aus ganz Österreich gegeneinander an, um den besten Mini-Satelliten – und zwar in Größe einer herkömmlichen Getränkedose! – zu bauen. So weit, so gut – aber wie erreichen die kleinen Satelliten, genannt CanSats, eigentlich die nötige Flughöhe, um ihr Können zu zeigen? Na, mit einer Rakete natürlich! Ganz wie bei den großen Satelliten, die um unsere Erde kreisen und stetig Daten aufzeichnen, kommt auch hier echte Raumfahrttechnologie zum Einsatz.

Einer der Raketenbauer für den CanSat-Flug im April ist Christian Plasounig, Projektverantwortlicher für CanSat beim TU Wien Space Team. Er und seine Crew basteln in Vorbereitung auf den CanSat Wettbewerb schon fleißig an der Rakete, die die Mini-Satelliten schließlich hoch über das Flugfeld befördern soll. Im Interview erzählt Christian mehr darüber, wie man Mini-Raketen baut, warum sie gar nicht so anders als kommerzielle Raketen sind und wie man überhaupt an die Bauteile für ein solches Flugobjekt kommt.

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Christian Plasounig in der Werkstatt des TU Space Teams. Credit: Vanessa Graf

Was kann man sich unter dem TU Space Team vorstellen?

Christian Plasounig: Das TU Space Team ist eine Arbeitsgruppe, die aus Studierenden aller möglichen Studienrichtungen der TU Wien besteht. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, Aerospace Engineering, also alles, was mit Luft- und Raumfahrt zu tun hat, an die TU zu bringen. An der TU Wien gibt es nämlich keinen Studiengang für Aerospace Engineering, dafür aber etliche Studierende, die sich für die Thematik interessieren und in dem Bereich etwas machen wollen. Von der Elektrotechnik bis zum Maschinenbau bis zur Physik, wir sind eine interdisziplinäre Gruppe. Wir wollen forcieren, dass es an der TU eine Möglichkeit gibt, Raketen oder Satelliten zu bauen!

Für den CanSat-Wettbewerb baut ihr die Raketen, die unsere Mini-Satelliten in die Luft befördern werden. Wie unterscheidet sich der Mini-Raketenbau vom herkömmlichen Raketenbau?

Christian Plasounig: Es gibt einige große Gemeinsamkeiten und einige grobe Unterschiede. Ein ganz wesentlicher ist, dass unsere Raketen aerodynamisch stabilisiert sind. Unsere Rakete fliegt deshalb senkrecht nach oben, weil sie eine relativ hohe Geschwindigkeit aufbaut und durch die Finnen, durch das Leitwerk, gerade fliegt. Wir verwenden Motoren mit relativ kurzen Brenndauern von nur wenigen Sekunden. Bei einer kommerziellen Rakete brennt so ein Motor eine halbe Minute oder länger. Unsere Raketen sind außerdem wesentlich kleiner und wir bewegen uns immer noch in der Atmosphäre.

Ganz generell gibt es eine Unterscheidung zwischen Sounding Rockets, zu Deutsch Höhenforschungsraketen, und den großen Raketen. Sounding Rockets sind Raketen, die nicht in den Orbit fliegen. Sie bleiben immer so weit im Erdschwereverhältnis, dass sie wieder zurück zur Erde fallen. Wenn eine Rakete hingegen Orbitalgeschwindigkeit erreichen kann, dann würde sie im Orbit bleiben. Unsere Raketen machen das nicht, sie fallen wieder zu Boden.

Ist dieses Fallen kontrolliert?

Christian Plasounig: Das hängt davon ab, wie man es konzipiert. Man kann gewisse Parameter beeinflussen. Man kann theoretisch in die Aerodynamik eingreifen, mit sogenannten Canards. Das sind Flügel, die man zum Beispiel steuern kann. Wenn man einen Motor mit etwas längerer Brenndauer verwendet, kann man in den sogenannten Schubvektor eingreifen. Das heißt, dass man die Abgase lenkt und damit eine Steuerung führt. Somit könnte man den Aufwärtsflug regeln. Beim Runterkommen ist es so, dass bei unseren Raketen am Gipfelpunkt ein Fallschirm ausgeworfen wird, an dem die Rakete sicher hinunterkommt. Man könnte den Fallschirm auch lenken, aber da ist man stark von den Gleitzahlen des Fallschirms abhängig. Man kann also nur einen gewissen Zielradius vorgeben.

Aus welchem Material baut ihr eure Raketen?

Christian Plasounig: Das ist unterschiedlich. Für die Struktur werden hauptsächlich sogenannte Faserverbundwerkstoffe verwendet, also faserverstärkte Glasfaser, glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) oder Kohlefaser. Glasfaser verwendet man typischerweise in Bereichen, wo man Funkübertragung braucht, weil Kohlefaser die Funkübertragungen stört. Kohlefaser ist aber in der Festigkeiten ein bisschen besser als Glasfaser. Solche Materialen verwendet man deshalb, weil sie extrem leicht sind. Im Falle eines Absturzes richten Fasern auch nicht so schnell Schaden an wie etwa Metalle, es ist also weniger gefährlich.

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Credit: Vanessa Graf

Wie fertigt ihr die einzelnen Bauteile der Rakete an?

Christian Plasounig: Das hängt davon ab, was wir bauen wollen und worauf wir unseren Fokus legen. Bei den meisten Bauteilen ist es so, dass wir fast alles selbst entwickeln und selbst fertigen. Für die Kohle- und Glasfaserteile werden von uns Formen konstruiert, die gemeinsam mit Firmensponsoren laminiert und gefertigt werden. Sie wandern in einen sogenannten Autoklaven, einen Ofen mit Vakuum, wo das Material unter einigen Bar Druck und unter hoher Temperatur ausgehärtet wird. Es gibt auch Fertigkomponenten, die man kaufen kann. Oder man bestellt Glasfaserplatten, die von uns zugeschnitten werden. Einzelne Komponenten werden, wenn es sinnvoll und brauchbar ist, auch 3D-gedruckt. Man kann die 3D-Druckteile auch als Grundlage für weitere Teile oder für ein komplexeres Teil verwenden. Gewisse Dinge lassen wir auch direkt bei einem Sponsor fertigen. Für gewisse andere Teile gibt es auch Bausätze, die man kaufen kann. Die wesentlichen Komponenten sind schon vorab zugeschnitten und geschlitzt, man muss aber noch immer viel Arbeit reinstecken.

Weil die CanSat-Rakete sehr groß sein soll und wir sie hauptsächlich für Payload verwenden wollen, haben wir uns dafür entschieden, dass wir als Grundlage einen Bausatz verwenden. Es liegt weniger Fokus auf dem Bau der Rakete, sondern es geht mehr darum, ein Mittel zum Zweck zu haben, also eine Rakete, mit der man ein paar Kilo Payload auf ein paar hundert Meter oder einen Kilometer schießen kann.

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Credit: Vanessa Graf

Wo liegen die Gemeinsamkeiten zu einer kommerziellen Rakete?

Christian Plasounig: Wir brauchen Bordelektronik, das heißt, wir müssen überwachen, wie der ganze Flug abläuft. Vom Start weg, bis die Rakete den Gipfelpunkt erreicht oder, wie bei einer kommerziellen Rakete, bis sie im Orbit fliegt, muss alles überwacht werden. In Echtzeit werden Sensordaten aufgezeichnet und die Flugbahn am Bordcomputer mitberechnet, um zu wissen, in welchem Status sich die Rakete gerade befindet. Dementsprechend werden Trennladungen und Ähnliches gezündet. Das ist eine ganz große Gemeinsamkeit! Was auch alle Raketenstarts gemein haben: Man hat nur einen Versuch. Das ist der Unterschied zu fast allen anderen Ingenieursbereichen. Bei der Rakete drücke ich auf einen Knopf und dann muss alles funktionieren, wirklich alles. Wenn irgendeine Einzelkomponente ausfällt, dann kann es für die Mission das Ende bedeuten. Die Rakete könnte abstürzen.

Grundsätzlich, wenn alles gut funktioniert, sind eure Raketen aber wiederverwendbar?

Christian Plasounig: Ja. Bis auf den Treibsatz selbst, der verbrannt wird, ist eigentlich jede Komponente wiederverwendbar. Wenn man die Treibsätze schon vorbereitet, kann man theoretisch eine Stunde nach dem ersten Raketenstart schon den zweiten Flug machen.

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Credit: Vanessa Graf

Testet ihr die einzelnen Komponenten, bevor der CanSat Wettbewerb stattfindet?

Christian Plasounig: Es ist immer ein gewisses Risiko dabei. Uns ist klar: Wir starten Raketen, es kann immer sein, dass irgendetwas schiefgeht. Unabhängig davon, ob man Testflüge macht oder nicht. Wir machen aber schon Testflüge, genau das ist auch jetzt für den Wettbewerb geplant. Das passiert auf unterschiedlichen Ebenen. Man testet zuerst die Elektronik, das kann ganz unabhängig passieren. Das sind Einzelkomponententests, sogenannte Unit Tests, wo man kontrolliert, wie die einzelnen Komponenten zusammenspielen, ob alles erwartungsgemäß funktioniert,  ob mit der Funkstrecke alles in Ordnung ist, ob die Kommunikation mit der Rakete klappt, ob alle Daten, die der Bordcomputer ermittelt, richtig sind – da kann man am Boden schon viel machen. Auch auf mechanischer Seite geht vieles, man kann zum Beispiel Trenntests machen. Man sieht sich an: Wenn ich die Trennladung in der Rakete jetzt zünde, trennt sie sich am Boden? Entfalten sich alle Fallschirme sauber?

Also es ist schon relativ gut abzuschätzen, ob der Flug dann funktioniert oder nicht.

Christian Plasounig: Ja. Wenn man vorab gründlich arbeitet, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass alles funktioniert. Es gibt allerdings manchmal Situationen, wo etwas eintritt, was man nicht bedacht hat oder das zum Versagen einer Komponente führt, ohne, dass man es beeinflussen könnte. Es kann zum Beispiel sein, dass etwas beim Motor nicht funktioniert. Die Motoren haben ab Werk eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie schadhaft sind, weil man das nicht mit hundertprozentiger Sicherheit fertigen kann. Diese Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, aber es ist natürlich möglich. Es kann auch sein, dass etwas beim Zusammenbau nicht ganz einwandfrei funktioniert. Es kann zu Kommunikationsproblemen kommen, dann hängt irgendwo ein Seil nicht, wo es hängen soll, oder ein Checklistenpunkt wird übersehen. Wir arbeiten sehr intensiv mit Checklisten, sodass die ganzen wesentlichen oder wichtigen Punkte erfüllt sind, aber es kann in der Hektik vor dem Flug trotz allem passieren, dass etwas übersehen wird.

Die teilnehmenden Teams basteln gerade an ihren CanSat-Raketen, der CanSat Wettbewerb findet von 9. – 11. April 2018 statt. Mehr Informationen finden Sie auf der offiziellen CanSat-Webseite.

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