Ein besseres Leben durch Künstliche Intelligenz

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Ciutat Vella’s Land-use Plan – so der Name des Gewinnerprojektes des diesjährigen STARTS-Prize in der Kategorie „Innovative Kollaboration“. Zusammenarbeit wird hier groß geschrieben: Um für die weitere Entwicklung des historischen Altstadtbezirks Barcelona einen möglichst breiten Konsens zu erreichen, sind ArchitektInnen und StadtplanerInnen, ein Redaktionsteam und DatenwissenschaftlerInnen, RechtsanwältInnen und SpezialistInnen für Immobilien- und Gewerbeberechtigungen, öffentliche Einrichtungen und nicht zuletzt die BürgerInnen selbst ins Projekt eingebunden. Genutzt werden maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz, um die Datenflut sinnvoll aufzubereiten. Wir haben mit Mar Santamaria und Pablo Martínez, den HauptautorInnen des Masterplans gesprochen.

Ciutat Vella ist das historische Stadtzentrum von Barcelona. Was ist das Besondere daran? Und inwiefern bedarf es neuer Gedanken zur Stadtplanung?

Mar Santamaria: Seit Jahrzehnten konzentriert sich der Urbanismus in städtischen Randgebieten auf die Entwicklung einer neuen Stadt, degradiert die Altstadt zu symbolischen Werten, gibt sie in vielen Fällen auf und legt historische Stadtzentren in die Hände der Wirtschaft, seien es große Unternehmen oder höhere Einkommen.

Im Gegensatz zu anderen historischen Zentren in Europa und auf der ganzen Welt ist die Altstadt von Barcelona immer noch eine dicht bewohnte und beliebte Wohngegend mit sehr unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, die in einem städtischen Gefüge mit einzigartigen historischen und denkmalgeschützten Bauten koexistieren (resultierend aus einer urbanen Morphologie von engen Straßen und kleinen Parzellen). Diese Struktur konzentriert gleichzeitig große kulturelle Einrichtungen und interessante Elemente (wie Plätze und Märkte) sowohl für die BürgerInnen Barcelonas als auch für BesucherInnen aus der ganzen Welt in einem Gebiet, das ebenfalls eine große Zentralität hat und auf Verkehrsebene sehr stark vernetzt ist.

Pablo Martínez: All dies macht den Bezirk zu einem geschäftigen Gebiet mit einer dynamischen Wirtschaftstätigkeit. Es handelt sich um eine Handelsstruktur von großer Vielfalt und gemischter Nutzung – obwohl der lokale Handel im Laufe der Jahre neben Tourismus auch Freizeitaktivitäten und Nachtleben Platz machen musste. Heute führt diese wirtschaftliche Aktivität (insbesondere die von öffentlichen Einrichtungen wie Restaurants und Nachtclubs) zu negativen Auswirkungen auf die Umweltqualität des Stadtteils, was zu Lärm und Sauberkeit, Konzentration der Menschen im öffentlichen Raum oder überfüllten Straßen aufgrund der dem Handel dienenden Logistik führt. Das gemischte Modell, das so positiv eine gute städtische Qualität gewährleistet, ist derzeit eine Konfliktquelle.

In diesem Zusammenhang muss diese besondere Art der wirtschaftlichen Tätigkeit durch eine Stadtplanung geregelt werden, die das Gleichgewicht zwischen der gewerblichen Niederlassung und der notwendigen Lebensqualität im Bezirk gewährleistet. Die Herausforderung besteht darin, ein Material, der aufgrund seines Ursprungs, seines Erhaltungszustandes und seiner periodischen Veränderungen sehr anfällig ist, in die heutigen Standards der Bewohnbarkeit einzufügen.


Credit: Jorge Franganillo

Was sind eure allgemeinen Gedanken zur Stadtplanung?

Pablo Martínez: Wir verstehen Stadtplanung als ein Instrument zur Gewährleistung der Lebensqualität der BürgerInnen. Der Urbanismus schützt das Stadtmodell, d.h. er definiert, wie sich das Leben in einem Gebiet in verschiedenen Aspekten (sozial, wirtschaftlich, etc.) entwickelt.

Heute ist ein Wandel in der Stadtplanung erforderlich, der zum einen durch eine größere Fähigkeit zum Lesen und Modellieren der Stadt auf Grundlage neuartiger Analyseverfahren (angetrieben durch große Datenmengen und maschinelles Lernen/AI), zum anderen durch ein neues urbanes Paradigma ohne Wachstum (verkörpert durch europäische Städte) motiviert ist, das ein besseres Verständnis der Umwelt erfordert.

Technologie ist ein sehr wichtiger Treiber für diesen Wandel, der es ermöglicht, neue Informationsschichten, die das städtische Verhalten beschreiben (wie Trends, Zeit, Interaktionen der Bürger) in den Planungsprozess einzubeziehen und traditionelle Ansätze auf Grundlage der urbanen Form zu ergänzen.

Dieselbe Technologie, die es uns derzeit ermöglicht, komplexe Modelle auf der Grundlage großer Datenmengen zu erstellen und die am Ursprung der neuen Formen der Beteiligung und der Technologiepolitik steht, ist jedoch für die Unterbrechung der jüngsten urbanen Phänomene im Zusammenhang mit der digitalen Wirtschaft und der Plattformwirtschaft verantwortlich, wie beispielsweise die Vermietung an Touristen oder Mobilität auf Abruf, die auch die Regulierung innerhalb der Städte verändern.

In diesem Zusammenhang müssen wir eine neue Art der Stadtplanung schaffen, die wissenschaftlicher sein muss, d.h. es uns ermöglicht, die verschiedenen Phänomene zu messen, replizierbare und vergleichbare Methoden zu entwickeln, gemeinsame Indikatoren zu erschaffen, um Ziele zugunsten einer größeren städtischen Bewohnbarkeit neu zu definieren (die unter anderem Wohnen, Wirtschaft, Verkehr und ökologische Nachhaltigkeit miteinander verbindet).


Saturation: Datenmodell ökonomischer Aktivitäten

Ihr habt den STARTS-Preis für innovative Zusammenarbeit gewonnen – wer ist Teil eures Netzwerks? Und wie beeinflusst ihr euch gegenseitig?

Mar Santamaria: Der Entwurfsprozess des Flächennutzungsplans von Ciutat Vella konsolidiert eine neue Art der Stadtplanung, die in den letzten Jahren darauf abzielte, eine stärkere Beteiligung und Koordination aller Beteiligten zu erreichen: Redaktionsteam, BranchenexpertInnen, MitwirkungsvermittlerInnen, öffentliche Einrichtungen und BürgerInnen.

Das Redaktionsteam (300.000 Km/s) besteht in erster Linie aus einer interdisziplinären Gruppe von Fachleuten, die sich aus komplementären Fachgebieten zusammensetzen – einem Mix aus ArchitektInnen und StadtplanerInnen mit DatenwissenschaftlerInnen, RechtsanwältInnen und SpezialistInnen für Immobilien- und Gewerbeberechtigungen, die von dieser Vielfalt profitieren. Wir sind ein sehr aktiver Akteur im Architektur- und Technologie-Ökosystem von Barcelona, der Mainstreaming-Einheiten einbezieht und ein Netzwerk mit anderen Fachleuten und der Zivilgesellschaft aufbaut. Wir fungieren als Brücke zwischen ExpertInnenen, öffentlichen Einrichtungen und BürgerInnen.

Was das Beteiligungsteam (regelmäßiger MitarbeiterInnen) betrifft, so liefern sie uns qualitative Daten über die Umgebung. Die Genossenschaft „Raons Públiques“ strukturiert Beteiligungsprozesse, verfügt über ein hohes Maß an Wissen über die im Gebiet tätigen Agenten und wie sie diese einbeziehen müssen.

Der Stadtrat, der den Plan durchführt und für sein Verwaltungsverfahren zuständig ist, hat das Dokument mitverfasst. Er hat alle politischen und technischen Teams des Bezirks und der Stadt (Stadtplanungs- und Rechtsabteilungen) einbezogen und die Mittel bereitgestellt, um eine fruchtbare Debatte durch die digitalen Plattformen der partizipativen Demokratie, die Interaktion mit allen politischen Gruppen oder die direkte Erklärung gegenüber Nachbarn und Körperschaften anzuregen.

Schließlich haben die BürgerInnen direkt zusammengearbeitet – entweder durch persönliche oder digitale Teilnahme am Prozess der Bürgerbeteiligung sowohl an der Diagnose als auch an den Vorschlägen oder durch Mitwirkung an ihrem Feedback während der Zeit der Anschuldigungen – und indirekt dabei als Protagonisten einer Diagnose mit Daten, die das Verhalten der BürgerInnen in den Mittelpunkt stellen.


Credit: 300.000 Km/s

Worin seht ihr die Herausforderungen von Bürgerpartizipation?

Pablo Martínez: Die Bürgerbeteiligung in Europa in ihren verschiedenen Formen (Beteiligung der Zivilgesellschaft, Beteiligung an Wahlen, direkte Demokratie usw.) ist heute in einem recht guten Zustand. Insbesondere gibt es in Barcelona einen Rechtsrahmen, der die Bedeutung der Beteiligung auf lokaler Ebene anerkennt und sie als einen der Bestandteile normiert, die einen Planungsprozess erfordern.

In diesem Zusammenhang gehen die Herausforderungen der Partizipation zunächst dahin, diese Beteiligung sowohl als Entscheidungshilfe als auch als Diagnose zu verstehen. Sie ist notwendig, um verschiedene Dimensionen von BürgerInnen einzubeziehen: von den qualitativeren Informationen, die in direkter Interaktion während der gemeinschaftlichen Sitzungen gewonnen werden, bis hin zur numerischen Modellierung von Daten (Demographie, Wirtschaftstransaktionen, soziale Netzwerke, WLAN-Infrastrukturen u.a.), die es uns ermöglichen, die BürgerInnen in die Planungskartografien in einer qualitativen und quantitativen Mischung einzubeziehen, die bisher unmöglich war.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in diese Prozesse. Es erfordert ein großes Wissen über die Gemeinschaften, die in einem bestimmten Gebiet tätig sind, d.h. die Institutionalisierung der Staatsbürgerschaft, um kommunizieren zu können (durch lokale Verbände oder andere Einrichtungen). Aber auch, um durch Transparenz zu motivieren, den Prozess mitzutragen, von den technischen Dokumenten bis hin zu den Online-Plenarsitzungen oder dem Protokoll der offenen Sitzungen.

Die andere grundlegende Frage besteht darin, die technischen Ziele des Beteiligungsprozesses in eine Sprache zu übersetzen, die es ermöglicht, den Dialog mit den BürgerInnen zu fördern und sie aufgrund mangelnder Kenntnisse nicht auszuschließen. Die Methoden der Erfassung der dabei gewonnenen Informationen müssen es wiederum ermöglichen, die qualitativen Informationen der Bürger in objektive Daten umzuwandeln, um die Planung zu informieren und letztlich die BürgerInnen zu befähigen, sich für andere Prozesse der Diagnose, des Handelns und der Bewertung einzusetzen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Grenzen der Beteiligung zu definieren, um keine Frustration bei den TeilnehmerInnen zu erzeugen.

Schließlich müssen wir über die Beteiligung über digitale Plattformen sprechen, die in der letzten Legislaturperiode in Barcelona sehr stark geworden sind. Diese Plattformen haben Prozesse verstärkt, die bisher aufgrund der Schwierigkeiten in ihrem Management marginal waren, und geben ihnen einen neuen Schub.


Simulationssoftware zur Modellierung der Anwendung von Parametern

Könnt ihr den Anteil der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens innerhalb des Projekts festlegen? Wie wird es verwendet? Was ist das Ergebnis?

Mar Santamaria: Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz waren entscheidend für die Information des Flächennutzungsplans und seiner Vorschriften sowie für den Nachweis des Zusammenhangs zwischen Wirtschaftstätigkeit und Auswirkungen (dank mehrerer Analysen tritt Kausalität auf).

Der Entwurfsprozess begann mit einer Diagnose strukturierter und unstrukturierter Daten, die auf mehreren Ebenen städtische Nutzungen und Konflikte im Bezirk Ciutat Vella darstellen sollten. Das bedeutet, dass Daten aus der Volkszählung, aus den Interaktionen von Einheimischen und Touristen mit sozialen Netzwerken, aus Typologien und dem Zustrom zu Geschäftsräumen, unter anderem von Lärmsensoren, analysiert und überlagert wurden. Mit diesen Informationen haben wir ein komplexes Modell der Stadt entwickelt, um Konflikte und die daraus resultierenden Auswirkungen vorhersagen zu können.

Diese Diagnose führt zu einem System von Regeln, die in objektive Parameter übersetzt werden können. Diese ermöglichen es uns durch Analyse und Modellierung des Ist-Zustandes, einen maximalen Schwellenwert für die wirtschaftliche Aktivität festzulegen, die das städtische Gefüge aufnehmen kann, wenn wir die Lebensqualität in der Region erhalten wollen. Von hier aus haben wir Simulationen mit unendlich vielen möglichen Ergebnissen erstellt. Das Lernen aus der Realität ermöglicht es uns, die am besten geeigneten Parameter auszuwählen, die schließlich in die Planung des Stadtmodells einbezogen werden.

Kurz gesagt, die Arbeit mit dem maschinellen Lernen und Al ermöglicht es uns, das Ergebnis des Planungsprozesses zu analysieren, zu modellieren, zu simulieren und auszuwerten.

Was ist eure Prognose für die Zukunft (über Stadtplanung)?

Mar Santamaria: Wie wir bereits gesagt haben, müssen wir mit neuen Szenarien ohne Wachstum, mehr Wissen über die bestehende Stadt und damit mit neuen Daten und Instrumenten arbeiten, die es uns ermöglichen, alle städtischen Phänomene gemeinsam zu beschreiben, gemeinsame Vorschläge zu erarbeiten und ihre Anwendbarkeit zu bewerten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir auf eine viel dynamischere Planung zusteuern.

Pablo Martínez: Aber vor allem versteht die Zukunft der Planung, dass die Stadt der Spielball der Regierungsführung ist. Die große Mengen an Online-Diensten, die verlagerte Wirtschaftsproduktion und die immateriellen Daten, die sich aus dem digitalen Fingerabdruck ergeben, werden im städtischen Raum greifbar, d.h. sie manifestieren sich in Form neuer Phänomene, die einen physischen Einfluss auf die Bewohnbarkeit und Lebensqualität der Menschen haben. In diesem Szenario wird es mehr denn je notwendig sein, neue Wege zur Regulierung des städtischen Raums zu finden, wenn wir den Sozialpakt weiterführen wollen.

Interview mit Francesca Bria und Şerife (Sherry) Wong, Jurymitglieder, zum STARTS-PRIZE

300.000 Km/s ist ein urbanes Innovationsbüro mit Sitz in Barcelona, das die Potenziale von Daten und neuen Berechnungsparadigmen untersucht, um relevante Informationen zu gewinnen und die Stadtplanung und Entscheidungsprozesse zu verbessern. Unter der Leitung von Mar Santamaria Varas und Pablo Martinez Diez arbeitet unser interdisziplinäres Team in den Bereichen Stadtanalyse, Kartographie, strategische Planung, Entwicklung digitaler Werkzeuge und digitale Geisteswissenschaften. In den letzten fünf Jahren haben wir mit öffentlichen Einrichtungen, internationalen Unternehmen, kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen sowie gemeinnützigen Organisationen zusammengearbeitet.

Unsere Projekte wurden mit verschiedenen Preisen und Auszeichnungen prämiert – unter anderem mit dem BBVA-Civio Data Visualisation Award (2014), Open Data Institute Awards (2016), CityVis Prize (2017), Biennale Española de Urbanismo y Arquitectura (2018) und LLuís Carulla Award (2018) – und wurden unter anderem auf der Biennale von Venedig, dem Chicago Arts Institute, dem Center of Contemporary Culture of Barcelona und dem Madrid CentroCentro ausgestellt.

This project has received funding from the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 732019. This publication (communication) reflects the views only of the author, and the European Commission cannot be held responsible for any use which may be made of the information contained therein.

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