Noch beeindruckender sind sie nur in natura: Die Alpen. Schroff und felsig ragen sie vor den Köpfen des Publikums auf, meterhoch, schneebedeckt. Trotzdem sitzen alle, die zusehen, auf nur knapp über 250 Höhenmetern, im Ars Electronica Center in Linz. Hier, vor der 16×9 Meter-Leinwand im Deep Space 8K, erzählen Marlies Czerny und Andreas Lattner, BergsteigerInnen und Storytellers, im Vortrag „4000ERLEBEN“ von ihren Abenteuern über 4000 Meter Seehöhe.
Dass beide Termine für „4000ERLEBEN“ innerhalb kürzester Zeit ausverkauft waren, spricht wohl für sich – für alle, die trotzdem gerne mehr wissen möchten, verrät Marlies Czerny, die erste Österreicherin auf allen 82 4000ern der Alpen, mehr.
Credit: hochzwei.media, Robert Bauernhansl
Du und Andreas seid BergsteigerInnen und gleichzeitig professionelle GeschichtenerzählerInnen – wie kam es zu dieser doch eher ungewöhnlichen Kombination?
Marlies Czerny: Bei Andi war es so, dass er relativ klassisch in die Berge gekommen ist. Er war oft mit den Eltern wandern. Bei mir war das ein bisschen anders, weil meine Eltern führten ein Gasthaus, da war einfach nie Zeit fürs Bergsteigen. Nach der Schule habe ich gleich mit meinem Traumjob begonnen, ich bin Journalistin worden und habe ziemlich viel gearbeitet. Bis mein Chef nach zwei Jahren einmal gesagt hat, ich solle acht Wochen Urlaub abbauen! Ich wusste eigentlich gar nicht, was ich mit meiner Freizeit tun sollte, und bin einfach einmal wandern gegangen, bei uns daheim auf die Grünburger Hütte. Der erste Schritt raus ins Freie war echt ein Schritt zu mir. Mein Urlaubsproblem war schnell gelöst, weil ich dann jede freie Minute in den Bergen war – und da habe ich auch Andi kennengelernt. Wir haben die ersten Bergtouren gemeinsam unternommen, aber dass wir uns auch im Tal gut verstehen, haben wir erst ein paar Jahre später bemerkt.
Ich meinem Job als Sportjournalistin war ich ziemlich viel unterwegs, es waren immer dieser journalistische Alltag und die Hektik da. Die Berge haben mich aber immer aus dem Ganzen rausgeholt, weil ich da so eine Ruhe gehabt habe. So sind die Berge immer wichtiger geworden. Insgesamt war ich zehn Jahre lang als Journalistin angestellt und stand dann irgendwann vor dem Punkt, an dem ich dachte, eigentlich könnte ich ja meinen Beruf, das Schreiben, mehr mit den Bergen verbinden. Nachdem Andi schon immer gerne und gut fotografiert hat, haben wir uns gefragt – warum machen wir das nicht einfach gemeinsam? Er hat schließlich auch seinen Job gekündigt, da war er am Schluss auch nur mehr Teilzeit.
Credit: hochzwei.media, Vanessa Graf
Du bist die erste Österreicherin, die auf allen 82 4000ern der Alpen war. Was war der Moment, in dem du wusstest: Ich muss auf alle rauf?
Marlies Czerny: Diesen Moment weiß ich noch sehr gut, weil damals haben Andi und ich eine ziemlich lange Bergtour unternommen. Nach der Tour waren wir zu müde, um noch irgendwohin zu starten. Wir saßen in der Schweiz an einem See und Andi hat mich beiläufig gefragt, auf wie vielen 4000ern ich eigentlich schon war. Ich wusste es gar nicht, weil ich nie ein Tourenbuch geführt hatte – das Bergsteigen war immer nur mein Ausgleich, das wollte ich in der Freizeit gar nicht aufschreiben, schließlich mache ich das doch im Job. Es gibt aber so einen 4000er-Führer, den nahm ich in die Hand und habe meine ganzen Touren, die ich schon gemacht hatte, durchgestrichen. Als ich hochgezählt habe, war ich selbst überrascht: Es waren schon 62. Da fehlten eigentlich nur mehr 20! Da dachte ich dann also – ja, warum nicht alle?
Was findest du oben am Berg, was dir im Tal fehlt?
Marlies Czerny: Ruhe, Einsamkeit, Weitblick, wunderschöne Sonnenaufgänge und vor allem auch Fokus und Konzentration.
Marlies und Andreas bei ihrem Vortrag. Credit: Vanessa Graf
Wie gehst du mit der Gefahr am Berg um? Bergsteigen ist doch eine ziemliche Herausforderung…
Marlies Czerny: Ja. Und die kann man sich immer wieder selbst schön suchen und meistern. Es ist immer ein super Gefühl, wenn man das schafft, und vor allem auch, wenn man es mit dem Partner gemeinsam schafft. Wenn man so etwas gemeinsam meistert, schweißt das schon noch einmal mehr zusammen.
Gibt es viele Momente, in denen ihr schwierige Entscheidungen treffen müsst?
Marlies Czerny: Boah, die gibt es sehr oft. Sehr, sehr oft. Als Bergsteiger oder Bergsteigerin muss man sehr viele Entscheidungen treffen, im Sekundentakt – wohin man geht, wohin man steigt, wohin man greift. Also nicht nur, ob es gleich ums Umdrehen geht! Aber man trifft richtig viele Entscheidungen für das eigene Leben. Man hört sicher viel auf das Bauchgefühl, auch auf die Erfahrungen, die man bisher so gemacht hat. Manchmal ist das auch zum Diskutieren, was spricht dafür und was spricht dagegen, aber ich finde, da ist es gut, wenn man einen Partner hat, dem man vertraut. Man weiß, der kennt mich und ich kenne ihn, und dann trifft man eine gemeinsame Entscheidung. Und die Entscheidung, die man trifft, die passt einfach. Das sind oft Entscheidungen, wo du weißt, wenn du da was falsch machst, kommst du nicht mehr heim.
Credit: hochzwei.media, Robert Bauernhansl
Ihr habt jetzt mehrere perfekte Bergtage geopfert, um an eurem Vortrag zu arbeiten. Die Premiere war im Deep Space 8K – warum diese Location?
Marlies Czerny: Wo hat man sonst die Möglichkeit, außer in echt, die Berge so hautnah und so groß vor einem zu haben? Wir waren vorher schon einmal im Deep Space 8K und das hat uns echt begeistert. Diese 16 mal 9 Meter Leinwand, aber gleichzeitig die Nähe zum Publikum. Ich glaube, wir hätten doppelt oder dreimal so viele Karten verkaufen können, aber wir wollten diesen coolen und doch ein bisschen exklusiven Rahmen. Hier glaubst du echt, du bist mitten drinnen auf der Tour. Ich glaube, gerade, wenn man einen Berg wirklich als LIVE-Reportage schildert, haben die Leute wirklich das Gefühl, sie klettern da direkt mit. Das kann man auf einer kleinen Leinwand gar nicht so rüber bringen wie hier.
Hast Du Tipps für angehende BergsteigerInnen, die auch hoch hinaus wollen?
Marlies Czerny: Ja: Klein anfangen. Am besten auf den Hausberg gehen. Ich glaube, es ist ein stetes Wachsen im Berg. In den Bergen kann man sich ständig steigern, mal längere Touren, mal höher hinaus, und das wichtigste ist, gerade so auf Hochtouren, wo man auch auf Gletschern unterwegs ist, die Gefahren haben, oder auf schmalen Graten klettert, dass man weiß, was man tut. Es gibt sehr viele Ausbildungen, die man absolvieren kann, danach hat man einfach ein besseres Gefühl und kann das mehr genießen, wenn man unterwegs ist. Es ist auch super, wenn man Partner oder Partnerinnen hat, von denen man lernen kann. Umgekehrt ist es auch super, wenn man ein bisschen in die Führungsrolle kommt und selbst Verantwortung übernehmen muss oder darf. Sowohl Andi als auch ich haben schon mehrere Wochen Ausbildungen absolviert, wir haben uns von Bergführern zu Instruktoren und Instruktorinnen für Hoch- und Skitouren ausbilden lassen. Da kann man echt sagen: Das ist die Basis ist für weitere Entscheidungen.
Credit: hochzwei.media, Vanessa Graf
Was ist euer nächstes Abenteuer?
Marlies Czerny: Das nächste Mal den Vortrag im Deep Space zu halten! (lacht) Na, so bergmäßig, mal schauen. Wir haben heuer einen 8000er probiert in Pakistan, da hat das Wetter leider gar nicht mitgespielt. Mal sehen, ob wir wieder höher hinauswollen, aber eigentlich haben wir gesehen, auch jetzt beim Vortrag-Vorbereiten, wie schön unsere Alpen sind. Dass wir da wieder ein paar Wochen unterwegs sind und klettern und paragleiten, das ist glaube ich das, was uns als nächstes vorschwebt.
Marlies Czerny schrieb zehn Jahren hauptberuflich für eine große österreichische Tageszeitung und wagte 2017 den Schritt in die Selbstständigkeit. Ihre Geschichten sind immer wieder in diversen Magazinen zu lesen. Zwischen Großereignissen wie Ski-WM und Beachvolleyball-Grand-Slam begann die Journalistin vor zehn Jahren als Ausgleich mit dem Wandern und lernte die Berge lieben. Mittlerweile stand die staatlich geprüfte Instruktorin für Hochtouren und Skitouren auf jedem der 82 Viertausender der Alpen.
Andreas Lattner hat den Fels seit seiner Jugend fest im Griff und fühlt sich auch in der Luft in seinem Element. Der ausgebildete Techniker und staatlich geprüfte Instruktor für Hochtouren hat sich auch in seinem Teilzeit-Job lange Zeit um Absturzsicherung gekümmert. 2018 – ein Jahr nach Marlies – beendet auch er diesen. Andi legt den Fokus nun voll und ganz auf Fotografie und grafische Gestaltung, um den gemeinsamen Ideen ein kreatives Gesicht zu geben. Bis es beiden so richtig gefällt, verbringt er öfters Nächte vor dem Computer (oder mit der Gitarre).
Marlies und Andreas zeigten die Premiere ihres Berg-Vortrags „4000ERLEBEN“ am 12. Oktober 2018 im Deep Space 8K im Ars Electronica Center. Am 9. November 2018 findet ein weiterer Vortrag statt – leider schon ausverkauft! Mehr über die beiden erfahren Sie hier.
Um mehr über Ars Electronica zu erfahren, folgen Sie uns auf Facebook, Twitter, Instagram und Co., abonnieren Sie unseren Newsletter und informieren Sie sich auf https://ars.electronica.art/.