Wissenschaft ist komplex, Wissenschaft ist langsam. Wie sie trotzdem spannend aufbereitet werden kann, zeigen Projekte, die nicht Daten und Zahlen predigen, sondern Erlebnisse inszenieren.
Von der CRISPR-Gen-Schere und den mRNA-Impfstoffen über Generative Künstliche Intelligenz bis hin zu autonomen Fahrzeugen: wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Innovationen verändern unser Leben in rasantem Tempo. Sowohl die Komplexität dieses neuen Wissens als auch die Geschwindigkeit, in der es produziert wird und Auswirkungen auf uns entfaltet, überfordert uns zunehmend – als Einzelne, vor allem aber auch als (demokratische) Gesellschaft.
Wissen(-schaft) einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, ist wichtiger denn je. Wie aber können wir immer komplexere Inhalte verständlich und begreifbar machen? Die Antwort liegt in neuen Formen des Storytellings. Denn während sich in der Wissenschaft alles um Hypothesen, Experimente, Datenanalysen und Peer Reviews dreht und sich hier Experts meist mit anderen Experts (noch dazu aus demselben Feld) austauschen, reichen noch so brisante Zahlenkolonnen und Messdaten nicht aus, um eine breite Öffentlichkeit anzusprechen. Es braucht gute Geschichten.
Ina Badics und Harald Moser arbeiten bei Ars Electronica Solutions und entwickeln Konzepte und Strategien, um wissenschaftliche Inhalte so anschaulich und spannend wie möglich zu vermitteln. Gemeinsam mit Künstler*innen, Designer*innen, Entwickler*innen, Architekt*innen und Wissenschaftler*innen gestalten sie multisensorische Erlebniswelten, in denen Wissenschaft, Technologie und Kunst miteinander verschmelzen. Ihr Ziel ist es, einmalige Erlebnisse zu kreieren.
Aufmerksamkeit ist alles
Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Information ein knappes Gut war. Ständig und überall prasselt Information heute auf uns ein, ständig klingt, piept oder vibriert unser Smartphone und lässt uns wissen, dass es da schon wieder etwas „Wissenswertes“ gibt. Das, was heute knapp ist, ist unsere Aufmerksamkeit. Wie aber soll Wissenschaft mit ihren komplizierten Inhalten in diesem Umfeld punkten?
„Wir müssen neue Methoden finden, um die Menschen aktiv in den Dialog einzubeziehen“, sagt Ina Badics. „Wir müssen ganz neue Brücken bauen, zwischen Forschung und Gesellschaft.“

Wissen anders vermitteln
Die digitale Transformation hat die Art und Weise, wie wir Informationen konsumieren, radikal verändert. Insbesondere Social Media-Plattformen sind darauf getrimmt unsere Aufmerksamkeit zu erregen; wir sollen so lange wie irgend möglich in der jeweiligen App bleiben und hier Werbung sehen. Ergebnis ist eine Medienlandschaft, die Emotionen schürt anstatt zu informieren, die Auseinandersetzung statt Dialog fördert, die polarisiert und nicht verbindet. Fundiertes Wissen hat es in einem solchen Umfeld schwer. Erfolgreiche Wissenschaftskommunikation muss strategisch sein, ein starkes Narrativ entwickeln und sich widerstandsfähig gegen Desinformation zeigen. „Es braucht klare und verständliche Darstellungen und es braucht Glaubwürdigkeit“, erklärt Ina Badics.
Von der Datenflut zur Erkenntnis
Als Senior Project Manager beschäftigt sich Ina Badics mit der Frage, wie komplexe Themen für ganz verschiedene Zielgruppen zugänglich gemacht werden können. Ihr Ansatz: Es braucht den richtigen Mix aus Interaktivität, Immersion und Ästhetik, um Zahlen und Daten in greifbare, emotionale Erlebnisse zu verwandeln.
„Wissenschaftliche Erkenntnisse werden immer komplexer und dementsprechend häufig fehlt Laien der Zugang zu diesen Themen“, sagt Ina Badics. „Wir wollen Wissen deshalb nicht bloß erklären, sondern es erlebbar machen – wir gestalten visuelle, akustische und haptische Reize, die Emotionen wecken und Menschen aktiv einbeziehen.“

Ein Beispiel dafür ist der Gasometer Oberhausen, in dem Ars Electronica Solutions eine Installation entwickelte, die sich mit dem Thema Ozean befasst. Die Installation „Die Welle“ nutzt ein raffiniertes Zusammenspiel aus Sounddesign und visuellen Effekten, um die Welt der Meere immersiv erlebbar zu machen. Tiefe Frequenzen inspiriert von Walgesängen erzeugen hier Ruhe und Erhabenheit, während höhere Töne das Knistern von Korallenriffen symbolisieren und Lebendigkeit vermitteln. Die großflächigen Projektionen zeigen realistische Unterwasserszenen mit fließenden Bewegungen, während die auf ein beruhigendes Blau fokussierte Farbgestaltung emotional berührt. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Strömungen, Temperaturverläufen und den Veränderungen der Meere fließen subtil in die Inszenierung ein. Präsentiert wird kein nüchternes Zahlenwerk, sondern eine visuell und auditiv erlebbare Geschichte unseres Planeten. Ergebnis ist eine sinnliche und zugleich informative Erfahrung, die das Bewusstsein für die Fragilität der Ozeane stärkt. „Es geht nicht darum, Lehrbuchwissen zu vermitteln, sondern eine Atmosphäre zu schaffen, die den Menschen das Gefühl vermittelt, selbst ein Teil des Themas zu sein“, so Badics.
Essentiell ist bei alledem die Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen. „Die eine richtige Art, Wissenschaft zu kommunizieren, gibt es nicht“, betont sie. „Laien brauchen einen anderen Zugang als Expert*innen.“ Dies gilt nicht nur für die Auswahl der Inhalte, sondern vor allem auch für die Raumgestaltung. „Licht, Materialien und Design beeinflussen wie wir Informationen aufnehmen“, erklärt Badics. „Ein inspirierendes Umfeld fördert unsere Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen.“

Eintauchen, entdecken und verstehen
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) ist ein Leuchtturm der Wissenschaft. Mit ihren 23 Mitgliedstaaten treibt sie Erdbeobachtungsmissionen voran und liefert Daten, die Wissenschaftler*innen, Klimaforscher*innen und Entscheidungsträger*innen weltweit nutzen. Satelliten wie Sentinel-2C erfassen hochauflösende Bilder der Erdoberfläche, überwachen landwirtschaftliche Flächen, analysieren Wasserqualität und dokumentieren Naturkatastrophen in Echtzeit. Die MetOp-Satelliten liefern Daten, die kurzfristige Wetterprognosen verfeinern und langfristige Klimaveränderungen sichtbar machen helfen. All diese Missionen sind kein Selbstzweck – sie helfen uns, unseren Planeten und Zusammenhänge verstehen zu lernen, Veränderungen zu erkennen und nachhaltige Entscheidungen treffen zu können.
Fakt ist, die ESA hat unglaublich viele und unglaublich spannende Geschichten zu erzählen. Einer, der das besser weiß wie die meisten ist Harald Moser. Als Head of Science Experience bei Ars Electronica Solutions arbeitet er seit Jahren mit der ESA zusammen und tüftelt daran, diese Geschichten zu erzählen.

Angefangen hat das alles 2016 mit der Ausstellung „Raumschiff Erde“ im Ars Electronica Center Linz. „Im Mittelpunkt stand dabei die Erdbeobachtung – die dafür eingesetzten Technologien, die damit erzielten Messdaten und die davon abgeleiteten Erkenntnisse“, erinnert sich Harald Moser. „Rund um Satellitendaten zu Klimawandel und Umweltmonitoring haben wir eine interaktive Ausstellung entwickelt, die den Besucher*innen ein einzigartiges, immersives Erlebnis eröffnete.“ An drehbaren Multitouch-Bildschirmen konnten Satellitenbilder der ESA erkundet und Themen wie Umweltveränderungen und globale Klimaprozesse erforscht werden. Eine großflächige Bodenprojektion eines mit Echtzeitdaten gespeisten Globus machte Phänomene wie Wetterentwicklungen, Meeresströmungen oder Temperaturveränderungen sichtbar und begreifbar.

„Die Kolleg*innen der ESA haben unser Konzept und dessen Umsetzung so toll gefunden, dass sie uns wenig später mit dem nächsten Projekt beauftragt haben“, sagt Harald Moser. 2018 sollte die neue ESA Science Experience im italienischen Frascati eröffnet werden und einer breiten Öffentlichkeit Einblick in die Welt der Satelliten eröffnen. „Wir haben uns damals einem holistischen Ansatz verschrieben“, sagt Moser. „Statt zu versuchen Zahlen und Tabellen irgendwie aufzuhübschen, setzten wir auf Raumgestaltung, Licht, Sound und interaktive Elemente, um den Besucher*innen ein immersives Erlebnis zu bieten.“ Im Zentrum des Raumes stand der „Half-Dome Globe“, auf den geosphärische Daten in 4K projiziert werden. Besucher*innen können mithilfe dieser Kristallglaskugel durch Zeit und Raum navigieren und globale Phänomene erkunden. Im „Control Room“ lassen sich Satellitenstarts simulieren, Missionen in Echtzeit verfolgen und technische Details von Satelliten erkunden.
Neben digitalen Erlebnissen haben haptische Objekte enormen Einfluss auf unsere Wahrnehmung. „Ein physisches Modell eines Satelliten oder eines Meteoriten hat eine ganz andere Wirkung als eine digitale Simulation“, sagt Moser. „Elemente, die wir angreifen, die wir berühren können, helfen uns, emotionale Verbindungen herzustellen.“

Für Harald Moser liegt die Zukunft der Wissenschaftskommunikation in der Kombination von neuen Technologien und menschlicher Interaktion. „Kein KI-gesteuertes Hologramm kann die unmittelbare persönliche Vermittlung ersetzen“, betont er. „Wenn wir aber Technologien wie Lichtsteuerung, Sounddesign und interaktive Displays gezielt einsetzen, können wir Räume schaffen, die Menschen inspirieren und ihnen ein tiefgehendes Verständnis für wissenschaftliche Zusammenhänge ermöglichen.“
Interaktiv, immersiv, emotional
Um Wissenschaft zeitgemäß zu vermitteln, müssen Forscher*innen, Designer*innen und Vermittler*innen noch viel enger und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Interdisziplinäre Konzepte sind entscheidend, um Wissenschaft vom abstrakten Konstrukt zur lebendigen, erfahrbaren Realität zu wandeln. Projekte wie die Installation „Die Welle“ im Gasometer Oberhausen oder die ESA Science Experience in Frascati zeigen, dass das funktionieren kann.
Wissenschaft und Technologie bilden das Fundament unseres Lebens. Darüber Bescheid zu wissen, ist essentiell – insbesondere in einer Demokratie, in der wir alle darüber entscheiden, in welche Richtung wir uns weiterentwickeln wollen oder eben nicht. Gelingen kann das nur wenn die Wissenschaft sich öffnet, den Dialog mit der breiten Öffentlichkeit sucht und zeitgemäße Wissenschaftskommunikation betreibt. Teams wie jenes der Ars Electronica Solutions können sie dabei unterstützen und dafür sorgen, dass diese Kommunikation emotional, immersiv und partizipativ ausfällt. Mit Generativer KI kommt dabei gerade eine weitere spannende Technologie ins Spiel. Im Mittelpunkt erfolgreicher Konzepte werden aber immer wir Menschen stehen, sind sich Ina Badics und Harald Moser einig: Nicht das Leistungspotential von Technologien, sondern unsere Bedürfnisse und Interessen als Einzelne und Gesellschaft müssen Ausgangspunkt und zugleich Ziel von Wissenschaftskommunikation sein.
Mehr über die Projekte von Ars Electronica Solutions findest du hier.

Ina Badics
Ina Badics ist seit 2017 als Projektmanagerin bei Ars Electronica Solutions tätig. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit der Entwicklung interaktiver und multisensorischer Erlebniswelten. Ihr Fokus liegt dabei auf der Schaffung eines roten Fadens in der Storyline, wobei die emotionale Tiefe der zugrundeliegenden Geschichte für sie von zentraler Bedeutung ist. Mit großer Leidenschaft begleitet sie jeden Schritt eines Projekts und sorgt durch engen Austausch mit den Kunden für eine optimale Umsetzung ihrer Visionen. Ina Badics‘ Ziel ist es Erlebnisse zu gestalten, die den Betrachter auf emotionaler Ebene berühren. Auch privat zeigt sich ihre Affinität zur Kreativität: Sie interessiert sich für Kunst, Film und Musik, was ihre Projekte zusätzlich inspiriert.

Harald Moser
Head of Science Experience