Was bedeutet es eigentlich, die Welt zu gestalten? Wie findet man Vertrauen in die Fähigkeit, Einfluss zu nehmen? Welche Rolle spielt unsere mentale Gesundheit für die Gesellschaft? Wer übernimmt Verantwortung? Will we turn the tide?
Das Ars Electronica Festival steht heuer unter dem Thema “HOPE” – verstanden als Manifestation, dass es tatsächlich viele Gründe für Hoffnung gibt. Im Rahmen dessen findet das „Festival im Festival“ statt – das create your world Festival. Oder: Das Zukunftsfestival der nächsten Generation. Fünf Tage, die zum Experimentieren und Ausprobieren einladen: Neue Technologien, besondere Ideen und ungewöhnliche Lebensmodelle in unterschiedlichen Open Labs schaffen einen Raum des Austauschs und der Diskussion über die unterschiedlichen individuellen Definitionen von Hoffnung. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der psychischen Gesundheit, insbesondere von jungen Menschen. Das Eintauchen in vielfältige Prozesse gibt den Besucher*innen die Möglichkeit, neue Zugänge zu Kunst, Technologie und Gesellschaft zu finden.
Junge Generation im Fokus
„Das create your world Festival versteht sich als Initiative. Wir arbeiten mit Kindern und Jugendlichen, wollen sehen, was sie beschäftigt und wie es ihnen geht“, sagt Hans Christian Merten, der die Initiative u19–create your world von Ars Electronica seit 2013 leitet. „Die junge Generation trägt viel Verantwortung. Heutzutage ist es so: Du wachst auf und hast eigentlich schon fünf Sachen falsch gemacht. In Zeiten der Pandemie, zwischen Berichten über Krieg und Zerstörung werden junge Menschen oft allein gelassen, fühlen sich machtlos. Unser aktuelles Dasein ist mit einem schlechten Gewissen behaftet, während wir uns gleichzeitig ständig in der Pflicht sehen, die Welt zu verbessern. Und Tatsache dabei ist, dass sich die Suizidrate bei jungen Menschen dramatisch erhöht“, erzählt er. „Unsere Gesellschaft hat viele Herausforderungen zu bewältigen. In Hinblick auf die Demokratie und die individuellen Bedürfnisse sollten wir aber vielleicht an unseren eigenen Beitrag denken, den wir leisten können. Unsere eigene psychische Gesundheit und unser eigenes Umfeld so zu gestalten, dass wir uns gut und stark fühlen, ist vielleicht die beste Voraussetzung, um uns allen helfen zu können.“ Und dafür braucht es keine Superstars. So heißt es schon beim Prix Ars Electronica in der Kategorie u19–create your world, dessen Gewinner*innenprojekte beim Festival vorgestellt werden. Viel mehr sucht man nach Blickwinkeln und nach Ideen für eine gemeinsame Zukunft.
Die Zukunftsträger*innen von morgen
Damit ist der Prix Ars Electronica in der Kategorie u19–create your world der erste Kontakt zu den Menschen, die die Welt von morgen gestalten werden. „Die Teilnehmer*innen werden immer jünger“, erzählt Merten. „Das zeigt, wie groß der Bedarf ist, hinzuschauen und zuzuhören.“ Was bewegt sie? Was belastet sie? Und worin finden sie Hoffnung? Die Gewinner*innenprojekte werden im Rahmen des darauffolgenden Festivals vorgestellt und sind damit nicht nur Ausdruck guter Ideen und großer Visionen, sondern stellen Fragen, ändern Sichtweisen und geben Einblicke. Sie zeigen einmal mehr, dass Veränderung nicht nur gewünscht, sondern notwendig ist: Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Gemeinschaft sind dabei große Themen. Unter dem Untertitel „The Page Turners“ entsteht so vom 4. bis 8. September 2024 ein Festival, das sich mit dem Konzept der Hoffnung und des kollektiven Wandels auseinandersetzt und die Bedeutung der psychischen Gesundheit der*s Einzelnen als Grundlage für einen Beitrag zur Gesellschaft unterstreicht. „Für mich ist das eine demokratische Vorsorge“, sagt Merten.
Wer wendet das Blatt?
Geht es wirklich nur um zwei Seiten, oder ist es eher ein Multiple-Choice-Szenario, das wir als Gesellschaft gemeinsam durchlaufen müssen? Für Initiator Hans Christian Merten ist Neuausrichtung kein binärer Prozess, sondern es müssen viele verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Natürlich sollten wir alle etwas ändern – aber wer kann oder will die Führung bei Entscheidungen übernehmen? Jede*r Einzelne. Und das soll nicht bedrohlich klingen, sondern hoffnungsvoll: „Die Definition von Hoffnung ist ein sehr individueller Prozess. Jetzt geht es darum, unsere individuelle Hoffnung in die globale kollektive Hoffnung zu integrieren, um das Blatt gemeinsam zu wenden. Das klingt komplex und unlösbar. Vielleicht ist es das auch. Aber es gibt immer noch Hoffnung, dass wir uns auf einen Weg der Veränderung begeben“, so Merten. „Denn nur wenn es mir gut geht, kann ich die Welt verändern!“
Das nächste Kapitel: Time to create!
Viele verschiedene namhafte Künstler*innen, Vereine und Unternehmen sind Teil des heurigen Festivals, an dem die Besucher*innen jeden Alters in die Welt von morgen blicken können, mit der Möglichkeit des Austauschs und der Diskussion über die verschiedenen individuellen Definitionen von Hoffnung. „Es soll darum gehen, die Zeit zu vergessen und sich ganz einer Sache zu widmen – so lange und so intensiv man möchte. Asynchrones Lernen, fernab von starren Systemen“, sagt Merten. „Das Eintauchen in die verschiedenen Open Labs gibt den Besucher*innen die Möglichkeit, einen neuen Zugang zu Kunst, Technologie und Gesellschaft zu finden.“ So bringt das diesjährige create your world Festival eine bunte Mischung von Projekten aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die die Welt von morgen prägen werden. Zum Beispiel die App „do-gether“ für lokale Hilfeleistung, die in unserer schnelllebigen Zeit oft in Vergessenheit gerät. Beim interaktiven Spiel „Ecopolis“ werden die Teilnehmer*innen eingeladen, nachhaltiges Leben in der Stadt kennenzulernen. Das Spiel ermöglicht es, Lösungen für die Schaffung umweltfreundlicher und widerstandsfähiger Städte zu erforschen und zu erproben. Voller Energie erkundet man am besten den Powerplayground der Energiewende Linz, der interaktive Installationen zum Thema nachhaltiges Leben und Energiewende bietet. Genial-technisch wird’s für die Besucher*innen beim Road Lab als mobiler Maker*Space des Technischen Museums Wien. Ausgestattet mit 3D-Druckern, Lasercuttern und Workshops sind die Besucher*innen eingeladen, digitale Produktionstechniken näher kennenzulernen.
Pageturners welcome!
Wie man selbst zum „Page Turner“ wird, wird in der „Hoffnungsschmiede“ von Tinkertank besonders deutlich: Die Rube-Goldberg-Maschine wird zweimal am Tag gestartet und basiert auf der Überzeugung und Erfahrung, dass jeder Mensch zu kreativen und selbstorganisierten Prozessen der Lösungsfindung fähig ist. Inspiriert von Vorzeige-Künstler Joseph Herscher handelt es sich dabei um eine spielerische Vorrichtung, die alltägliche und banale Tätigkeiten verrichten, dafür aber unfassbar komplizierte und lange Wege zurücklegen. Das beinhaltet das Auslösen einer Reihe von Reaktionen, einschließlich fallender Bücher, rollender Murmeln, schwingender Pendel oder sich drehender Räder.
Bereit, die Welt zu verändern?
„Die Welt zu gestalten – das ist wichtiger denn je, denn wir müssen uns zuerst um uns selbst kümmern, um anderen helfen zu können“, sagt Merten. Von 4. bis 8. September sind deshalb alle Tüftler*innen, Weiterdenker*innen und Wissensdurstigen eingeladen, sich kostenlos in der POSTCITY Linz in den verschiedenen Open Labs auszuprobieren und in neue Welten abzutauchen. „Wenn wir uns gleichzeitig auf die individuelle und kollektive Entwicklung konzentrieren, besteht die realistische Hoffnung, dass wir die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gemeinsam erfolgreich meistern werden“, ist er sich sicher.
Das create your world Festival findet vom 4. bis 8. September 2024 im Rahmen des Ars Electronica Festivals statt. Tickets sind hier erhältlich.
Hans Christian Merten
Seit 2013 ist Hans Christian Merten Leiter der Initiative u19–create your world von Ars Electronica. Er studierte Audiotechnik und – Design in Wien und absolvierte diverse Lehrgänge an der Bruckneruniversität Linz. Von 2002 bis 2010 war er Lehrender an der Fachhochschule Hagenberg (Medientechnik und Design) und an der BHS für Kommunikation und Medien in Freistadt. 2010 – 2013 war er künstlerischer Leiter des mehrfach preisgekrönten Festivals „kult – das neue Mühlfestival“ in Freistadt und ist seit 2005 selbständiger Künstler und Leiter des Projektstudios Music for Film & Media in Gutau (OÖ).