JKU LIT @ Ars Electronica
Der JKU Campus ist nicht nur ein Ort der Lehre und der Forschung, sondern auch ein Ort der Begegnung – Begegnungen zwischen den Studierenden, zwischen Menschen, Disziplinen und Projekten. Symbol für die Interdisziplinarität der JKU ist aber nicht nur der Campus selbst, sondern allen voran das LIT, das Linz Institute of Technology und eine Ausschreibung von Ars Electronica und der JKU.
Hauptaugenmerk dieses Calls ist die Förderung von Projekten/Objekten/Artefakten, die zur Präsentation der JKU und ihrer Forschung im Rahmen des Ars Electronica Festivals 2020 dienen. Im Zentrum steht also nicht die Durchführung neuer Forschungsarbeiten, sondern die interessante und interaktive, spielerische oder diskursive, jedenfalls öffentlichkeitstaugliche Aufbereitung von Forschungsbereichen, -projekten und -ergebnissen, Entwicklungen und Prototypen. Es geht darum, Wissenschaft auf spannende und ungewöhnliche Weise erlebbar zu machen. Christl Baur, Head of Festival, Ars Electronica, über den Prozess der Projektentwicklung:
„Ars Electronica durfte die Entwicklung der Projekte mitbegleiten. Projekte, bei denen es bislang vielleicht noch nicht gängige Praxis war, disziplinenübergreifend zu kollaborieren. Der Entstehungsprozess war ein Herantasten mit vielfältigen, fantastischen Ergebnissen.” – Christl Baur
Christopher Lindinger, ehemals Co-Director sowie Gründungsmitglied des Ars Electronica Futurelab und nunmehriger Vize-Rektor für Innovation und ForscherInnen an der JKU, erzählt, wie es zu der Zusammenarbeit gekommen ist:
„Wir verstehen uns als JKU als technologische Universität mit einem breitem Technologiebegriff. Das bedeutet, dass wir auch die Auswirkungen der Technologie auf die Gesellschaft betrachten und die Fakultäten sehr breit aufgestellt haben. Wir glauben, dass diese Breite nur durch einen transdisziplinären Brückenschlag möglich ist. Deshalb haben wir eine Ausschreibung gestartet, die Projekte an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft einerseits fördern soll, andererseits in Richtung eines sehr breiten Technologieverständnisses gehen sollte. Das Ergebnis sind 12 Projekte, die wir am Ars Electronica Festival unter dem Titel JKU LIT @ Ars Electronica ausstellen werden.” – Christopher Lindinger
Drei dieser spannenden, interdisziplinären Projekte haben wir uns vorab für euch näher angesehen.
Thomas Faseth (AT), Harald Pretl (AT), Christoph Guger (AT), Anouk Wipprecht (NL) / The Pangolin Scales
Pangolin leitet sich vom malaiischen Wort “Peng-guling” ab und bezeichnet das Schuppentier. Von ebendiesem einzigartigen Tierchen, das seine Schuppen je nach Emotion steuern, sich bei Gefahr einrollen oder die Schuppen zur Verteidigung aufstellen kann, ist das Projekt “Pangolin Scales” inspiriert. Das Kleidungsstück, realisiert durch einer Kooperation der Forscher*innen des Instituts für Integrierte Schaltungen der JKU, den Brain-Computer-Interface-Expert*innen der g.tec medical engineering GmbH und der High-Tech-Modedesignerin Anouk Wipprecht, reagiert auf Reaktionen des Gehirns. Hier ist dem Team eine wahre Innovation gelungen: Entstanden ist das weltweit hochauflösendste Brain-Computer-Interface (BCI) auf dem Markt, das mit 1.024 Kanälen in der Lage ist, Informationen aus dem menschlichen Gehirn mit einer noch nie dagewesenen Auflösung zu extrahieren. Ein Beispiel: War es bisher möglich, durch das Gerät Bewegungen der Hand anzusteuern, können jetzt einzelne Finger differenziert, Sätze erkannt und Lippenbewegungen gedeutet werden.
Das 1.024-Kanal BCI wird außerdem als Eingabegerät für den BR41N.IO Designers‘ Hackathon während des Ars Electronica Festival verwendet. Dieser bereits zum Fixum gewordenen Programmpunkt findet heuer erstmals virtuell statt, es wird mehrere vordefinierte Aufgabenstellungen geben, zu denen man im Team kreative Lösungswege entwickeln kann.
Michael Roland (AT), Michael Mayr (AT), Robert Holzinger (AT), Markus Vogl (AT) / Exposed Building
Exposed Building ist ein Projekt, das sich mit der Verwundbarkeit der Smart Homes auseinandersetzt, in dem es versucht, Lücken in Systemen zu finden. Eine dieser aufgedeckten Sicherheitslücken bestand in den elektronischen Türschlössern des Science Parks. Diesen “Fehler” haben sich die Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Soundkünstler*innen zu Nutzen gemacht und eine Komposition geschaffen, die die Schließmechanismen als Instrumente benutzt. Zusätzlich dazu wird es eine Visualisierung zu sehen geben, welche Schlösser gerade im Einsatz sind. Außerdem ist das “Instrument” selbst begeh- und somit aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln erlebbar. Die Installation provoziert spielerisch zum Nachdenken über die Verwundbarkeit der modernen Technologie und ihre wachsenden Risiken für die Gesellschaft.
Andreas Stelzer (AT), Rudolf Scheidl (AT) / Magic Darts
Magic Darts ist eine Dartsscheibe, bei der man immer ins Schwarze trifft. Das Mechatronische System dieser Maschine sorgt dafür, dass man sein Ziel nicht verfehlen kann. Schon beim Abschuss reagiert das hochaktuelle Mikrowellensensornetzwerk, die Elektronik mit ihren Algorithmen berechnet die Flugbahn und die Dartscheibe passt ihre Position an das Ziel des Dartpfeils an. Treffer! Solche Technologien werden unser zukünftiges tägliches Leben beeinflussen: in autonomen Autos, in denen Mikrowellenradargeräte uns ermöglichen, im Dunkeln, bei Nebel oder Staub zu sehen, wenn Algorithmen die Bewegung potentieller Hindernisse abschätzen müssen, oder in Exoskeletten, wo hydraulische Aktuatoren ultimative Kompaktheit, geringes Gewicht und einen Energieverbrauch weit über die Grenzen der gegenwärtigen Technologien hinaus ermöglichen. Thematisiert wird also keineswegs nur ein “Spiel”, sondern komplexe, hochaktuelle Fragestellungen.
Garden Exhibition
Ein zweiter Ausstellungsteil, der am Campus der JKU in Kepler’s Garden zu sehen sein wird, sind ausgewählte Arbeiten, die man beim Spazieren durch den Park entdecken kann. Sie beschäftigen sich, auf spielerische Art und Weise mit dem Überthema des Festivals. Gleichzeitig betont Christl Baur, Head of Festival, aber, dass es keine klassische Themenausstellung wie in den Jahren der POSTCITY geben wird.
“Der essentielle Punkt in dem Verhältnis der Projekte zueinander, ist das Schlendern über den Campus. Es gibt keine thematische Kuration, sondern das Erlebnis am Campus besteht in einem Mäandern über diesen fantastischen, zum Teil neu entwickelten Ort. Hier kann man unterschiedliche Aspekte der Fokusthemen des Festivals erleben und erfahren; alles, was man hier sieht, ist stets im Gesamtkontext zu betrachten.” – Christl Baur
Was man an allen Ecken und Enden und sogar in den Bäumen in Kepler’s Garden in der sogenannten Garden Exhibition sehen und erleben kann, sind zum Beispiel, neben einigen weiteren, diese drei Projekte:
Sebastian Wolf (DE) / lovesmenot
Wer kennt das nicht: Man sitzt als Jugendlicher auf der Wiese, pflückt Gänseblümchen und zupft der Reihe nach die Blütenblätter aus, mit der Frage im Kopf: Liebt er/sie mich, oder liebt er/sie mich nicht? lovesmenot versetzt uns zurück in unsere Teenagerjahre, nicht ohne auf den Wert des menschlichen Handelns hinzuweisen. Die Technologie, so ist der Künstler überzeugt, lässt oft die menschliche Arbeit, die Handwerkskunst vergessen. Mit Poesie und Emotion bringt uns dieses Projekt dazu, über die Automatisierung zu reflektieren, indem es eine zutiefst menschliche Handlung mechanisiert.
Kerstin Ergenzinger (DE) / Pluvial
Pluvial nimmt uns mit in einen einzigartigen Klangraum. Die Künstlerin lässt einen Hörkörper entstehen, ein teilweise selbstorganisiertes Instrument, das das Phänomen des Regens erfahrbar macht. Die Dichte und Intensität der hörbaren Tropfen orientiert sich an dem Niederschlagsdurchschnitt auf den Weltmeeren. Pluvial ist Teil des AIxMusic Festival, das Ars Electronica heuer zum zweiten Mal im Rahmen der STARTS-Initiative in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission veranstaltet.
Jip van Leeuwenstein (NL) / A Diverse Monoculture
Ist es möglich, Roboter einzusetzen, um ein neues Gleichgewicht in unserem Ökosystem zu finden? Der Künstler stellt in diesem Projekt die immer wiederkehrende Frage nach der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Mithilfe einzelner Roboter-Prototypen, die punktuell das Gleichgewicht eines manipulierten Ökosystems wiederherstellen können, greift er in diese Beziehung ein. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass Pflanzen in Monokulturen durch Schädlinge in Mitleidenschaft gezogen werden. Van Leeuwenstein schafft einen Roboter, der an einem Baum angebracht wird, in diesem Fall an der Eiche, und den sogenannten Eichenprozessionsspinner anlockt. Dieser Schädling, der die Bäume zerstört, wird durch Licht angelockt, der Roboter greift ihn mit seinem „Maul“ auf. Das Insekt wird daraufhin sinnbildlich verdaut und generiert so wiederum Energie für den Roboter. Der Kreislauf schließt sich. Das Projekt ist versteckt in einem Baum am Campus und nur aufmerksame Betrachter*innen stoßen beim Schlendern auf dieses und ähnliche Objekte.
Von 11. bis 13. September wird Kepler’s Garden am Campus der JKU zu einem Spielplatz neuer Kollaborationen, verschränkter Disziplinen und kreativer Technologien. Beim meditativen Mäandern auch abseits der Wege erschließt sich erst den aufmerksamen Besucher*innen die Beziehung zwischen Mensch, Natur und Technologie. Das gesamte Programm gibt’s hier zu entdecken.