Mit dem Concept Fire Truck, der beim Ars Electronica Festival 2018 in der POSTCITY zu sehen ist, unterstreicht Rosenbauer seine weltweite Technologieführerschaft im Bereich der Feuerwehrausrüster – und setzt auch gleich den nächsten Schritt. Im Fokus stehen dabei Schwarmsteuerungen und autonome Vehikel – ein zentrales Forschungsfeld des Ars Electronica Futurelab und Grund genug für eine Annäherung der beiden Unternehmen.
Mit aufsehenerregenden Shows und einem Guinness-World-Record, als man gemeinsam mit Intel im November 2015 den bis dahin größten autonomen Drohnenschwarm fliegen ließ, hat sich das Ars Electronica Futurelab weltweit einen Namen in diesem Bereich gemacht. Das Linzer Labor-Atelier hat ein Betriebssystem zur Schwarmsteuerung autonomer Vehikel (SwarmOS) entwickelt, das bereits bei internationalen Industrieriesen wie NTT (Japan) als Entwicklungsplattform für deren Forschungsabteilungen genutzt wird und nun auch als Arbeitsbasis für Rosenbauer dienen wird. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach potentiellen Einsatzmöglichkeiten autonomer Schwärme im Bereich der Blaulicht-Dienste, wie Dipl.-Ing. Michael Friedmann (Head of Strategy, Innovation and Marketing Rosenbauer) und Horst Hörtner (Leiter Ars Electronica Futurelab) im Interview gemeinsam diskutieren:
Gemeinsam mit Ars Electronica Futurelab forscht Rosenbauer ab sofort rund um die Schwarmsteuerung autonomer Vehikel. Wo sehen Sie Ihre Gemeinsamkeiten?
Michael Friedmann: Die Gemeinsamkeit ist sicher die Faszination alles auszuprobieren. Rosenbauer beweist seit über 152 Jahren enormen Pioniergeist. Wir haben immer wieder neue Innovationen entwickelt – angefangen vom Hochdrucklöschverfahren, über das Großflughafenlöschfahrzeug „Rosenbauer Panther“ bis zum neuen Feuerwehrhelm. Mittlerweile gibt es kaum noch neue Entwicklungen ohne digitalen Anwendungen – in allen neuen Technologien findet man digitale Lösungen. Es gilt Neues auszuprobieren und Erfahrung zu sammeln und das herauszudestillieren, was in Zukunft beim Einsatz Unterstützung bringen kann. Und genau dieses Ausprobieren und diesen Spieltrieb finden wir auch beim Ars Electronica Futurelab. Dass man das Spielerische ernstzunehmend einsetzen kann, das ist eigentlich der spannende Punkt für uns. Was kann man daraus mitnehmen und in ein System bringen, das Menschenleben schützt oder rettet?
Horst Hörtner: Es ist jedes Mal wieder ungemein spannend, mit einem kreativen und innovativen Entwicklungspartner neue Wege zu gehen, von denen man noch nicht weiß, wohin sie einen führen werden. Die Zusammenarbeit stützt sich auf das von uns entwickelte Swarm OS. Eine Entwicklung, die mit unseren Spaxels, den mit LEDs bestückten Drohnen, die in Schwärmen leuchtende Figuren in den Nachthimmel zaubern, begonnen hat. Jetzt findet der Versuch statt, seitens Rosenbauer das Swarm OS nach all den Erfordernissen auszutesten und damit Erfahrung zu gewinnen. Der springende Punkt ist ja, dass das Swarm OS nicht mehr nur im Bereich des Entertainments und der Kunst angesiedelt ist. Durch unsere Partnerschaft mit Rosenbauer kann der Einsatzbereich dieses Systems auf einen völlig anderen Bereich sinnvoll ausgeweitet werden. Das ist extrem spannend. Eine Erweiterung unserer Entwicklung von Schwarmtechnologie der vergangenen sechs Jahre!
„Hier ist wahnsinnig viel Leidenschaft im Team von Rosenbauer und im Team des Ars Electronica Futurelab, sich mit Fragestellungen auseinanderzusetzen. Das ist mehr als Engineering.“
Die Möglichkeiten von SwarmOS sind also auch im Fahrzeugbau von Feuerwehren einsetzbar?
Michael Friedmann: Bei uns war das Wissen darum, dass Ars Electronica Futurelab Drohnenschwärme steuern kann, ein Missing Link. Es ist uns bewusst, dass wir in Zukunft vielleicht nicht nur einzelne sondern auch Drohnen in Schwärmen einsetzen werden – beispielsweise bei der Vermisstensuche. Erst durch das gemeinsame Experimentieren haben wir entdecket, dass wir mit Swarm OS die Möglichkeit haben, die Vehikels – das können Drohnen sein oder auch andere Fahrzeuge – mit unserem Einsatzmanagement EMEREC zu verknüpfen.
Was ist EMEREC eigentlich genau?
Michael Friedmann: EMEREC ist ein Einsatzmanagementsystem, das zum einen auf Telemetriedaten der Fahrzeuge zugreift, zum anderen auf cloudbasierte Daten und Systeme. Für die Telemetriedaten hat Rosenbauer ein eigenes System, das „service4fire“ heißt und zunächst die Fahrzeugdaten übernimmt und dann intelligent interpretiert. Mit „service4fire“ weiß man, wo das Fahrzeug steht, und wie es dem Fahrzeug geht, welchen Wasserstand es hat, wie der Treibstoffstand ist. Und wenn das Fahrzeug Fehler rückmeldet, dann bekommt diese Information nicht nur der/die KommandantIn auf das Smartphone geschickt sondern diese kann mit den AnwenderInnen und Feuerwehrleuten geshared werden, d.h. jeder kann auf Tablets und Smartphones auf diese Informationen in Echtzeit zugreifen, natürlich auch die vom Einsatzort entfernte Leitstelle. Bei ein oder zwei Fahrzeugen würde man das vielleicht nicht brauchen, aber bei einem Großschadensereignis mit 50 verschiedenen Feuerwehren und insgesamt 200 Fahrzeugen ist es gut zu wissen, welches Fahrzeug noch voll einsatzbereit ist.
Es geht also um das Verknüpfen all der verfügbaren Daten?
Michael Friedmann: Ja genau, das ist ein Verknüpfen der Telematiksysteme jedes im Einsatz befindlichen Fahrzeuges. Und dazu kommen noch wahnsinnig viele Tools wie ein Zugriff in die Cloud zu chemischen Datenbanken, zu Datenbanken über Kraftfahrzeuge – wo kann man bei einem Unfall mit den Rettungsgeräten am besten ansetzen, wo ist der Treibstofftank verbaut, worauf muss man sonst noch achten? Darüber hinaus kann die Feuerwehr wichtige Daten von Gebäuden oder der betroffenen Infrastruktur einbinden. Wo sind die Hydranten, wie sieht der Bauplan der Schule, des Krankenhauses oder des Museums aus? Das ganze Einsatzmanagement bekommt eine neue Dimension. Dort möchten wir künftig jedoch nicht nur unsere Fahrzeuge andocken, sondern auch Assistenzsysteme und Vehicles wie z.B. den Raupenmanipulator, die Drohne oder einen ganzen Drohnenschwarm. Wir wollen in Realtime Zugang haben zu den Sensoren und zur Payload der Drohne, oder zu einem Roboterarm oder einem Detektor am Raupenmanipulator.
Horst Hörtner: Und genau hier dockt das Ars Electronica Futurelab an. Unser „Swarm OS“ hat eine offene API-Schnittstelle, mit der die Software mit dem EMEREC-System direkt kommunizieren kann. Das EMEREC-System kann sich damit weiterhin auf seine Anwendungsziele konzentrieren, die Drohnen fliegen jedoch autonom. Als wir gemeinsam die ersten Möglichkeiten dieser Schnittstelle durchgingen, kam es regelrecht zu einer Explosion von unzähligen Ideen.
Wie geht es nach dem ersten Kennenlernen der Systeme weiter?
Michael Friedmann: Wir müssen natürlich noch weiter ausprobieren, erste Ideen prototypisch integrieren. Funktioniert es oder muss man es adaptieren? Wenn es funktioniert, dann kann man sich experimentell weiter hinauswagen. Wir greifen die Möglichkeiten von Swarm OS auf und versuchen es in unser System zu integrieren.
Horst Hörtner: Der nächste Schritt ist sicherlich, zu schauen, wie man die Anbindung an das EMEREC hinbekommt. Die Entwicklung des EMEREC bleibt ja vollständig bei Rosenbauer und Swarm OS ist weiterhin beim Ars Electronica Futurelab lokalisiert. Es gilt zu schauen, wie tragfähig ist die Schnittstelle zwischen den beiden Systemen. Hunderttausend Ideen sind bisher aufgetaucht. Das muss man alles jetzt sortieren und auf den Boden bringen.
In welchen Bereichen könnte man SwarmOS im Feuerwehrwesen einsetzen?
Michael Friedmann: Die Anwendungsfälle dieser Ideen sind sicherlich die Vermisstensuche, die Detektion und Sensorik, einfach klassische Anwendungsfälle, wo wir schon jetzt Drohnen einsetzen können. Das geht von ganz kleinen Drohnen, die zur Erkundung eingesetzt werden, über mittlere Drohnen mit einer gewissen Payload und Kamerasystemen oder Beleuchtungsmöglichkeiten, bis zu Schwerlastdrohnen, die dann vielleicht sogar auch Löscheinsätze fliegen könnten.
„Was wir aber schon heute sehen, wenn wir Zukunftsstudien mit jungen Kreativen machen, dann gibt es bei der Frage, wie die Feuerwehrwelt in 20 Jahren aussehen wird, absolute Einigkeit: diese Welt wird autonom. In der Gedankenwelt dieser jungen Kreativen, DesignerInnen und EntwicklerInnen bewegt sich also alles nur mehr unbemannt. Der Mensch bleibt bei seiner wichtigsten und entscheidenden Rolle – er ist kontrollierend und vor allem kreativ schöpfend.“
Wenn Sie mehr über Schwarmsteuerung und ihre Einsatzbereiche wissen möchten, dann empfehlen wir Ihnen einen Besuch bei der Präsentation der „Spaxels Research Initiative“ während des Ars Electronica Festival 2018 in der POSTCITY Linz, Samstag, 8. September 2018, 16:00 – 18:30. Mehr dazu auf ars.electronica.art/error/spaxels-research