Besucher*innen des Avatar Robot Café werden remote bedient. Über die Personalagentur Avatar Guild können sich User*innen als Kellner*innen bewerben und ihre Kund*innen dann mittels Roboter wie OriHime und OriHime-D bedienen, ohne vor Ort zu sein. Auf innovative Weise will das Avatar Robot Café ausloten und zeigen, welche technologischen Hilfsmittel es braucht, damit Menschen, die sich aufgrund psychischer oder physischer Erkrankungen oder Beeinträchtigungen nur eingeschränkt bewegen können, besser am Arbeits- bzw. Gesellschaftsleben teilhaben können. Der Roboter ist so konzipiert, dass er für eine Vielzahl von körperlichen Behinderungen geeignet ist, einschließlich Augen-, Maus- und Smartphone-Eingabe. Im Interview mit Meiza Suzuki, Projekt Managerin des Avatar Robot Café, erfahren wir mehr über die ambitionierten Pläne hinter dem Café und was den Avatar-Roboter OriHime so einzigartig macht.
Was ist das Konzept hinter dem Avatar Robot Cafe?
Meiza: Das „Avatar Robot CafĂ©“ ist ein soziales Umsetzungsprojekt, in dem Menschen mit Behinderungen, wie Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), einer unheilbaren, schweren Erkrankung des Nervensystem, als Teil des Personals arbeiten. Diese Mitarbeiter*innen, „Pilots“ genannt, steuern die Avatar-Roboter OriHime und OriHime-D aus der Ferne. Das Ziel dieses CafĂ©s ist es, Möglichkeiten fĂĽr diejenigen zu schaffen und zu teilen, die arbeiten möchten, dies aber aufgrund ihrer medizinischen oder körperlichen Einschränkungen nicht können. Es war uns wichtig zu zeigen, dass mit den richtigen Hilfsmitteln auch Menschen, die sich nur schwer bewegen können, ĂĽber einen Roboter als Alter Ego von zu Hause aus an körperlicher Arbeit und Kundenservice teilnehmen können. Durch die DurchfĂĽhrung des CafĂ©-Experiments war es möglich, den Avatar-Roboter OriHime mit Menschen zu testen, die aufgrund von schweren Behinderungen, Krankenhausaufenthalten, Entfernungen usw. Schwierigkeiten bei der Arbeit haben.
Wie kam es zu der Idee?
Meiza: Orys Sekretär, Yuta Banda, erlitt im Alter von vier Jahren eine Verletzung der Halswirbelsäule. Als er zu uns kam, war er bereits seit 20 Jahren bettlägerig und konnte sich unterhalb des Halses nicht mehr bewegen. Er wurde zu einem SchlĂĽsselmitglied bei der Entwicklung von „OriHime“ und Ory Laboratories. Obwohl sich sein Körper physisch in Morioka, mehrere hundert Kilometer von Tokio entfernt, befand, kam er jeden Tag ĂĽber OriHime zur Arbeit ins BĂĽro. Dabei half ihm sein Kinn bei seiner Arbeit und er hielt sogar gemeinsam mit Ory landesweit Vorträge. Dadurch verdiente er nicht nur sein erstes Gehalt, sondern spielte auch eine wichtige Rolle als Bindeglied zwischen den OriHime-Benutzer*innen und dem Unternehmen, indem er ständig ihre BedĂĽrfnisse und WĂĽnsche vortrug, um die Entwicklung von OriHime voranzutreiben.
„Avatar Robot Cafe DAWN ver.β ist ein herausragendes Projekt und aus Sicht der Jury ein Paradebeispiel dafĂĽr, was eine digitale Gemeinschaft leisten und erreichen kann.“ – Prix Jury Statement
Eines Tages, als er auf einen weiteren von Ory’s schrecklichen Witzen antwortete, legte Banda tatsächlich den Grundstein fĂĽr OriHime-D. An diesem Tag sagte Ori: „Da du mein Sekretär bist, könntest du mir wenigstens einen Kaffee kochen“, woraufhin Banda antwortete: „Nun, dann mach einen Körper, damit ich es kann.“ Und so begann 2016 die Entwicklung von OriHime-D, mit einer Höhe von 120 cm und mechanischen Armen, die „körperliche Arbeit“ wie Kundenservice und das Tragen von Dingen ermöglichen. Im Sommer 2018 gelang uns das weltweit erste Experiment eines vollständig ferngesteuerten Avatars, bei dem ALS-Patient*innen einen Avatar-Roboter bedienten und per Augeneingabe Kaffee ĂĽbergaben.
Was macht OriHime so besonders?
Meiza: Unsere Roboter sind in vielerlei Hinsicht einzigartig. Sie sind nicht nur die ersten ihrer Art, sondern fallen auch nicht in das übliche Konzept von Robotern, da sie keine KI haben und Benutzer*innen benötigen, um Leben zu erlangen. Sie sind Avatare, eine Erweiterung der physischen Präsenz der Benutzer*innen, eine Möglichkeit für sie, ihre Welt zu erweitern und neue Erfahrungen zu machen. Was OriHime besonders macht, ist sein Betriebssystem und das Aussehen. Das Design wurde in Zusammenarbeit mit unseren Benutzer*innen und unter Berücksichtigung der japanischen Kultur entwickelt. Das Betriebssystem wurde von einem leidenschaftlichen Team von Ingenieur*innen entwickelt, die daran glauben, dass die Welt viel besser sein kann als sie jetzt ist. Unsere Nutzer*innen können die Geräte per Augen-, Maus- und Smartphone-Eingabe bedienen. Wir haben Menschen, die ihre Augen, ihr Kinn, eigentlich jedes Gerät, das wie eine Maus auf einem Computer funktionieren kann, zur Bedienung des Systems verwenden.
Wie definiert ihr den Begriff „Behinderung“?
Meiza: Wir definieren „Behinderung“ nicht als das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Behindertenausweises, sondern als die Unfähigkeit, das zu tun, was man tun möchte. Aus diesem Grund gehören zu den OriHime-Pilots nicht nur Menschen mit schweren Behinderungen, die Schwierigkeiten haben, sich zu bewegen. Bei einem CafĂ©-Event hatten wir beispielsweise eine Pilotin aus Melbourne, Australien, zu Gast. Sie hatte keine Behinderungen im herkömmlichen Sinne, abgesehen von der offensichtlichen Entfernung. Ihr Grund dafĂĽr, dass sie „nicht kann, obwohl sie will“, ist, dass sie kleine Kinder zu Hause hat, die sie daran hindern, eine Arbeit auĂźerhalb des Haushalts anzunehmen. Sie war uns eine groĂźe Hilfe, wenn ausländische Besucher*innen ins CafĂ© kamen. Das ist genau das, was wir meinen, wenn wir von einer Gesellschaft sprechen, in der das Ideal „die richtige Person fĂĽr den richtigen Ort“ ist.
Wie hat sich das Projekt seit dem Start im Jahr 2018 entwickelt?
Meiza: Im Juli 2020 haben wir einen Dienst namens „Avatar Guild“ ins Leben gerufen, um Menschen, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, mit Unternehmen zusammenzubringen, die Mitarbeiter*innen suchen. Letztlich soll die Gesellschaft dazu gebracht werden, Menschen, die Schwierigkeiten beim Ausgehen haben, stärker einzubeziehen. Bis Februar 2021 hatte die Gilde dazu beigetragen, Beschäftigungsmöglichkeiten fĂĽr 20 bewegungseingeschränkte Menschen zu schaffen. AuĂźerdem wurde im Juni 2021 in Nihonbashi, Tokio, ein eigenständiges Avatar-CafĂ© eröffnet. Es dient als Ort fĂĽr Arbeitstrainings und soll Pilot*innen mit Arbeitgeber*innen zusammenbringen, um die gesellschaftliche Umsetzung der „Avatar-Arbeit“ zu beschleunigen.
Meiza Suzuki ist die Projekt Managerin des Avatar Robot Café, Ory Laboratory inc.
Ory Yoshifuji (JP): Inventor/Robot Communicator Co-founder CEO, Ory Laboratories Inc. Born in 1987. While in high school he participated in the invention of an equalization mechanism for electric wheelchairs. Graduated from School of Creative Science and Engineering at Waseda University, where he developed OriHime, an avatar communication robot to combat loneliness. In the same year, he was awarded the Human Power Awards (now the TOYP Award), and in 2016, he was selected as one of the “30 Under 30 Asia” by Forbes magazine. Based on his own experience of not attending school, he aims to develop a future where people can meet whoever they want, a future where everyone can participate in society from the comfort of their own bed. AVATAR ROBOT CAFE DAWN ver.β won the Entertainment Division’s Social Impact Award at the 24th Japan Media Art Festival.