VR-Themen-Wochenende: Virtuelle Realitäten im Spiel

cargo@PlayfulInteractiveEnvironments,

Von 6. bis 8. April 2018 dreht sich im Ars Electronica Center alles rund um Virtual und Augmented Reality: Beim Themen-Wochenende „Virtuelle Welten – Neue Realitäten“ werden die neuen Technologien in Zusammenarbeit mit der Industriellenvereinigung OÖ in Workshops und Vorträgen ganz genau untersucht.

Im ersten Teil unseres Interviews haben wir schon von Ars Electronica Producerin Kristina Maurer und Künstler Jürgen Ropp erfahren, wo sie das Potential von VR und AR in der Kunst sehen. Hier, im zweiten Teil, erklärt Jeremiah Diephuis von der Forschungsgruppe Playful Interactive Environments der FH Hagenberg, welche Auswirkungen VR und AR in der Gaming-Industrie haben können. Für alle, die jetzt neugierig werden: Am Samstag, 7. April 2018, spricht Jeremiah beim Themen-Wochenende im Ars Electronica Center über die Arbeit seiner Forschungsgruppe!

Du wirst beim VR-Themen-Wochenende einen Vortrag über „Hybrid Spaces for Play“ halten. Was kann man sich darunter vorstellen?

Jeremiah Diephuis: Computerspiele haben in den letzten Jahren zunehmend das Wohnzimmer als alleinigen Aufenthaltsort verlassen und finden nicht nur in ganz anderen Bereichen als die herkömmliche Unterhaltung Verwendung, sondern werden mit anderen Menschen im gleichen, realen Raum gespielt. Das betrifft natürlich bekannte Augmented-Reality-Spiele wie Ingress und Pokemon Go, aber genauso die mittlerweile beachtliche Anzahl an Spielen im Deep Space 8K, bei denen mittels Lasertracking der gesamte Raum zur interaktiven Spielfläche für mehrere Personen wird.

Dieser Trend bezieht sich aber wie bereits angesprochen nicht nur auf die Unterhaltungsindustrie, sondern hält verstärkt in Bildungs- und Kultureinrichtungen wie Galerien, Theater und Museen Einzug. Im Vergleich zu herkömmlichen Serious Games spielen hier räumliche Faktoren eine größere Rolle, da im Ausstellungskontext oft die Einbindung von mehreren anwesenden Personen erwünscht ist. Gerade bei Virtual-Reality-Anwendungen ist das ein kritischer Punkt, da ein VR-Headset in der Regel Nutzer und Nutzerinnen von der Umwelt abschirmt und anderen Personen nur ein passives Zuschauererlebnis über einen zusätzlichen Bildschirm geboten wird. Das neue VR-Lab vom Ars Electronica Center bietet im Vergleich zu anderen VR-Ausstellungsorten eine sehr offene und kommunikative Umgebung für VR-Anwendungen, und mehrere Stationen können gleichzeitig genutzt werden. Es gibt aber noch weitere Ansätze, VR-Installationen so zu konzipieren, dass mehrere Leute gleichzeitig am spielerischen Geschehen beteiligt sind und somit direkt miteinander interagieren bzw. Inhalte gemeinsam bearbeiten können.

Das ist einer der Schwerpunkte unserer Forschungsgruppe Playful Interactive Environments an der FH-OÖ in Hagenberg, die sogenannte „co-located Interaktion.“ Mit der Verbindung von mehreren verfügbaren Technologien und dem Einsatz von unterschiedlichen Benutzerrollen werden spielerische VR-Installationen zu einem kooperativen Erlebnis für eine ganze Gruppe von Menschen. Ein Beispiel von einem solchen Ansatz haben wir vor etwa zwei Jahren für das Ars Electronica Festival entwickelt, das VR-Mehrpersonensspiel Cargo, bei dem zwei VR-Spieler oder Spielerinnen gemeinsam ein Raumschiff steuern und verteidigen, während andere Beteiligte ohne VR-Headsets virtuelle Frachtgüter aufsammeln und zum Schiff bringen. Die Erfahrungen mit Cargo bildeten die Basis für weitere Projekte wie das virtuelle Haus der Medusa, in dem mittels VR-Headset und Tablets mehrere Personen gemeinsam und spielerisch einer virtuellen archäologischen Arbeit nachgehen können.

Welches Potential siehst Du für VR und AR im Bereich der interaktiven Kunst oder des interaktiven Spiels?

Jeremiah Diephuis: Auch wenn seit ein paar Jahren sehr viel Hype über alle möglichen Einsatzmöglichkeiten und viel Begeisterung aber auch Skepsis gegenüber AR- und VR-Technologien verbreitet werden, ist das Potential für Mixed-Reality tatsächlich riesig, gerade in den Bereichen interaktive Kunst und Spiele. Der Medienkünstler Golan Levin hat vor einigen Jahren behauptet, dass Apps eine eigene Kunstform werden und durch die weite Verbreitung von Smartphones einen leichteren Zugang zu einem diversen Publikum finden können. Diese Möglichkeit gilt genauso für Mixed-Reality-Projekte, die mittlerweile auf die meisten Smartphones laufen können. Mit solchen Projekten können beispielsweise selbst erstellte Animationen auf analoge ausgestellte Kunstwerke überlagert werden, um dynamische Mashups zu kreieren. Und die Möglichkeit, eigene Mixed-Reality-Werke über etablierte Spiele- und App-Plattformen zu verteilen, birgt auch viel Potential für die Zukunft, auch wenn es noch nicht sehr etabliert ist.

In welche Richtung es in Zukunft genau hingehen wird bleibt sehr schwer abzuschätzen. Virtual-Reality-Spielhallen für mehrere Personen wie The Void existieren bereits, sind aber noch eher ein Nischenmarkt. Virtuelle Erlebnisse basierend auf 360°-Videoaufnahmen könnten auch in Zukunft deutlich zunehmen, damit man z.B. einen Fallschirmsprung, Parkour-Lauf oder ähnliches günstig und ohne Verletzungsgefahr erleben kann. Und die Verwendung von VR für Therapiezwecke, etwa um Ängste zu bekämpfen, nimmt immer weiter zu.

Medusa@PlayfulInteractiveEnvironments

Credit: Playful Interactive Environments

Welche Aspekte von VR und AR sollte man kritisch betrachten? Worauf müssen wir als Gesellschaft achten, wenn wir die Technologie in Zukunft sinnvoll nutzen wollen?

Jeremiah Diephuis: Anfangs wurde von vielen Seiten befürchtet, dass VR-Anwendungen eine gewisse Gefahr bergen, als kompletten Ersatz für echte Erlebnisse genutzt zu werden. Die Vorstellung, mit Head-Mounted-Displays herumzulaufen und vorrangig irgendwelchen virtuellen Aufgaben nachzugehen, ist auch reichlich in Sci-Fi-Romanen und -filmen dokumentiert. Und diese Befürchtungen scheinen jetzt auch durchaus nachvollziehbar, wenn wir beispielsweise unseren tagtäglichen Umgang mit Smartphones betrachten. Aber mit den derzeitigen technologischen Möglichkeiten sehen wir momentan trotz weiter steigenden Immersionsgrad keine wirkliche Gefahr, da ein entsprechendes, haptisches Erlebnis noch sehr weit entfernt ist. Und bis eine Mensch-Maschinen-Schnittstelle entwickelt wird, die die Sinnesorgane im Endeffekt umgeht und die Informationen direkt vom Gehirn verarbeitet werden, ist die Sorge, dass wir nicht zwischen realer und virtueller Welt unterscheiden können, anderen eher akuten Bedrohungen wie Klimawandel und Ressourcenknappheit unterzuordnen.

Das heißt aber natürlich nicht, dass in Bezug auf VR und AR keine Kritik auszuüben ist oder dass wir keine Überlegungen bezüglich der Nutzung von solchen Technologien machen sollten. Auch wenn die Visualisierung- und Trackingtechnologien sich stetig verbessern, ist der aktuelle Stand der Technik so, dass es noch immer Probleme gibt und somit viele Anwendungen noch als sehr beeindruckende aber noch immer nicht einsatzfähige Prototypen auf der Strecke bleiben. Und dieser Zustand trägt gelegentlich zur allgemeinen Enttäuschung bei, was die Einstufung als Hype weiter bestätigt. Hier müssen sowohl die Entwicklungsszene als auch die KonsumentInnen noch etwas geduldig sein und nicht voreilig Schlüsse über die zukünftige Relevanz solcher Technologien ziehen. Und was wir auf jeden Fall bedenken müssen, ist das VR und AR auch Kommunikationstechnologien sind und daher soziale Aspekte in deren Entwicklung berücksichtigt werden müssen.

Das Themen-Wochenende in Zusammenarbeit von Ars Electronica und der Industriellenvereinigung OÖ „Virtuelle Welten – Neue Realitäten“ findet von Freitag, 6. April 2018, bis Sonntag, 8. April 2018, im Ars Electronica Center statt. Alle Informationen zum Programm finden Sie auf unserer Webseite

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