Nur wenigen Menschen sind diese Erlebnisse vorbehalten. Mit VR, mit immersiven Technologien, werden diese Träume aber für viele Wirklichkeit. So zum Beispiel im Deep Space 8K des Linzer Ars Electronica Center. Hier erwachen Geschichten zum Leben von fernen Galaxien, anatomischen Rundumblicken oder künstlerischen Einblicken zum Leben. Melinda File, Programmentwicklerin im Deep Space 8K, ist maßgeblich daran beteiligt, dass diese Geschichten entwickelt und erzählt werden. Wir haben sie für ein Gespräch getroffen.
Die Frage, die sich zuallererst stellt: Wie erzählt man Geschichten im Deep Space 8K? Und wie werden diese Geschichten entwickelt?
Melinda File: Zu Beginn stelle ich mir die Frage: Was sind gerade die Themen, die uns aktuell bei der Ars Electronica und als Gesellschaft allgemein beschäftigen und was davon kann man in eine bildgewaltige Präsentation verpacken, die unseren Besucher*innen ein möglichst schönes und interessantes Erlebnis ermöglicht? Dann suche ich Verschränkungen dieser beiden Bereiche. Wenn es gelingt, entsteht eine perfekte Verbindung.
Eines der neuesten Programm-Formate, das aus diesem Prozess resultiert, ist „Die Erde – Ein besonderer Planet“. Das ist eine Geschichte, die wir im Programm Uniview entwickelt haben, einer Visualisierungssoftware, die interaktive Flüge in 3D durch das gesamte bekannte und beobachtbare Universum ermöglicht. Ausgangspunkt meiner Überlegungen hier war der Themen-Schwerpunkt zu Klimawandel und unseren Handlungsmöglichkeiten, den wir momentan bei der Ars Electronica verfolgen. Zusätzlich gibt es auch eine neue Applikation für den Deep Space 8K, ein interaktives Simulationsspiel, bei dem man durch bewusste Entscheidungen den “Planet B” retten muss, um als Ergebnis festzustellen, dass die schlechteste Entscheidung jene ist, gar nichts zu tun.
Ich wollte ergänzend dazu ein Programm entwickeln, das zeigt, wie schön und besonders die Erde ist, wie schützenswert der „Planet A“ ist. Die Besucher*innen fliegen zuerst durchs Universum und betrachten die Erde von oben und können dann versuchen, in diesem Spiel den fiktiven Planet B retten.
Welches Mehr an Möglichkeiten hast du als Geschichtenerzähler*in und Präsentator*in im Deep Space 8K, die, sagen wir zum Beispiel Filmemacher*innen, nicht haben?
Melinda File: Wichtige Aspekte sind die immersive Bildgewalt des Deep Space 8K und die Möglichkeit, viele unserer Applikationen live steuern zu können. Man versucht als Präsentator*in im Deep Space die Stimmung im Raum zu erfassen und entsprechend die Inhalte auszuwählen. Wenn ich beispielsweise merke, dass mein Publikum bei dem Programm „Die Erde“ besonders interessiert auf die Darstellung von der Erdmagnetosphäre reagiert, zeige ich sie ein wenig länger her und gebe mehr Information dazu. Wenn mir auffällt, dass viele aus dem Publikum gleichzeitig einen Schnappschuss machen, steuere ich etwas langsamer, damit sie eine schöne Impression mit nach Hause nehmen können. Ich frage auch bei vielen Programmen gerne „Was möchtet ihr sehen? Gibt es etwas, das ihr euch wünscht?“ und versuche immer alle Wünsche des Publikums zu erfüllen. Manchmal ergeben sich witzige Situationen und man kann gemeinsam lachen. Es gibt also eine persönliche Ebene zwischen der*dem Präsentator*in und dem Publikum – es findet ein Austausch statt.
Was noch hinzukommt, ist, dass man in die Darstellungen richtig eintauchen kann. Im Deep Space 8K kann man in einem Meer aus Galaxien sitzen und hat das Gefühl, als könnte man die einzelnen Sterne aus der Luft pflücken – man kann oft Kinder beobachten, wie sie richtig nach den Sternen greifen. Bei manchen Medienkunst-Programmen entsteht der Eindruck, als würde sich der Raum regelrecht verformen und unendlich fortsetzen!
Die Verbindung zwischen der Immersion, der Interaktivität und der uralten Kulturtechnik des Geschichtenerzählens machen so eine Präsentation im Deep Space zu etwas ganz Besonderem.
Der Deep Space 8K wird didaktisch auch für Vortragsreihen genutzt. Ars Electronica lädt Gastvortragende ein, zu Themen wie Anatomie, Astronomie oder Kunstgeschichte “Deep Space Lectures” zu halten. Welche Rolle spielt der Raum dabei?
Melinda File: Das Potenzial des Deep Space 8K entfaltet sich natürlich dann am besten, wenn der Inhalt speziell für ihn entwickelt wurde. Als Beispiel kann ich hier etwa Prof. Dr. Franz Fellner, Leiter des Zentralen Radiologie Instituts am Kepler Universitätsklinikum Linz, nennen, der mit Hilfe des Virtual Anatomy Programms von Siemens Healthineers wunderbare Geschichten über den menschlichen Körper für Medizinstudierende aber auch interessierte Laien anschaulich erzählen kann. Aber auch Dr. Peter Habison, seines Zeichens Astronom, der sich wiederum des vorher genannten Uniview Programms bedient, um uns auf eine Reise durch das Weltall mitzunehmen. Eine ganz andere Schiene wäre die Kunst, hier sei etwa Dr. Franz Smola, Kurator am Belvedere und Klimt-Experte, erwähnt, der uns durch die außergewöhnlich hohe Auflösung des Raums Details von Klimt-Bildern zeigen kann, die man mit freiem Auge niemals erkennen würde. Fachwissen wird im Fall dieser Experten kombiniert mit einer Bilddimension, mit Mehrdimensionalität und mit zusätzlichen didaktischen Ebenen, wie sie eben nur der Deep Space bietet.
Wir arbeiten unablässig daran, das Storytelling und die Qualität des Erzählens im Deep Space 8K mit allen Mitteln und Möglichkeiten – nicht nur technisch – weiterzuentwickeln. Der Besuch des Deep Space 8K soll immer noch immersiver, noch eindrucksvoller und noch interessanter werden!
Melinda File ist für die Programmentwicklung im Deep Space 8K verantwortlich. Sie ist bereits seit 2009 Teil der Ars Electronica, 10 Jahre davon im aktiven Deep Space Präsentationsbetrieb. Seit vier Jahren ist sie für das Deep Space Spezialprogramm zuständig, und verantwortet hier unter anderem die Organisation von Vorträgen und Konzerten, die Betreuung von Lehrveranstaltungen sowie die Entwicklung von neuen Programmformaten.
Den Deep Space 8K „in Action“ könnt ihr zum Beispiel am 28. und 29. Mai beim letzten Themenwochenende vor der Sommerpause erleben. Zwei Tage lang steht das Programm hier ganz im Zeichen von „Astronomie und Anatomie“.