Magister Raffaello – Wie Raffael nach Linz kam

header, THE DEPOSITION OF CHRIST (PALA BAGLIONI) Raphael Sanzio, 1507, Borghese Gallery and Museum, Rome, Italy. © MiBACT – Galleria Borghese – foto Alberto Novelli

Hätte man vor etwa einem Jahr die Galleria Borghese in den Borghese Gärten in Rom besucht, hätte man einen Blick auf ein eindrucksvolles Ölgemälde mit leuchtenden Farben und einer komplexen Komposition sehen können: die Grablegung Christi des Künstlers Raffaello Sanzio da Urbino, im Deutschen besser bekannt als Raffael. Gleichzeitig, einige Stunden von Rom entfernt, wäre ein Museumsbesuch im Ars Electronica Center in Linz wahrscheinlich eine ganz andere Erfahrung gewesen – ebenso beeindruckend, aber anstelle von klassisch anmutigem Marmor und Leinwänden wäre man künstlicher Intelligenz und großformatigen 3D-Projektionen gegenübergestanden.

THE DEPOSITION OF CHRIST (PALA BAGLIONI)
Raphael Sanzio, 1507, Borghese Gallery and Museum, Rome, Italy.
© MiBACT – Galleria Borghese – foto Alberto Novelli

Leider bedeuteten die strengen Einschränkungen während des COVID-19 Lockdowns dass Besuche von Museen für eine Weile auf der ganzen Welt oft einerseits unmöglich waren, und andererseits auch eine niedrige Priorität hatten. Aber während der Monate, die zu Hause in Isolation verbracht wurden, wurde eine gemeinsame Erfahrung auf der ganzen Welt geteilt: nicht nur die Sehnsucht nach Gesellschaft, Austausch und Begegnung, sondern auch der Wunsch, Kultur, Kunst und die Räume, die sie bieten, zu erleben. Mit dem Ars Electronica Festival, das seit 1979 jedes Jahr Tausenden von Künstler*innen und Wissenschaftler*innen – und noch vielen mehr Besucher*innen – einen lebhaften und inspirierenden Schauplatz bietet, und einem fantastischen 40-jährigen Jubiläum letztes Jahr, wurden die Fragen von kultureller Zusammenarbeit und Interaktion auf großem Format in einer Zeit der globalen Gesundheitskrise immer dringlicher.

Diese Dringlichkeit und viele offene Fragen führten zu dem diesjährigen Konzept eines global vernetzten Festivals, bei dem sich viele Institutionen auf der ganzen Welt in einem neuen Stil der internationalen Zusammenarbeit manifestieren. Und dem Ars Electronica Center selbst ist diese Art der Kooperation mit dem Ziel, Kultur aus aller Welt für ein lokales Publikum in den Vordergrund zu rücken, nicht fremd. Seit vielen Jahren schon bietet die Infrastruktur des Deep Space 8K ein einzigartig detailliertes Fenster in die Welt der Kunst – unter anderem mit interaktiver 3D-Medienkunst einerseits und hochauflösenden Einblicken in kulturelle Artefakte und Meisterwerke andererseits.

SELF-PORTRAIT
Raphael Sanzio, 1506, The Uffizi Galleries, Florence, Italy.
© Gabinetto Fotografico delle Gallerie degli Uffizi

Und damit sind wir wieder bei Raffael. Da sich 2020 der 500. Todestag des Künstlers jährt, hat das, auf Digital Heritage spezialisierte, Unternehmen Magister Art ein neues Kulturprojekt mit dem Titel Magister Raffaello geschaffen. Mit digitalen Innovationen im Bereich von kulturellem Erbe, der Schaffung und Produktion von Medieninhalten hat sich Magister Art nicht nur der Herausforderung der Kunsterfahrung im digitalen Zeitalter gestellt, sondern zeigen mehr denn je, dass geografische Entfernungen kein Hindernis mehr für die Begegnung mit den großen Meisterwerken aus aller Welt darstellen können.

Diese Herangehensweise an eine neue Form der Kommunikation in der kunsthistorischen Praxis ermöglicht die Kombination von hohem wissenschaftlichem Wert mit dem Experimentieren in neuen Sprachen und Medien – eine perfekte Mischung für den Deep Space, der seit seiner Eröffnung eine experimentelle Bühne für Kultur, Medien und Kunst ist. Mit diesem ausgeklügelten Projekt werden nicht nur die Farben und Pinselstriche der Grablegung Christi zum Leben erweckt: Auch Die Madonna mit dem Stieglitz, in einer pastoralen Landschaft in kräftiges Blau und Rot gekleidet, blickt schützend auf Christus und einen jungen Johannes den Täufer herab; und der Meister selbst betrachtet uns in seinem Selbstportrait und verwandelt die Leinwand – und damit den Deep Space – zu einem Fenster in die Vergangenheit.

MADONNA OF THE GOLDFINCH
Raphael Sanzio, 1506, The Uffizi Galleries, Florence, Italy.
© Gabinetto Fotografico delle Gallerie degli Uffizi

Diese Reproduktionen von gemalten Meisterwerken sind mehr als nur ein Werkzeug für Kunsthistoriker*innen oder Spielereien für Liebhaber*innen von italienischer Kunst der Hochrenaissance. Der Einsatz neuer Technologien für immersive Wahrnehmungenserlebnisse eröffnet Menschen jeden Alters, Bildungshintergrunds, sozioökonomischen Stands und jeder Kultur die Möglichkeit, sich Kunst ohne die manchmal biederen akademischen Allüren zu nähern. Daher wurde dieses Projekt vom italienischen Außenministerium als eine der Initiativen ausgewählt, die von italienischen Botschaften, Konsulaten und Kultureinrichtungen gefördert werden sollen – und so erreichte Raffael in einer standortspezifischen Adaption Linz als Teil der Kooperation zwischen der Ars Electronica und dem italienischen Kulturinstitut in Wien.

Wenn die Besucher*innen also dieses Jahr an den Festivalveranstaltungen teilnehmen, wird es immer noch einen Hauch an ungewöhnlichen und neuen Routinen im Bereich der Kultur und Museumsbesuche geben. Umso mehr lässt sich der Wert und die Bedeutung von Projekten wie Magister Raffaello erkennen, wenn manche sich noch nach den Tagen internationaler Reisen und Ausflüge in die Kulturhauptstädte der Welt sehnen mögen. Die Möglichkeit, das Publikum, wo immer es sich auch befindet, in die ehrwürdigen Hallen der Galleria Borghese zu teleportieren, ohne die lokale Region zu verlassen, ist eine der neuen internationalen Partnerschaften, die für diese digitalen Reisen in die ‚neue‘ Welt erforderlich sind.

Magister Raffaello 2020 wird am Freitag, dem 11. September um 11 Uhr im Deep Space 8K im Ars Electronica Center in einer standortspezifischen Adaption präsentiert, mit Einblicken der Kunsthistorikerin Jelena Jovanović in das Werk Raffaels. Weitere Vorführungen des Projekts finden am Donnerstag, 10. September um 14:00 und am Sonntag, 13. September um 16:00 statt. Tickets sind hier verfügbar.

Magister Raffaello wird vom italienischen Außenministerium gefördert und in Zusammenarbeit mit dem italienischen Kulturinstitut in Wien präsentiert.

Mehr zum Ars Electronica Festival könnt ihr auf dieser Website nachlesen, außerdem haben wir unter dem Motto „Inside Festival“ jede Woche spannende, neue Videobeiträge aus aller Welt für euch und auch auf unseren Social Media Kanälen geben wir laufend Ausblicke und Einblicke, was euch heuer erwarten wird. 

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