2024 feiert Oberösterreich 200 Jahre Anton Bruckner. Im Ars Electronica Center könnt ihr deshalb ab Februar die Welt des berühmten Komponisten auf nie dagewesene Weise erleben!
Anton Bruckner wurde 1824 im oberösterreichischen Ansfelden geboren. Im Stift des angrenzenden Nachbarorts St. Florian wurde er sowohl musikalisch geprägt als auch gefördert und ausgebildet. In Linz avancierte er zum gefeierten Orgelimprovisator und Komponisten mit einzigartiger Tonsprache. Seine Werke sind heute im nach ihm benannten renommierten Konzerthaus in Linz zu hören, werden vom ihm gewidmeten Orchester aufgeführt, und an einer Universität, die ebenfalls seinen Namen trägt, wird seine Musik gelehrt und erforscht.
Sein 200. Geburtstag im Jahr 2024 bietet eine willkommene Gelegenheit, sich mit dem Ausnahmekomponisten in zahlreichen Konzerten, Ausstellungen und Projekten zum Mitmachen in ganz Oberösterreich zu beschäftigen. Das Land Oberösterreich, die Stadt Linz und Institutionen aus Kultur, Kirche, Wirtschaft und Tourismus bereiten sich auf dieses besondere Jubiläumsjahr vor.
Being Anton & Playing Anton
Auch die Ars Electronica, die bereits im Jahr ihrer Gründung 1979 im Rahmen der ersten Klangwolke ein „sinfonisches open-air mit Bruckners 8.“ als „zentrales multiquadrophonisches Musikereignis“ im Donaupark veranstaltet und seine Musik über die Radio- Empfangsgeräte der Linzer*innen in die ganze Stadt getragen hat, knüpft an diese Tradition an und führt das musikalische Bruckner-Experiment im Jahr 2024 fort. Gemeinsam mit dem Bruckner Orchester Linz hat das Team des Ars Electronica Futurelab für die Besucher*innen des Ars Electronica Center zwei eindrucksvolle Bruckner-Erlebnis-Welten geschaffen.
Mit Being Anton wartet in den Ausstellungsräumlichkeiten des Ars Electronica Center ein neuer immersiver Klangraum, der in die Gedanken- und Geisteswelt Bruckners und seiner Zeitgenoss*innen führt.
Bei Playing Anton ist man nicht nur Zuhörer*in, sondern wird Teil des Orchesters selbst – und das mitten im Deep Space 8K. Modernste Interaktionstechnologie ermöglicht es, gemeinsam mit anderen die verschiedenen Stimmgruppen des Bruckner Orchester Linz neu zu gestalten und die musikalischen sowie kompositorischen Aspekte von Bruckners Musik als beeindruckende 3D-Visualisierungen zu erleben.
Ab Februar könnt ihr dadurch die Musik Bruckners, aber auch die ihn damals umgebende Klang-Welt auf bisher nie dagewesene immersive Weise erleben. In enger Zusammenarbeit mit Norbert Trawöger, dem Künstlerischen Direktor des Bruckner Orchester Linz, der vom Land OÖ mit der künstlerischen Leitung der ersten oberösterreichischen KulturExpo „Anton Bruckner 2024“ betraut wurde, entstanden mit Being Anton und Playing Anton zwei faszinierende Beispiele, in denen menschliche Kreativität und neueste Technologien in herausragender Weise aufeinandertreffen. Federführend beteiligt an der Umsetzung der beiden Projekte sind Key Researcher & Artist Ali Nikrang sowie Senior Researcher & Artist Arno Deutschbauer vom Ars Electronica Futurelab, die wir gemeinsam mit Norbert Trawöger – dem Experten für Leben und Werk Bruckners – zum Gespräch gebeten haben.
Wie schafft man es 2024 auch ein junges Publikum für Bruckner zu begeistern?
Norbert Trawöger: Begeisterung verlangt begeisternde Erfahrungen. Ich verstehe gut, dass ein jugendlicher Mensch nicht von sich aus das dringliche Bedürfnis verspürt, sich einer 80-minütigen Sinfonie auszuliefern. Dafür müssen wir klug dosierte Zugänge und adäquate Räume schaffen, die diese Erfahrungen ermöglichen. Das Ars Electronica Center ist voll von diesen Möglichkeiten und 2024 kann man sich an diesem Ort auch spielerisch von Bruckners Musik ergreifen lassen. Wie großartig!
Bei Playing Anton werden die Besucher*innen selbst Teil des Orchesters. Wie können die Besucher*innen mit dem Orchester interagieren?
Ali Nikrang: Die Besucher*innen haben die Möglichkeit, die einzelnen Musikergruppen des Bruckner Orchester Linz, 14 an der Zahl, interaktiv zu steuern. Durch die Positionierung im Raum wird es möglich, Musikergruppen zusammen oder einzeln spielen zu lassen und so ein völlig neues Hörerlebnis des Bruckner Orchester Linz zu generieren.
Arno Deutschbauer: Die Multi-User Applikation für den Deep Space 8K erlaubt dadurch eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten für die Klänge des Orchesters und deren Zusammenspiel und ermöglicht eine neue Art des kollaborativen Orchesterklangs.
Zu hören sein wird die 9. Sinfonie Bruckners. Warum ist die Wahl auf dieses Werk gefallen?
Norbert Trawöger: Dem Scherzo der Neunten ist eine tänzerisch perkussive Wucht eingeschrieben, der man sich schwer entziehen kann. Diese „Maschinenmusik“ groovt, erfasst körperlich, was einen unmittelbaren Zugang schafft. Sinnliche Erfahrungen sind sowieso unschlagbar!
Welche Überlegungen flossen in die Gestaltung der 3D-Visualisierungen ein, um Bruckners einzigartige Klangwelten bestmöglich zu vermitteln?
Ali Nikrang: Die jeweiligen Musiker*innen des Orchesters werden an die Wand projiziert. Das Bild besteht immer aus den Personen, die gerade aktiv spielen – abhängig von den entsprechenden Standpositionen des Publikums auf dem Boden. Visuelle Effekte verstärken dadurch auch die Wahrnehmung der Musik. Die Idee ist, auch auf visuelle Weise zu zeigen, dass ein Orchesterklang aus mehr als nur der Summe seiner einzelnen Teile besteht.
Arno Deutschbauer: Die Positionen des Publikums sind durch die Partikelwellen der Bodenprojektion mit den einzelnen Instrumenten der Wandprojektion verbunden. Jedes Instrument, jede Gruppe von Instrumenten wird durch unterschiedliche Farben und Formen dargestellt, so dass die akustische Kombination der Instrumente ein völlig neues Bild erzeugt.
Being Anton führt die Besucherinnen zurück in die Zeit von Anton Bruckner. Warum ist dies im Kontext Bruckners essenziell?
Norbert Trawöger: Eine kontextuelle Hineinversetzung in den historischen Zeitrahmen und seine akustische Umgebung kann uns helfen, neugieriger, verständiger zu werden. Wissen kann ein Trampolin sein, um die Ohren für den Zauber des Kunstwerks noch mehr zu spitzen. Wenn wir im Staunen landen, haben wir den Kopf längst verloren. Staunen ist nicht ausdenkbar, eben ein körperlicher Vorgang.
Welche konkreten Elemente wurden in diesem immersiven Klangraum integriert, um das Lebensumfeld und die Klänge, denen Bruckner begegnet ist, authentisch zu vermitteln?
Arno Deutschbauer: Die konzeptuelle Idee beinhaltet drei elementare Klangwelten, die Anton Bruckner als Person und Komponisten kontextualisieren sollen: Seine Zeit als heranwachsender Komponist in Ansfelden bzw. St. Florian, seine Zeit in Wien als Komponist und beispielsweise den technologischen Fortschritten, die zu dieser Zeit parallel stattgefunden haben sowie dazu passende Auszüge seiner Kompositionen. Auch ein Hörspiel mit diversen Auszügen aus seinem Leben wird dahingehend umgesetzt.
Zur Eröffnung von Being Anton mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer, dem Linzer Bürgermeister Klaus Luger und Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer laden wir euch am MI 31.1.2024 um 18:00 herzlich ein, der Eintritt ist frei! Im Anschluss daran wird uns Anton Bruckners Klangwelt das ganze Jahr über begleiten.
Norbert Trawöger
„You don’t look like a classical musician!“ meinte der belgische Journalist Philippe Manche über Norbert Trawöger (*1971), der aus einer Familie stammt, bei der schon Franz Schubert „höchst ungeniert wie zu Hause“ zu Gast war. Der vielfältig gestaltende Musiker studierte Flöte in Wien, Graz, Göteborg, Amsterdam und „Arts Administration“ an der Universität Zürich. 2010 erschien sein Buch über den Komponisten Balduin Sulzer, das mit dem Ö1 Pasticcio-Preis ausgezeichnet wurde. Seit Mai 2013 ist er Intendant des Kepler Salon, dem europaweit einzigartigen „Lusthaus des Wissens“ der Johannes Kepler Universität. Trawöger ist leidenschaftlicher Kommunikator und gefragter Redner in den Feldern der Kunst, Kultur und Kreativität. Er lehrt als Gastdozent des Studiengangs „Musikvermittlung – Musik im Kontext“ an der Anton Bruckner Privatuniversität. Norbert Trawöger ist Künstlerischer Direktor des BOL. www.eNTe.me und seit 2017 Künstlerischer Direktor beim Bruckner Orchester Linz.
Ali Nikrang
Ali Nikrang ist Key Researcher & Artist im Ars Electronica Futurelab. Er hat sowohl einen technischen als auch einen künstlerischen Hintergrund. Er studierte Computer Science an der Johannes Kepler Universität in Linz und Komposition mit Schwerpunkt Neue Medien an der Universität Mozarteum in Salzburg. Außerdem erhielt er an derselben Universität ein Diplom in Klavierperformance. Bevor er 2011 zum Ars Electronica Futurelab kam, arbeitete er als Researcher am Österreichischen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz in Wien.
Seine Forschung befasst sich mit der Interaktion zwischen Menschen und KI-Systemen bei kreativen Aufgaben mit Schwerpunkt Musik. Dazu gehört die Untersuchung kreativer Beiträge von KI-Systemen und wie diese durch die Interaktion mit dem menschlichen Nutzer gelenkt, verbessert und personalisiert werden können. Als klassischer Musiker und KI-Forscher hat er an zahlreichen Projekten mitgewirkt, die künstliche Intelligenz und Musik miteinander verbinden. Er ist Urheber des Forschungswerkzeugs Ricercar, eines KI-basierten kollaborativen Musikkompositionssystems, das für die Komposition klassischer Musik verwendet werden kann. Darüber hinaus wurde seine Arbeit bei verschiedenen Konferenzen und Ausstellungen auf der ganzen Welt vorgestellt (und war auch Teil mehrerer Fernseh- und Radiodokumentationen über künstliche Intelligenz und Kreativität). Im Jahr 2020 wurde er mit dem RFT OÖ Young Scientist Awards ausgezeichnet.
Arno Deutschbauer
Arno Deutschbauer verstärkt seit 2019 als Researcher & Artist das Team des Ars Electronica Futurelab. Er hat an der FH Salzburg Multimedia Art und an der Kunstuniversität Linz Interface Cultures studiert. Während des Studiums beschäftigte er sich hauptsächlich mit der performativen audiovisuellen Ebene auf unterschiedlichen Plattformen.
Im Rahmen seiner Masterarbeit setzte er sich theoretisch mit dem Thema der kartesianischen Körper/Geist Trennung im virtuellen Raum sowie zusammenhängender Teilbereiche rund um das Thema technokultureller Entwicklungen auseinander. Daraus entstand ein weiterführendes künstlerisches Projekt, gemeinsam mit Sound:Frame und 101, mit dem Titel Afterlife, in dem es um die Umsetzung meditativer Kontemplation im VR Bereich ging. Diese Arbeit wurde unter anderem in Österreich, Litauen und auch auf der ISEA in Korea 2019 ausgestellt.
Das seit der Jugendzeit leidenschaftliche gelebte Hobby der Musikproduktion beziehungsweise Filmvertonung als Sounddesigner und Hobby-Musiker, verknüpfte sich somit während des Studiums mit generativer visueller Gestaltung bis in den Bereich der reaktiven audiovisuellen VR Entwicklung.