Sechs Künstler*innen aus ganz Lateinamerika, die sich mit Kunst und Technologie beschäftigen, stellen im Rahmen des Ars Electronica Festivals im Lentos Kunstmuseum bedeutende neue Arbeiten vor. Die Ausstellung präsentiert die Werke der Preisträger*innen des ersten CIFO-Ars Electronica Awards, Dora Bartilotti (MX), Electrobiota Collective (AR/MX), Thessia Machado (BR), Amor Muñoz (MX) und Ana Elena Tejera (PA). Ihre Arbeiten spiegeln die Art und Weise wider, wie lateinamerikanische Künstler*innen Technologien wie beispielsweise elektronische Textilien und KI-Computer als Medien einsetzen, um individuelle und kollektive Identität, Kultur und Geschichte zu ergründen.
Die in diesem Jahr ins Leben gerufenen CIFO-Ars Electronica Awards würdigen und fördern die Arbeit von aufstrebenden lateinamerikanischen Künstler*innen, die mit Technologie im Bereich der neuen Medien und der digitalen Kunst arbeiten, und stellen jedem*r Preisträger*in bis zu 30.000 $ für die Entwicklung eines neuen Projekts zur Verfügung. Zusätzlich zur Ausstellung werden die entstandenen Werke in die renommierte dauerhafte Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst der Cisneros Fontanals Art Foundation (CIFO) aufgenommen, deren besonderer Schwerpunkt auf lateinamerikanischer Kunst liegt.
„CIFO ist eine Quelle und ein Fürsprecher für lateinamerikanische Kunstschaffende weltweit. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von CIFO baut unsere Partnerschaft mit Ars Electronica auf dem Programm „Grants & Commissions“ von CIFO auf und schafft eine weitere wichtige Möglichkeit, die Praktiken lateinamerikanischer Kunst mit einem globalen Publikum zu teilen. Die Ausstellung bietet einen Einblick in die Bandbreite des heutigen Kunstschaffens in Lateinamerika, insbesondere in die Art und Weise, wie Künstler*innen kontinuierlich innovativ sind und mit neuen Medien und Technologien experimentieren.“
Ella Fontanals-Cisneros, Gründerin und Ehrenvorsitzende von CIFO
Die fünf neuen Werke der Preisträger*innen des CIFO-Ars Electronica Awards zeigen, wie Künstler*innen in ganz Lateinamerika Technologie nutzen, um sich mit den komplexen globalen Herausforderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen. Die Projekte wurden von einem Auswahlkomitee aus Kuratoren*innen und Wissenschaftler*innen im Bereich zeitgenössische Kunst und neue Medien ausgezeichnet: Tania Aedo, Sergio Fontanella, Hemma Schmutz, Martin Honzik und Christl Baur. Die Bewertung basierte auf der konzeptionellen Leistung, einschließlich der künstlerischen und wissenschaftlichen Motive für das Projekt, sowie auf dem Kontext, in dem das Werk entstanden ist, und auf dem Gesamtwerk des Künstlers. Mit den Preisen wurde die Umsetzung der folgenden Arbeiten unterstützt:
¿La has visto…? (Hast du sie gesehen?) ist ein partizipatorisches elektronisches Kunstwerk von Dora Bartilotti, das eine poetische Geste der Suche kreiert sowie eine kollektive Forderung nach den vermissten Frauen, die Opfer von gewaltsamem Verschwinden in Mexiko sind, zu fahnden. Bartilotti ist eine feministische Multimedia-Künstlerin, die sich darauf konzentriert, kritische Dialoge zwischen Kunst und Technologie zu schaffen, um politische Aktionen zu katalysieren. ¿La has visto…? (Hast du sie gesehen?) zeigt eine Schaufensterpuppe, die eine interaktive elektronische Textilskulptur trägt. Damit setzt sie ihre aktuelle Forschung fort, die neue Medien und elektronische Textilien als kreative Mechanismen für feministische Initiativen untersucht.
Die Videoarbeit Cenizas del Paraná ist das Ergebnis einer taktischen und forensischen Untersuchung auf der Grundlage von Photogrammetrietechniken unter Verwendung von Drohnen und Satellitenbildern zur Identifizierung von Feuchtgebieten und zur Untersuchung gefährdeter einheimischer Pflanzenarten durch das Electrobiota Collective, ein 2014 von den mexikanischen Transmedia-Künstlerinnen Gabriela MunguÃa und Guadalupe Chávez gegründetes Künstlerteam. Das Projekt umfasst ein kollaboratives Netzwerk aus Umweltverbänden, lokalen Aktivisten, Künstlern, Biologen und Gemeinden, die sich für die Erhaltung, den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Feuchtgebieten einsetzen. Für diese Arbeit konzentrierten die Künstlerinnen ihre Untersuchung auf die Feuchtgebiete von Isla Puente in Paraná und Entre RÃos in Argentinien.
time slip, a song for structural comfort ist eine Klang- und Lichtinstallation von Thessia Machado mit zwei an der Wand montierten, lichtempfindlichen Streichinstrumenten, die von einer Videoprojektion gespielt werden. Die Architektur des umgebenden Raums fungiert als Resonanzkörper, der durch seine Struktur klingt und den Raum mit einer Komposition aus sich entwickelnden Klängen füllt. Als Bild- und Klangkünstlerin, Instrumentenbauerin und Performerin lotet Machado mit ihrer Arbeit die Materialität des Klangs und seine Auswirkungen auf unsere sich verändernde Raumwahrnehmung aus.
Chimera, Expanded Bodies ist eine Gruppe Bioskulpturen von Amor Muñoz, einer Künstlerin, die mit Textilien, Performance, Zeichnung, Ton und experimenteller Elektronik arbeitet, um die Beziehung zwischen Technologie und Gesellschaft zu erforschen. In dieser neuen Arbeit untersucht Muñoz biologische Prozesse wie den Blutkreislauf und die Atmung und verbindet sie zu einer biotechnischen Erkundung der Beziehung zwischen Technologie und unserem täglichen Leben. Mit einem besonderen Interesse an der Interaktion zwischen materiellen Formen und sozialem Diskurs befasst sich ihre Arbeit in der CIFO-Exhibition mit einem Szenario, in dem eine Gruppe von Bio-Automaten, die jeweils ein Hybrid aus Skulptur und Performer sind, von textilen Grenzflächen umgeben sind, die eine Erweiterung ihres Körpers darstellen.
The Walls Know ist eine neue Installation der multidisziplinären Künstlerin Ana Elena Tejera, deren Arbeit in der Psychologie, der darstellenden Kunst und dem Dokumentarfilmemachen verwurzelt ist. Für die Installation schuf Tejera einen KI-Computer, dessen Ausbildung durch Konsumieren von Klassenhandbüchern, Archiven und Fotografien der School of the Americas in Panama geformt wurde. Der daraus resultierende Algorithmus imitiert eine „militärische Ausbildung“, die auf den konkreten Elementen basiert, die von der Schule geblieben sind.
Das Ergebnis der – in ihrer Vielfalt überwältigenden – Einreichungen hat die Exzellenz der Medienkunst mehr als unter Beweis gestellt und gleichzeitig die notwendige sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaft thematisiert. Ein Blick auf die eingereichten Arbeiten zeigt deutlich die Einzigartigkeit der lateinamerikanischen Medienkunst als eigenständige Kategorie aufgrund ihrer kulturellen und historischen Prägung. Als solche stellt sie eine wichtige Erweiterung des Ars Electronica Netzwerks und ihrer Perspektive auf Medienkunst dar. Diese erste Ausstellung betont die integrale Rolle, die der lateinamerikanische Kulturraum bei den weltweiten technologischen Entwicklungen gespielt hat, und wie kritische künstlerische Positionen diese Entwicklungen seit langem begleiten und reflektieren.
Die CIFO-Ausstellung ist Teil des Programms des Ars Electronica Festival 2022. Details zum Programm findet ihr hier.