The Practice of Art and Science am Ars Electronica Festival 2018

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Was passiert, wenn Kunst auf Wissenschaft trifft? Eine Frage, die bei Ars Electronica grundsätzlich in den meisten Projekten ganz groß geschrieben wird. Weil die Verbindung zwischen Art und Science aber besondere Aufmerksamkeit verdient, werden bei „The Practice of Art and Science“ auch am diesjährigen Ars Electronica Festival, von 6. bis 10. September 2018, wieder einige Projekte hervorgehoben, die genau an dieser spannenden Schnittstelle angesiedelt sind.

Ob Fashion und moderne Technologie, rein wissenschaftliche Forschungsarbeiten oder Kunst in der Raumfahrt, „The Practice of Art and Science“ zeigt unterschiedlichste Beispiele aus der Arbeit von KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen. Festivalleiter Martin Honzik und Festival-Organisationsleiterin Veronika Liebl haben im Interview einige davon verraten.

The Kepler Station. Credit: Florian Voggeneder

Was erwartet FestivalbesucherInnen dieses Jahr bei „The Practice of Art and Science“?

Martin Honzik: Art & Science ist grundsätzlich ein Metathema der Ars Electronica und in fast allen Projekten wiederzufinden. Es wird aber auch dieses Jahr am Festival wieder einen besonderen Schwerpunkt geben. Er setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen: einer Ausstellung zu den STARTS-Projekten (Science, Technology and the Arts – eine Initiative der Europäischen Kommission), einem Schwerpunkt zu Arbeiten, die aus dem Design kommen und sich mit Kunst und Wissenschaft auseinandersetzen und rein wissenschaftlichen Forschungsprojekten, die das Festival nützen, um mitten im Prozess der Entwicklung einen Zwischenauftritt in der Öffentlichkeit zu haben. Ist man durch diese drei Bereiche hindurch spaziert, landet man im Hackathon-Bereich, wo die Firma g.tec medical engineering ihre Brain-Computer-Interfaces an eine kreative, technologisch affine Crowd gibt und in einem Hacking-Wettbewerb herausfindet, was diese mit der Technologie so alles anstellt. Ebenfalls in dieser Ecke des Festivals angesiedelt ist der Future Innovators Summit, der ein prägender, gestalterischer und lebendiger Teil sein wird.

Veronika Liebl: Genau. Beginnt man links nach dem Infodesk, taucht man direkt in den STARTS Bereich ein. Dann geht man in Richtung Fashion und Art&Science Bereich und endet nach einer scharfen Kurve in der Hackathon Area. Richtung Ausgang der POSTCITY liegt der Space Art Bereich, der sich der Schnittstelle Kunst – Raumfahrt widmet.

SPHAERE. Credit: Gregor Göttfert, Florian Kofler

Kunst und Wissenschaft ist eigentlich das Kernthema der Ars Electronica. Warum wird es in einem speziellen Bereich noch einmal gesondert hervorgehoben?

Martin Honzik: Weil es Programme sind, die genau unter dieser konkreten Flagge laufen und weil außerdem im Kontext von Kunst und Wissenschaft sehr viele Dinge passieren, die eine besondere Aufmerksamkeit verdienen. Sie heben den Kontext Kunst und Wissenschaft auf eine neue Ebene. Kunst ist hier nicht, und war es bei uns auch noch nie, dekorativ für die Wissenschaft. Kunst nimmt auf die Wissenschaft Einfluss und wird von der Wissenschaft auch so akzeptiert.

Veronika Liebl: Kunst ermöglicht es in diesem Kontext auch, neue Wege einzuschlagen und alte Denkmuster beiseite zu schieben. Genau danach suchen wir auf dem Weg zu gesellschaftlicher Innovation. Ein wesentlicher Grund, warum wir dieser Verbindung auch eine eigene Plattform am Ars Electronica Festival zur Verfügung stellen möchten, ist die Tatsache, dass wir hier ganzjährig mit vielen Institutionen und Organisationen eng zusammenarbeiten und die Ergebnisse eben auch präsentieren möchten. Wir sprechen von Universitäten wie dem MIT Media Lab, nationalen Unternehmen wie Greiner, Rosenbauer und g.tec medical engineering aber auch globalen Institutionen wie die European Space Agency (ESA). Oftmals entspringen diese Kooperationen auch aus interdisziplinären Forschungskooperation: zum Beispiel jene Projekte, die vom Horizon 2020 Forschungsprogramm der Europäischen Kommission gefördert, wie zum Beispiel die STARTS Residencies oder Wear Sustain. Beide arbeiten an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft und zeigen am Festival ihre derzeitigen Prototypen und Forschungsergebnisse.

Expanding Bodies in Expanded Realieties, Fashion & Technology. Credit: Julio Escudero

Könnt ihr schon einige Beispiele verraten?

Veronika Liebl: Ein Highlight ist sicherlich der Fashion Bereich. Hier präsentiert zum Beispiel der Studiengang Fashion & Technology der Kunstuniversität Linz die ersten Bachelor-Arbeiten.

Martin Honzik: Sie gehen damit das erste Mal an die Öffentlichkeit. Es ist der Beginn einer längerfristigen und größer angelegten Kooperation, die sich über die nächsten Jahre, wenn der Studiengang auch als Master und vielleicht sogar PhD verfügbar sein wird, erstreckt.

Veronika Liebl: Ein weiteres Highlight in diesem Bereich ist Wear Sustain. WEAR (Wearable Technologists Engage with Artists for Responsible Innovation) Sustain ist ein STARTS Projekt, das von der Forschungs- und Innovationsinitiative der Europäischen Kommission Horizon 2020 finanziert wird, um Kunst-, Design- und Kreativindustrien dazu zu bewegen, enger mit der Technologie- und Maschinenbauindustrie zusammenzuarbeiten und die Entwicklung der Wearables- und E-Textil-Landschaft auf einen nachhaltigeren und ethischeren Ansatz auszurichten. Sie verfolgen das Ziel wirklich beginnend vom Design über die Produktion bis hin zum nachhaltigen Verkauf die Branche zu revolutionieren. Es geht darum, in dieser riesigen Industrie neue Modelle  zu generieren. Wir sprechen hier von Projekten, die Datensicherheit als Teil des Bekleidungsdesign, Umweltaspekte, Integrationsthematiken oder Materialinnovationen in den Mittelpunkt stellen.

Was passiert bei Space Art?

Martin Honzik: Die Raumfahrt hat als Thema große Relevanz für uns bei Ars Electronica, und das auch im Kontext von „The Practice of Art and Science“. Es gibt schon länger eine gelebte Kooperation mit der ESA und dem European Southern Observatory (ESO). Sie waren beide sehr agile und kooperative Partner bei einem der ersten von der EU geförderten Art & Science Projekte, das von Ars Electronica initiiert wurde – dem European Digital Art & Science Network. Es ist ein Programm, wo wir uns als Institution in Europa im Kontext Kunst und Wissenschaft etablieren konnten. Diese Kooperation, aber auch der technologische Einfluss und die philosophische Herausforderung, den Weltraum in unser Weltbild miteinzubeziehen, sind alles Dinge, die wir dieses Jahr unterstreichen möchten. In einem eigenen Raum wird es also um künstlerische Perspektiven gehen, die zeigen, wie der Weltraum Teil unserer Welt wurde und ist. Zwei Projekte kommen sogar von oberösterreichischen Künstlern, nämlich „SPHERE“ von Gregor Göttfert und Florian Kofler sowie „The Kepler Station“ von Florian Voggeneder. Miha Turšič zeigt „KOSMICA Parliament“, Nahum bringt “The Contour of Presence” und auch das MIT Media Lab präsentiert eine Reihe von Projekten.

KOSMICA Parliament. Credit: Miha Turšič 

Welche Projekte kommen von der rein wissenschaftlichen Seite zu „The Practice of Art and Science“?

Martin Honzik: Das ASSISIbf Projekt ist zum Beispiel eines der interessantesten Projekte in diesem Bereich. Es stammt von einem Konglomerat aus drei Universitäten, aus der Schweiz, Italien und aus Österreich, deren Forschungshintergrund und –Ziel ist es, Schwarmintelligenzen aus der Natur mit der Netzwerkintelligenz neuronaler Netzwerke zu vergleichen und sich gegenseitig nutzbar zu machen. Konkret untersuchen sie das Verhalten von Fischen und Bienen. Kann man am Schwarmverhalten erkennen, ob Anomalien in der Natur vorhanden sind? Radikale oder plötzliche Umweltveränderungen? Das Ziel ist, ein neues Bewusstsein des Menschen für seine Umwelt zu generieren und sich die Umwelt so nutzbar zu machen, dass man anhand der Veränderungen des Verhaltens von Bienen und Fischen erkennt, wie hoch die Umweltbelastung für Tiere und Menschen ist. Es ist ein extrem cleverer Zugang.

aqua_forensic. Credit: Robertina Šebjanič, Gjino Šutić

Auch die European Media Art Platform (EMAP) ist wieder vertreten…

Veronika Liebl: Das wird ein absolutes Highlight! EMAP ist eines unsere derzeitigen Residency Programme, in denen wir involviert sind – gefördert vom Creative Europe Program der Europäischen Union. Ars Electronica und 10 weitere europaweite Institutionen wie FACT, LABoral, Onassis Cultural Center, IMPAKT, Bandit-Mages oder WRO Center vergeben jährlich Produktionstipendien an herausragende europäische MedienkünstlerInnen. In unserem Fall waren das 2018 die Künstlerin Robertina Šebjanič und der Wissenschaftler Gjino Šutić, die Schadstoffe und Rückstände im Lebensraum Wasser analysierten. Für ihr Projekt machten die beiden Tests an der Donau und in Dubrovnik. Zusätzlich zu ihrer Installation (präsentiert im Bunker als Teil der Error in Progress Ausstellung) werden auch noch 5 andere Projekte präsentiert, die aus Residencies entstanden.

Veronika Liebl ist derzeit stellvertretende Bereichsleiterin bei Ars Electronica und zuständig für Organisation und Finanzen im Bereich Festival/Prix/Exhibitions. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Kepler Universität in Linz (Abschluss 2010) mit Auslandsaufenthalten an der Harvard University (US) und der Université de Fribourg (CH). Seit 2013 absolviert sie berufsbegleitend ihren Master of Business Administration für Innovationsmanagement an der LIMAK Linz – Austrian Business School. Seit 2011 übernimmt sie das Kulturmanagement für die Abteilung Festival / Prix / Exhibitions und leitet in dieser Funktion maßgeblich die Entwicklung europäischer Kulturkooperationen bei Ars Electronica und realisiert in dieser Funktion laufend EU-Projekte unter Creative Europe, Horizon 2020 und Erasmus +.

Martin Honzik Festival Leiter Ars Electronica

Martin Honzik ist Künstler und Leiter des Ars Electronica Festivals, Prix Ars Electronica und Exhibitions. Er studierte visuelles experimentelles Design an der Kunstuniversität Linz (Abschluss 2001) und absolvierte den Masterstudiengang Kultur- und Medienmanagement an der Universität Linz und am ICCM Salzburg (Abschluss 2003). Neben seiner Tätigkeit als freier Künstler in verschiedenen Kunstprojekten war er Mitarbeiter des Ars Electronica Futurelabs, wo er bis 2005 unter anderem Ausstellungsdesign, Kunst in der Architektur, Interfacedesign, Eventdesign und Projektmanagement betreute. Seit 2006 ist Martin Honzik Direktor des Ars Electronica Festivals und des Prix Ars Electronica und verantwortlich für die Ausstellungen im Ars Electronica Center sowie für die internationalen Ausstellungsprojekte der Ars Electronica.

„The Practice of Art and Science” ist am Ars Electronica Festival von 6. bis 10. September 2018 im ersten Obergeschoss der POSTCITY Linz zu den regulären Festivalöffnungszeiten zu sehen. Alle Informationen finden Sie auf unserer Webseite.

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