„Wir müssen etwas tun!“

the harbor, The Harbor / Participants of Virtual Office FAB Linz (AT), Bettina Gangl (AT), Reinhard Zach (AT), Edwin Husic (AT), Birgit Pölz (AT), Helmut Doblhofer (AT), Tina Pesendorfer (AT), Photo: Virtual Office

Als vierten und letzten Teil unserer Blog-Serie zu Sustainability widmen wir uns einem Aspekt, der uns sehr wichtig ist: unserer sozialen Verantwortung. Damit meinen wir einerseits ganz praktische Dinge wie das Anbieten von mehrsprachigen Führungen, kostenlosen Zutritt für verschiedene Personengruppen, aber auch größere Themen wie die Erarbeitung eines Nachhaltigkeits-Code of Conducts für Mitarbeiter*innen und Partner*innen.

Wir wollen soziale Verantwortung für unsere Besucher*innen, Künstler*innen, Sprecher*innen, Partner*innen, Dienstleister*innen übernehmen, so viel steht fest. Nur gemeinsam können wir eine Veränderung bewirken – davon ist man bei der Ars Electronica überzeugt. Das übergeordnete Ziel ist es, mit dem Festival ein Zeichen zu setzen und zu einer offenen, demokratischen und inklusiven Gesellschaft beizutragen. Aus diesem Grund haben wir uns mit Hans Christian Merten, create-your-world-Leiter, getroffen, der uns am besten mehr zum Thema der sozialen Verantwortung erzählen kann und wo sich unser Anliegen in Projekten am create your world Festival widerspiegelt.

„Für uns ist zum Beispiel die Begegnung mit beeinträchtigten Menschen sehr wichtig – vor allem inmitten dieser Pandemie und inmitten der Rückkehr von Festivals oder Begegnungen mit vielen Menschen allgemein. Wir haben großartige Kooperationen mit dem Virtual Office von FAB, wo diese Menschen in Videoportraits oder verschiedenen Augmented Reality Projekten über ihren Alltag erzählen.“ So wolle man Unischerheiten überwinden und für beide Seiten angenehme Begegnungen schaffen, ist der create-your-world-Leiter überzeugt.

„Für mich ist genau das soziale Verantwortung: dass wir beim Festival Begegnung ermöglichen und Ängste dadurch hoffentlich weniger werden. Das betrifft alle Menschen, alle Generationen.“

Eine Kooperation ist für Hans Christian Merten besonders wichtig – zurecht, widmet sie sich doch einem unumgänglichen Thema: Gemeinsam mit dem Verein Exit-sozial wird heuer beim Festival psychosoziale Beratung angeboten. „Grundziel hierbei ist, mentale Gesundheit zu enttabuisieren.“ Dem widmet sich auch jenes Projekt, das in der u19-create your world Kategorie des Prix Ars Electronica mit der Goldenen Nica ausgezeichnet wurde: Die Schwarze Decke von Mary Mayrhofer. Neben zahlreichen anderen prämierten Projekten, die im Rahmen der CyberArts Exhibition am Festival präsentiert werden, ist auch die Arbeit der jungen Künstlerin zu sehen.

EXIT-sozial

„Wir wollen feinfühlig auf diese Problematik reagieren und ein Angebot schaffen.“

Auch die Klimakrise sieht Hans Christian Merten in engem Zusammenhang mit dem Thema der sozialen Verantwortung und nicht zuletzt mit einem immer größer werdenden Weltsschmerz, den viele Jugendliche empfinden:

„Bei create your world soll unsere Rolle kritisch hinterfragt werden, denn es passieren viele Kommunikationsfehler, die den Menschen ein schlechtes Gewissen machen: Man dürfe nicht mit dem Auto fahren, nicht in den Urlaub fliegen,… Kurz darauf liest man, dass ein neuer Höchstwert bei Regenwaldrodungen im Amazonasgebiet erreicht wurde. Soziale Verantwortung beinhaltet mittlerweile eine große Portion Zynismus, und das kann eine Abwärtsspirale auslösen. Denn wenn ‚die da oben‘ das nicht endlich machen, dann fahr ich auch mit dem Auto und flieg mit dem Flugzeug.“

Beim Thema Klimakrise kooperiert create your world mit Partnern wie Energiewende Linz, mit denen schon beim Festival 2019 ein sogenannter „Climate Shutdown“ veranstaltet wurde. Gemeinsam denket man außerdem über Pilotprojekte wie etwa zur Fassadenstruktur in Städten nach.

Die Schwarze Decke / Mary Mayrhofer (AT)

„Als Einzelperson soziale Verantwortung zu übernehmen, muss in Zukunft einfacher sein.“

Denn eines ist für Hans Christian Merten klar: Die Klimakrise verstärkt psychische Probleme bei Jugendlichen. „Du stehst in der Früh auf und hast eigentlich schon zehn Sachen falsch gemacht. Das macht etwas mit einem, was wieder zurück zum Thema mentale Gesundheit führt. Leute reagieren unterschiedlich darauf: manche sind mitgenommen und machen sich ständig darüber Gedanken, andere machen das Gegenteil.“

Aber es zeige sich keinesfalls nur Verdruss bei jungen Menschen, sondern auch ein großer Aktivismus, der Wille, etwas in die Hand zu nehmen und zu ändern. Genau dort will create your world ansetzen:

„Das ist eine beachtliche Entwicklung, die vor allem bei Jugendlichen zu sehen ist – sei es im Bezug auf den Klimawandel und zuletzt auch im Kontext des Krieges in der Ukraine. Jugendliche stehen auf und sagen: „Wir müssen etwas tun. Wir müssen eine Lösung finden!“.

Nicht zuletzt haben wir den create-your-world-Leiter aber auch gefragt, was er Jugendlichen antwortet, die verdrossen sind, die meinen, es sei sowieso alles bereits zu spät: „Als Leiter von create your world habe ich mich viel mit dieser Frage beschäftigt und eine Möglichkeit ist, zuerst einmal an morgen zu denken und nicht gleich an übermorgen und in 50 Jahren. Was kann ich jetzt machen, sodass es mir auch gut geht dabei?“ Und es sei wichtig, vom ganz großen Bild auch den kleinsten Teil, nämlich sich und seine Rolle nicht zu vergessen. „Ich kann nicht prognostizieren, wie sich das auf das Gesamtkollektiv der Welt auswirken wird, aber ich habe zwei Aufgaben: dass ich mich sozial verantwortungsbewusst verhalte und – das ist essenziell – das schließt mich selbst mit ein. Die eigene Verfassung ist als wichtiges Ziel zu sehen, um für die Gesellschaft überhaupt etwas beitragen zu können.“

AVATAR ROBOT CAFE DAWN ver.β / Ory Yoshifuji (JP), credit: Ory Laboratory inc.

Wenn man sich jetzt aber dafür entschieden hat, aktiv zu werden, dann ist create your world die ideale Anlaufstelle, nicht nur, aber vor allem auch am Festival. „Wir arbeiten auf vielen unterschiedlichen Ebenen und kooperieren zum Beispiel auch mit dem AMS und versuchen so, Zukunftsberufe zu entdecken, basierend auf der Überlegung, womit man sich beschäftigen möchte, was einen interessiert und wo eigene Talente liegen. So erforschen wir bei create your world unter anderem das Arbeitsverhältnis der Zukunft.“ Das Thema der Förderung von Talenten (wobei dieser Begriff sehr breit verstanden wird) ist nicht nur beim Prix Ars Electronica ein zentrales:

„Wir versuchen subjektiv Talente zu fördern und in den Open Labs mit sozialen Experimenten, neuen Technologien und bereits bekannten Projekten zu inspirieren und einen Wiedereintritt aus der Pandemie zurück in ein on sight Erlebnis zu schaffen.“

Neugierig geworden? Von diesen und vielen weiteren Projekten könnt ihr euch am create your world Festival im Rahmen des Ars Electronica Festival von 7. bis 11. September am Campus der JKU überzeugen. Der Eintritt zum create your world-Bereich ist frei!

Seit 2013 ist Hans Christian Merten Leiter der Initiative u19 – CREATE YOUR WORLD von Ars Electronica. Er studierte Audiotechnik und – Design in Wien und absolvierte diverse Lehrgänge an der Bruckneruniversität Linz. Von 2002 bis 2010 war er Lehrender an der Fachhochschule Hagenberg (Medientechnik und Design) und an der BHS für Kommunikation und Medien in Freistadt. 2010 – 2013 war er künstlerischer Leiter des mehrfach preisgekrönten Festivals „kult – das neue Mühlfestival“ in Freistadt und ist seit 2005 selbständiger Künstler und Leiter des Projektstudios Music for Film & Media in Gutau (OÖ).

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