netidee: Drei Projekte, drei Motivationen, drei Förderungen

netidee 2018,

Wer schon einmal etwas länger an einem Projekt gearbeitet hat, kennt die Situation: Unerwartete Hürden stellen sich in den Weg, schnell steht die Motivation steht auf der Kippe und der Zeitplan muss über den Haufen geworfen werden – am Ende vielleicht gar das Projekt selbst. Doch soweit muss es gar nicht kommen. Wir haben drei junge Teams von SoftwareentwicklerInnen gefragt, woran sie gerade arbeiten, warum sie mit ihrem Projekt begonnen haben und wann sie Zeit finden, daran zu tüfteln: Der CADMeshConverter von Sabine Pölzlbauer und Georg Wernitznig soll das Vereinfachen von CAD-Modellen abseits von großen Softwarepaketen möglich machen, der Spiele-Editor AudiCom von Florian Güldenpfennig, Michael Urbanek und Michael Habiger möchte das Erstellen von Audio Games erleichtern, und „out of tune“ von Samuel Daurer und Amilian Mayrhofer will Musikempfehlungen bieten, die transparenter sind als es herkömmliche Algorithmen berechnen.

Es sind drei Projekte, die drei Dinge gemeinsam haben: Sie werden im Team programmiert, sind noch nicht fertig entwickelt und gehören zu den geförderten GewinnerInnen der netidee. Bereits zum 13. Mal hat die Internet Privatstiftung Austria bislang die netidee verliehen, bei der jedes Jahr eine Summe von einer Million Euro für Projekte und Stipendien zur Förderung des Internet in Österreich zur Verfügung gestellt wird. Im Jahr 2018 waren dies 25 Projektförderungen und acht Stipendien. Fragen wir doch einmal in die Runde:

Hier wird am CADMeshConverter geschraubt. Credit: Sabine Pölzlbauer

Warum habt ihr begonnen, euer Projekt zu entwickeln?

Sabine Pölzlbauer (CADMeshConverter): Die Durchführung von Augmented-Reality-Projekten (AR) konfrontiert Industriepartner immer wieder mit denselben Hürden, wenn es um die Einbindung von CAD-Modellen geht. Die Aufbereitung von 3-D-Modellen im Bereich von mobilen Endgeräten verursacht großen Zeit- und Kostenaufwand: Sie erfolgt manuell, wodurch zusätzliche Funktionalitäten oftmals auf der Strecke bleiben. Der Wunsch nach einem automatisierten Workflow wurde immer größer, schließlich habe ich bereits sehr viel Zeit mit Konvertierungen und Konvertierungstools verwenden müssen und dadurch weniger Zeit für die spannenden Dinge der AR-Entwicklung zur Verfügung gehabt.

Wie war das bei euch? Warum habt ihr das Projekt ins Leben gerufen?

Florian Güldenpfennig (AudiCom): Ganz kurz: Weil es keine praktikablen Tools gibt, um Audio Games zu designen und das Genre daher nicht so weit verbreitet ist, wie es unserer Meinung nach sein sollte. Unser Team besteht aus drei Köpfen und davon beschäftigt sich vor allem Michael Urbanek seit seiner Diplomarbeit mit Audio Games und deren Design. An diesem Genre fasziniert uns vor allem, dass die Beschränkung auf Tonsignale gleichermaßen die Fantasie anregt sowie eine Herausforderung darstellt. Für das Entwickeln von konventionellen Video Games stehen ja unzählige Tools wie Unity3D oder Unreal Engine zur Verfügung – die eignen sich theoretisch auch für das Design von Audio Games, wenn man die grafische Komponente einfach ausblendet. Diese Game-Engines lassen sich jedoch nur schwer entschlacken und sind auch nicht barrierefrei – das ist wichtig, da viele Audio-Game-DesignerInnen eine Sehbeeinträchtigung haben. Hier setzen wir an: durch unseren Open-Source-Online-Editor wollen wir eine entschlackte Audio-Game-Entwicklungsumgebung anbieten, die möglichst barrierefrei ist und um die eine Community zum Austausch entstehen soll. Wir wollen uns nicht als Konkurrenz zu der bereits existierenden Diskussionsplattform audiogames.net positionieren (liebe Grüße an alle dort!), sondern eine Umgebung mit Fokus auf das Design von Audio Games schaffen.

Und welche persönliche Motivation hattet ihr dabei?

Samuel Daurer (Out of Tune): Mein Kollege Amilian Mayrhofer und ich haben schon vor einiger Zeit große Begeisterung für Softwareentwicklung und Informationssysteme entwickelt. Deshalb wollten wir uns mit unserer Diplomarbeit in diesen Bereichen spezialisieren. Zudem gehört Musik zu meinen größten Leidenschaften. Mit „Out of Tune“ wollen wir den UserInnen mehr Kontrolle darüber geben, was sie finden wollen – und das abseits von etablierten Algorithmen für Musikempfehlungen. Schließlich möchte jeder Musikfan auch manchmal aus seinen Gewohnheiten ausbrechen. 2018 haben wir auch den netidee Spezialpreis des Prix Ars Electronica in der Kategorie „u19 – CREATE YOUR WORLD“ gewonnen. Für uns war das Ars Electronica Festival, alle Eindrücke von dort und der Preis natürlich eine große Motivation! Mir liegt der Grundgedanke des Projekts sehr am Herzen, und das war auch der größte Antrieb weiterzumachen. Ich habe mir am Anfang zum Ziel gesetzt, dass ich so lange an dem Projekt arbeite bis ich die Software selbst jeden Tag verwende. Ich glaube, wir sind auf gutem Weg, dieses Ziel zu erreichen.


Samuel Daurer wurde während des Ars Electronica Festival 2018 der netidee Spezialpreis von Ernst Langmantel der Internet Privatstiftung Austria überreicht. Credit: Tom Mesic

Über die Musikempfehlungssoftware „Out of Tune“ haben wir ja bereits auf dem Ars Electronica Blog berichtet. Wie ist das bei Audio Games – wie würdet ihr das Genre beschrieben, wenn man davon noch nie etwas gehört hat?

Michael Urbanek (AudiCom): Audio Games sind Computerspiele dessen hauptsächliches Feedback auditiv ist und visuelles Feedback nicht für das Weiterkommen im Spiel relevant ist. Die Besonderheit von Audio Games, das vor allem die Erforschung dieses Genres so spannend macht, ist die Vorstellungskraft. Das Spiel wird von jeder Spielerin und jedem Spieler anders verstanden. Ein mysteriöses Knurren kann verschiedene Emotionen erzeugen – der eine Spieler stellt sich vielleicht einen mittelgroßen Hund vor, wobei die Spielerin vielleicht an eine blutrünstige Bestie denkt. Zusätzlich stellen sich weitere Fragen: Wie sieht der Hund oder das Monster aus? Welche Farbe hat es? Ist es groß, klein? Hat es große Augen? Will es die Großmutter fressen? :-)

Was es sonst noch zu berücksichtigten gilt, ist die eingeschränkte Parallelität von auditiven Informationen. Visuell kann sehr viel Information gleichzeitig transportiert werden, Icons, Zahlen, Buchstaben, Zeichen, etc. Diese können wir auch sehr schnell verarbeiten, ist der Mensch doch ein visuell stark geprägtes Lebewesen. Geräusche, die für uns keine relevanten Informationen bieten, werden gekonnt ausgeblendet. Auditiv sieht die Situation schon anders aus. Wir können viel weniger Informationen gleichzeitig transportieren und müssen uns auch immer bewusst sein, wie viele Informationen wir gerade im Game transportieren wollen. Transportieren wir wenige bis keine, wird sich der Spieler oder die Spielerin nicht auskennen und die Orientierung verliere. Jedes Objekt in einem Audio Game, das keinen Ton von sich gibt, ist quasi auditiv unsichtbar! Transportieren wir zu viele Informationen gleichzeitig, führt das zur Verwirrung oder einem unguten Spielgefühl.

Kurzer Themenwechsel zur Konstruktion von 3D-Objekten: Warum habt ihr euch bei eurem Tool, das die Konvertierung bzw. Vereinfachung von CAD-Modellen möglich machen soll, für Open Source entschieden?

Sabine Pölzlbauer (CADMeshConverter): In den letzten Jahren hat sich bezüglich Konvertierungstools vieles getan. Die meisten Software-Suites in diesem Bereich sind technologisch einwandfrei, jedoch leider sehr teuer und natürlich nicht Open Source, wodurch dies schlicht und einfach für KMUs, StudentInnen und Interessierte nicht in Frage kommt. Durch eine kostenlose Open-Source-Lösung kann zum einen die finanzielle Starthürde gelöst werden, zum anderen kann die Entwicklung durch die Community weiter vorangetrieben werden. Ein weiterer Vorteil ist klarerweise, dass individuelle Anforderungen an den Konvertierungsworkflow leicht integriert werden können, da der Quellcode nach Projekteende auf Github veröffentlicht wird.

Ein Beispiel, wie der CADMeshConverter arbeitet – vor und nach der Vereinfachung.

Alle drei Projekte haben 2018 eine netidee-Förderung bekommen, um die Weiterentwicklung voranzutreiben. Welche konkreten nächsten Schritte sind geplant?

Sabine Pölzlbauer (CADMeshConverter): Die nächsten Schritte für uns sind nun den Prototypen auszubauen und ihn stabiler zu machen. Dies betrifft beispielsweise die Unterstützung von STEP-Dateien (STEP = Standard for the Exchange of Product Model Data) als Eingangsformat als auch die Validierung von diversen Parametern und Dateien in dem Konvertierungsprozess. Des Weiteren wird die Client-Anwendung aktualisiert, damit der automatische Workflow auch hinsichtlich Stabilität, Performance und Qualität getestet werden kann. Diese Tests werden im Rahmen einer Evaluierungsrunde Erkenntnisse liefern, die wiederum in die Entwicklung zurückfließen.

Michael Habiger (AudiCom): Vor der netidee-Förderung hatten wir bereits einige Vorarbeiten geleistet. Wir haben beispielsweise mit einer Reihe Audio Gamern gesprochen, um herauszufinden, was sie bei diesem Genre besonders schätzen. Wir haben uns aber auch mit dem Game Design Prozess auseinander gesetzt und geschaut, wie Spiele eigentlich entwickelt werden. Anhand dieser Erfahrungen haben wir einfache Prototypen von Audio-Game-Editoren entwickelt. Wir möchten diese aufschlussreichen Gespräche mit GamerInnen und DesignerInnen fortsetzen, weiter ein Gespür für die Community entwickeln und unser Bild zu vervollständigen. Mit diesen Erkenntnissen im Hinterkopf werden wir uns dann daran setzen, einen schnellen, interaktiven Prototypen als WebApp zu entwickeln.

Samuel Daurer (Out of Tune): Wir entwickeln derzeit einen neuen Prototypen und haben unseren alten verworfen, da wir jetzt auf neuere Technologien setzen, vor allem was die Webtechnologien angeht. Zum Beispiel ersetzen wir JQuery mit dem Framework Vue.js. Wir konnten auch ein großes Performance-Update mit der Verwendung einer anderen Graph Library erzielen. Zu den nächsten Schritten gehören die Fertigstellung des neuen Prototyps, sowie der Launch unserer Projektwebsite. Auch Spotify hat seine API, die wir für unser Projekt verwenden, im Laufe der Zeit massiv verbessert. Wir freuen uns schon, diese neuen Möglichkeiten auf kreative Weise zu nutzen. Wir haben aber auch andere APIs im Ausblick, müssen uns aber vorher noch mit der rechtlichen Situation auseinandersetzen.

Die visuelle Oberfläche von „out of tune“

Wie betreibt ihr das Projekt neben euren anderen Tätigkeiten? Wann bleibt dafür Zeit? Am Abend, am Wochenende, oder eher unregelmäßig?

Sabine Pölzlbauer (CADMeshConverter): Da wir das Projekt als Forschungseinrichtung der Fachhochschule FH Wiener Neustadt (FOTEC Forschungs- und Technologietransfer GmbH) eingereicht haben, wird dieses Projekt auch im Rahmen meiner hauptberuflichen Tätigkeit durchgeführt und geleitet. Die Zusammenarbeit und der Austausch im Team erfolgt regelmäßig – in geplanten Abstimmungsmeetings oder aufgrund anstehender technischer Fragestellungen oder Entscheidungen fast täglich. Zudem leite ich ein weiteres Forschungsprojekt, das sich mit MixedReality in der Industrie beschäftigt und von ECOPLUS initiiert wurde. Die Anforderungen daraus liefern wesentlichen Input zum netIdee-Projekt. Beide Projekte ergänzen sich somit optimal.

Florian Güldenpfennig (AudiCom): Wir sind alle drei an Universitäten mit Forschung und Lehre beschäftigt. Die netidee-Förderung schaufelt uns für einige Stunden pro Woche frei. Zusätzlich werden wir in einem geringeren Ausmaß auch noch von den Unis für allgemeine Forschung bezahlt. Das heißt, hier können wir noch mal ein wenig Zeit für den Audio-Game-Editor abzweigen. Daher arbeiten wir an dem Projekt in der Regel zu ganz normalen Bürozeiten. Allerdings entspräche es bei weitem nicht der Wahrheit zu behaupten, dass wir das Projekt komplett ohne unentgeltliche Überstunden abwickeln würden. Das ist Fluch und Segen von Arbeit, die einfach zu viel Freude bereitet.

Samuel Daurer (out of tune): Die Hauptverantwortlichen des Projekts, Christoph Baumann und ich, leisten gerade unseren Dienst beim Bundesheer bzw. beim Zivildienst ab und wir sind mit Ende nächsten Monats fertig. Ab diesem Zeitpunkt werden wir uns voll und ganz auf unser Projekt konzentrieren. Das hat uns die Weiterentwicklung und auch die Planung von „out of tune“ nicht immer einfach gemacht. Jedoch gaben wir unser bestes, unsere Zeit so sinnvoll wie möglich zu nutzen. Wir haben uns viel mit Technologien und Strategien auseinandergesetzt, sprich mit jenen Themen, die nach unserer Schulausbildung noch lückenhaft waren. Auch die anderen Mitglieder des Projekts sind derzeit hauptsächlich anderwärtig beschäftigt und unterstützen uns aber so gut sie können. Ich hoffe, wir können uns jetzt einen Grundstock aufbauen, damit wir in Zukunft vielleicht davon leben können.

Das AudiCom-Team: Florian Güldenpfennig, Michael Urbanek, Michael Habiger

Habt ihr einen Tipp, wie man an solchen Projekten dranbleiben kann, ohne nach den ersten Rückschlägen aufgeben zu müssen?

Sabine Pölzlbauer (CADMeshConverter): Aus meiner Sicht ist es bei Rückschlägen oft wichtig wieder einen Schritt zurück zu gehen, um einen objektiven Blick auf das vorliegende Problem zu bekommen. Ich denke auch, dass es wichtig ist, eine Vision im Kopf zu haben, sich aber nicht zu sehr auf den geplanten Lösungsweg zu versteifen. Dadurch entstehen im Team oft sehr wertvolle Ideen und kreative Ansätze, die einem Projekt wieder einen Schub Motivation und Kraft geben.

Samuel Daurer (out of tune): Ich glaube der beste Ansatz, den wir bei diesem Projekt verfolgt haben, war es, beim Entwickeln schon Spaß zu haben und experimentierfreudig zu sein, und doch das Ziel im Auge zu bewahren. Wir können uns auch sehr, sehr glücklich schätzen, dass uns diese Arbeitsweise durch die netidee-Förderung möglich gemacht wird. Als Programmierer lernt man relativ schnell, dass man aus seinen Fehlern lernen kann. Denn genau diese Fehler bringen das Projekt voran. Ich gebe jenen, die gerade am Anfang ihrer Programmiererfahrung sind, den Tipp: Lasst euch von Fehlern nicht abschrecken! Versucht sie zu verstehen, um daraus zu lernen. Es geht dann eher darum, die Fehler die man macht, ausbessern zu können und nicht darum, keine zu machen.

Florian Güldenpfennig (AudiCom): Wir achten eigentlich immer darauf, dass Projekte nicht nur als ganzes Stück funktionieren, sondern aus einzeln verwertbaren Modulen aufgebaut sind. Beispielsweise verwenden wir, wie gesagt, bei dem aktuellen Projekt einen Teil unserer Zeit darauf, methodisch sauber zu erheben, welche Eigenschaften Menschen an Audio Games besonders mögen und welche Werkzeuge Game-DesignerInnen bei der Entwicklung benötigen. Das ist schon mal eine interessante Information an sich, die wir veröffentlichen wollen. Weiters werden wir die Software natürlich modular aufbauen. Damit beispielsweise gute Komponenten anderweitig verwendet und schlechte mit der Zeit ausgetauscht werden können. Außerdem möchten wir Ergebnisse und Einsichten teilweise in unsere Dissertationen einfließen lassen. Somit schaffen wir uns mehrere interessante und realistische Projekt-Teilergebnisse, was eine absichernde sowie motivierende Wirkung hat. Sollte man dann doch irgendwo anstehen, ist nicht gleich alles verloren. Und ehe man sich versieht, kommt beispielsweise eine netidee-Förderung daher und die Bauarbeiten können sofort wieder aufgenommen werden. :-)

HINWEIS: Young Professionals, also Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren aus Österreich, haben jetzt noch die Chance, ihr Projekt bis 18. März 2019 für den netidee Spezialpreis in der Kategorie „u19 – CREATE YOUR WORLD“ des Prix Ars Electronica einzureichen: https://ars.electronica.art/u19/prix/. Die Einreichung zum Prix Ars Electronica in den anderen Kategorien endet bereits am 11. März 2019. Der Start zur Ausschreibung der netidee 2019 wird auf der Website https://www.netidee.at/ bekannt gegeben.

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