Roboter müssen nicht immer schweißen, heben oder schrauben – manchmal zeichnen sie auch, einige schnitzen etwas, wieder andere tanzen sogar. Kurzum, auch Roboter können für kreative Zwecke eingesetzt werden. Wie genau das aussehen kann? Daran forschen Johannes Braumann, Leiter des Labors für Kreative Robotik an der Kunstuniversität Linz, und sein Team.
Für die Vortragsreihe „Future in a Nutshell“, die Ars Electronica Export für den Kunststoffhersteller Greiner in Kremsmünster zusammenstellte, berichtete der Robotik-Experte im Dezember 2018 von seiner Arbeit. Mit uns hat er sich zum Interview getroffen und ein paar Eindrücke geteilt…
Credit: Stadt Linz / Dworschak
In der Kreativen Robotik benützt ihr Roboter, die normalerweise in der Wirtschaft verwendet werden. Was machen diese Roboter üblicherweise?
Johannes Braumann: Wir arbeiten mit Industrierobotern, wie der Name schon sagt, kommen sie aus der Industrie. Wenn man normalerweise an die Robotik denkt, geht es um Maschinen, die extra entwickelt werden. Uns interessiert aber nicht so sehr, die Roboter selbst zu bauen, sondern mit den Robotern Dinge zu machen, die sie sonst nicht tun. Deswegen setzen wir Maschinen ein, die schon existieren. Wir beginnen also nicht komplett bei Null, sondern arbeiten mit einer Maschine, die schon robust gebaut und entwickelt ist und die genau das macht, was man ihr sagt.
Aus welchen Sparten der Industrie kommen die Roboter?
Johannes Braumann: Anfänglich sicher aus der Automobilindustrie. Das Bild, das man von der Autoproduktion im Kopf hat, sind diese vielen orangen Roboter, die am Auto schrauben, schweißen, kleben, heben, also ganz unterschiedliche Sachen machen. Genau mit diesen Maschinen arbeiten wir auch. Man findet diese Maschinen mittlerweile aber auch mehr und mehr in anderen Sparten, bei Greiner werden sie zum Beispiel bei der Verpackung eingesetzt. Sie heben Produkte auf Paletten oder packen sie ein. Dieselben Roboter werden aber auch in der Lebensmittelindustrie oder sogar in Vergnügungsparks eingesetzt. Das Spannende dabei ist, dass wir die Roboter mit unterschiedlichen Werkzeugen ausstatten können, wodurch aus einem Roboter, der im Vergnügungspark ein Robocoaster ist, ein Roboter werden kann, der Plastik bewegt oder Autos zusammenschweißt. Es kommt primär auf das Werkzeug an, was auf dem Roboterarm ist. Das macht diese Maschinen sehr flexibel.
PRINT A DRINK / Benjamin Greimel; Philipp Hornung; Johannes Braumann; PRINT A DRINK; Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz. Credit: Ars Electronica / Martin Hieslmair
Was kann man sich also unter Kreativer Robotik vorstellen?
Johannes Braumann: Ähnlich wie der Begriff Roboter sehr vage ist, ist es auch Kreativität. Alle verstehen etwas anderes darunter. Für uns ist aber genau diese Freiheit etwas sehr angenehmes, weil wir damit nicht so festgelegt sind. Wir sind nicht nur in der additiven Fertigung und im 3D-Druck unterwegs, wir sind nicht nur im Subtraktiven, nicht nur bei Visuellen Medien oder digitaler Kunst unterwegs, sondern wir sind absichtlich sehr breit gefächert. Kreativ kann für mich auch etwas sehr Technisches sein. Kreativ bedeutet wirklich, um die Ecke zu denken, neue Lösungen zu finden und damit Innovation und neue Projekte zu schaffen. Somit arbeiten wir mit Künstlerinnen und Künstlern an Projekten, wo oft auch der Roboter selbst das Kunstwerk ist. Wir arbeiten mit Handwerksunternehmen, wo es um die Produktion von greifbaren Objekten geht, und wir sind auch in dem Bereich der Virtual und Augmented Reality unterwegs, wo es darum geht, wie man diese Welten miteinander verbindet.
Wie steuert ihr die Roboter an?
Johannes Braumann: Wir entwickeln eine eigene Software, die mit einer visuellen Programmieroberfläche funktioniert. Die Software heißt KUKAǀprc, das steht für Parametric Robot Control. Sie wurde von uns genau dafür entwickelt, dass man, um mit Robotern arbeiten zu können, nicht dieses sehr spezifische Roboter-Wissen braucht, sondern mit einer Oberfläche arbeitet, die zum Beispiel vielen Architekten und Architektinnen, Designern und Designerinnen, aber auch Künstlern und Künstlerinnen schon bekannt ist. Man kann damit ganz leicht das, was man normalerweise zeichnet, mit dem Roboter verbinden. Der Roboter bringt das Ganze aus der digitalen Zeichnung in das wirklich physische Objekt oder die kinetische Skulptur oder einfach in den Output.
Wie entstand die Kreative Robotik?
Johannes Braumann: Wir haben damals auf der TU Wien angefangen, Roboter für einen sehr spezifischen Zweck, für das Fräsen, zu verwenden. Wir dachten uns damals, wir könnten doch mit dem Roboter so viel mehr machen als nur Fräsen. Die Möglichkeiten waren sehr begrenzt. Wir hatten die Software fürs Fräsen, aber nichts anderes. Wir haben also begonnen, uns anzuschauen, was der Roboter noch kann. Wir haben den Roboter gehackt. Es ist nicht etwas, das unmittelbar unterstützt wird, es ist kein offenes System, sondern man muss erstmal versuchen, dieses System zu verstehen, um es dann für die eigenen Zwecke umzubiegen. So haben sich dann immer mehr Anwendungen erschlossen. Wir haben gesehen, dass Robotik nicht nur für den Modellbau interessant ist, sondern auch für Eins-zu-Eins-Fertigung, für digitale Medien oder Kunst, oder auch für Handwerk. Wir wollten also diese Schnittstelle, um mit dem Roboter mehr zu machen, und als wir die Schnittstelle dann hatten, haben wir immer mehr erkannt, wo es Interesse und Anwendungen gibt. So geht es uns jetzt auch noch immer! Nach dem Vortrag bei Greiner zum Beispiel traten wieder Leute mit ganz neuen Ideen an uns heran, daraus kann sich Neues entwickeln.
Credit: Robot, Doing Nothing von Emanuel Gollob. Ars Electronica / Martin Hieslmair
Wie können Projekte aus der Kreativen Robotik also aussehen?
Johannes Braumann: Völlig unterschiedlich. Wir haben zum Beispiel jetzt gerade ein Projekt abgeschlossen, in dem es sehr handwerklich um das Polieren von Metall geht. Wir benützen dafür einen Roboter, der Widerstand spürt, weshalb man also neben ihm stehen und arbeiten kann. Der Roboter bemerkt sozusagen, wenn man ihn berührt. Andere Maschinen würden das normalerweise nicht. Dieses Projekt entstand gemeinsam mit einer Firma, bei der dieses kollaborative Biegen von Metall wirklich zum täglichen Geschäft gehört. Es gibt aber auch sehr künstlerischere Projekte, die Leute inspirieren, darüber nachzudenken, was ein Roboter denn noch alles tun kann. Sehr spannend ist der „Robot, Doing Nothing“ von Designer Emanuel Gollob, der gerade bei der Ausstellung „ERROR – The Art of Imperfection“ der Ars Electronica Export im DRIVE Volkswagen Group Forum gezeigt wird. Wir zeigten den Roboter schon einmal 2017, beim Ars Electronica Festival, aber das war natürlich etwas anders – damals ging es nur um fünf Tage. Dieses Mal ging es um eine Installation, die in einem sehr gediegenen, aber somit auch sensiblerem Rahmen aufgebaut werden musste. Es steht also dort jetzt ein schwarzer Roboter mit elastischen, farbigen Fäden, der, wie der Titel sagt, nichts tut. Es geht nicht darum, dass der Roboter etwas produziert, sondern er bewegt sich auf sehr ästhetische Art und Weise und lädt dazu ein, vielleicht nicht nur über Roboter, sondern auch über sich selbst nachzudenken. Ein anderes Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit KUKA: Für das neue Central and Eastern Europe Headquarter arbeiten wir daran, einen Roboter zu entwickeln, der Leute begrüßt. Dieses Projekt vereint verschiedene Wissensfelder, wir bringen Expertise aus der Robotik, ein Künstler aus dem Bereich digitale Medien bringt seine Kenntnisse mit Projection Mapping und Echtzeitvisualisierungen.
Robot, Doing Nothing von Emanuel Gollob. Credit: vog.photo
Das ist ein gutes Beispiel für eure vielen Kooperationen mit Firmen und Organisationen…
Johannes Braumann: Da geht es immer um Vertrauen und Routine, und inzwischen haben wir uns einfach doch, auch international, den Ruf erarbeitet, dass wir uns mit den Geräten auskennen. Man darf nicht vergessen, es geht um Maschinen, die sehr grob sind, sehr schwer und im weitesten Sinne auch gefährlich, wenn man sie nicht richtig einsetzt. Sicherheit ist also schon ein gewisses Thema. Wir haben inzwischen gezeigt, dass wir gute Lösungsansätze finden, um Projekte zu realisieren, die visuell beeindruckend sind, aber trotzdem auf die Umgebung und das Publikum Acht nehmen.
[proteus] / Maria Smigielska, Pierre Cutellic / Kunstuniversität Linz: Labor für Kreative Robotik / ETH Zurich: Institute for Technology and Architecture (ITA), Chair for Computer Aided Architectural Design (CAAD) / Compmonks. Credit: Ars Electronica / Robert Bauernhansl
Was hältst du für die Zukunft der Kreativen Robotik?
Johannes Braumann: Die Mittel und Schnittstellen werden sich immer weiter entwickeln, das ist überhaupt keine Frage. Wir werden uns mit immer mehr Systemen verbinden können, sei das mehr in die Richtung Machine Learning, sei das in Richtung IoT oder etwas ganz anderes. Sehr spannend finde ich, dass Robotik immer ubiquitärer wird, dass wir an immer mehr Orten Maschinen finden werden und dass diese Maschinen immer mobiler werden. Das bringt eine große Breite an Konsequenzen und technischen Herausforderungen mit sich, da ist es mit dem reinen Bauen nicht getan, aber ich glaube, in die Richtung wird es immer mehr geben. Damit solche Sachen auch passieren, sehen wir bei uns einen sehr großen Schwerpunkt in der Vermittlung. Wir wollen Kinder, Jugendliche, aber auch Handwerker, Handwerkerinnen oder Berufstätige in den unterschiedlichen Branchen abholen können und ihnen diese Methoden vorstellen. Ab 2019 werden unsere Roboter aus dem Keller der Kunstuniversität in ein zusätzliches, neues Labor in die GRAND GARAGE in die Tabakfabrik ziehen, wo wir andere Interessenten und Interessentinnen ansprechen können. Es heißt nicht, dass man immer mehr Roboter einsetzen muss, aber ich glaube, es ist wichtig, dass Leute einfach ein Verständnis dafür haben, was möglich ist. Aber natürlich geht es gleichzeitig auch um die Limitationen von Robotern. Wenn man Menschen Erfahrungen gibt, hilft das einerseits, Ängste abzubauen, aber auch Interesse aufzubauen, sich selbst damit zu beschäftigen, und das Wissen vielleicht in ganz neuen Bereichen zu verwenden. Genau so, also durch diese Vermittlung, durch Installationen, Veranstaltungen wie unsere Ausstellungen und Vorträge wie zum Beispiel bei Greiner entstehen bei uns Projekte.
Johannes Braumann gründete gemeinsam mit Sigrid Brell-Cokcan 2011 die Association for Robots in Architecture mit dem Ziel, Roboter der Kreativindustrie zugänglich zu machen. Robots in Architecture ist einerseits als Netzwerk von kreativen, innovativen Roboternutzern aktiv, entwickelt aber auch unter der Leitung von Johannes Braumann mit KUKA|prc eine eigene, hoch anpassbare und gleichzeitig leicht bedienbare Software zur Roboterprogrammierung und -simulation. Inzwischen wird KUKA|prc auch von mehr als 100 internationalen Universitäten und 50 Firmenpartnern für die Programmierung von komplexen, parametrischen Fertigungsprozessen eingesetzt – von großformatiger CNC Fertigung hin zu innovativem 3D Druck in der Bauindustrie. Seit 2017 leitet Johannes Braumann als Universitätsprofessor die Abteilung Creative Robotics an der UfG Linz, welche in enger Zusammenarbeit mit dem Ars Electronica Center und der KUKA Roboter CEE GmbH aufgebaut wurde. Ziel von Creative Robotics ist vor allem der Transfer von handwerklichem oder Prozessspezifischen Wissen auf den Roboter, wobei nicht der Mensch ersetzt, sondern neue Möglichkeiten geschaffen werden sollen. CR arbeitet so einerseits mit Handwerksbetrieben und KMUs zusammen, aber auch mit Firmen wie VW und McLaren. 2018 wurde Johannes Braumann für seine Arbeit mit dem ACADIA Society Award for Leadership ausgezeichnet.
Im Rahmen der Vortragsreihe „Future in a Nutshell“ sprach Johannes Braumann beim Kunststoffkonzern Greiner in Kremsmünster über Kreative Robotik. Die Vortragsreihe wurde von Ars Electronica Export organisiert. Mehr über Ars Electronica Export erfahren Sie hier.
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